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Psychose und Cannabiskonsum: Neue Studie

Leafly: Alexandra Latour Autor:
Alexandra Latour

Cannabiskonsumenten erkranken häufiger an Psychosen als Nichtkonsumenten. Dieses Ergebnis einer aktuellen britischen Studie sorgte in den letzten Tagen für Diskussionen. Insbesondere Experten aus psychiatrischen Fachkliniken warnen vor den Gefahren von Cannabis auf die psychische Gesundheit und äußern sich gegen eine Legalisierung.

Psychose und Cannabiskonsum: Neue Studie

Der Zusammenhang zwischen dem Ausbruch einer Psychose und dem Konsum von Cannabis ist trotz zahlreicher Studien immer noch nicht abschließend geklärt. Viele Experten gehen davon aus, dass die Ursache-Wirkungsfrage vermutlich niemals endgültig klärbar sei. Allerdings legen Studien nahe, dass sich das Risiko für den Ausbruch einer Psychose erhöht, wenn eine Person anfällig für Psychosen ist und Cannabis konsumiert.

Hoher THC-Gehalt erhöht das Risiko für eine Psychose

In Europa ist der durchschnittliche THC-Gehalt in Cannabisharz von über acht Prozent im Jahr 2006 auf über 17 Prozent im Jahr 2016 gestiegen. Zudem hat sich der mittlere THC-Gehalt in den psychoaktiven Pflanzenteilen von Cannabis von fünf auf über zehn Prozent erhöht. Das waren die Ergebnisse einer Untersuchung im Januar diesen Jahres (Leafly berichtete). Diese Problematik sehen auch die britischen Forscher, die jetzt die Ergebnisse ihrer Studie im Fachblatt „Lancet Psychiatry“ veröffentlicht haben und erklären, dass Personen, die regelmäßig Cannabis konsumieren, häufiger an einer Psychose erkranken.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Cannabis mit einer hohen THC-Konzentration einen schädlicheren Effekt auf psychische Gesundheit hat als schwächere Formen des Stoffes“, führte Marta Di Forti vom King’s College in London aus.

Durchführung und Ergebnisse der Studie

Die Forscher gehen davon aus, dass umso häufiger Psychosen diagnostiziert werden, desto stärker das in einer Stadt erhältliche Cannabis sei (THC-Gehalt > 10 Prozent). Hierfür werteten die Forscher die Daten aus verschiedenen europäischen Städten aus. Hierzu gehören unter anderem:

  • Niederlande: Amsterdam, Gouda, Voorhout
  • Großbritannien: London, Cambridge
  • Frankreich: Paris, Puy de Dome
  • Spanien: Barcelona, Madrid
  • Italien: Palermo, Bologna

Deutsche Städte untersuchten die Forscher nicht.

Zudem nutzen sie die Daten von den jeweiligen Gesundheitsbehörden. So flossen in die Analyse Psychosen, die zwischen den Jahren 2010 und 2015 zum ersten Mal bei Patienten diagnostiziert wurden. Anschließend verglichen die Forscher diese Daten mit repräsentativen Kontrollgruppen aus der jeweiligen Stadt. Hierbei erfasste sie unter anderem die Angaben zum Cannabiskonsum sowie zum Konsum von weiteren Drogen.

Im Ergebnis heißt es, dass rund 30 Prozent der Patienten mit einer Psychose angaben, dass sie täglich Cannabis konsumieren. Von diesen gaben wiederum 37 Prozent an, Cannabis mit einem THC-Gehalt von mehr als 10 Prozent zu konsumieren.

In der Kontrollgruppe gaben sieben Prozent der an Psychosen erkrankten Patienten an, jeden Tag Cannabis zu verwenden. Hiervon nutzen 19 Prozent Cannabis mit einem THC-Gehalt von über 10 Prozent.

London und Amsterdam liegen vorn

Der Effekt, dass desto häufiger Psychosen in Städten auftreten, in denen stärkeres Cannabis erhältlich ist, zeigte sich laut den Forschern vor allem in den Städten Amsterdam und London. Hier sei Cannabis mit einem hohen THC-Gehalt weit verbreitet. Wenn also Cannabis tatsächlich dafür verantwortlich ist, dass sich eine Psychose entwickelt, so könnte man in Amsterdam schätzungsweise die Hälfte aller neu aufgetretenen Psychosen auf den täglichen Cannabiskonsum zurückführen. In London wären es ungefähr ein Drittel.

Würde es nun kein Cannabis mehr mit einem THC-Gehalt geben, so würde die jährliche Psychoseanzahl in Amsterdam von 38 auf 19 Fälle je 100 000 Einwohner fallen. In London von 46 auf 32 Fälle.

Kritik an Studie

Suzanne Gage von der University of Liverpool, die nicht an dieser Studie beteiligt war, äußerte laut einem Bericht Kritik an den Ergebnissen der Studie. So könne die Studie keinen eindeutigen Nachweis liefern, dass Cannabis tatsächlich eine Psychose begünstigen kann. Außerdem hätten die Forscher nur einen statistischen Zusammenhang beobachtet und keine Ursache-Wirkungsbeziehung.

Darüber hinaus erklärte Gage, dass es zwar eine Korrelation zwischen einer höheren Psychosenanzahl und dem Cannabiskonsum gebe, es bleibe jedoch unklar, ob dies tatsächlich auf die Verwendung von Cannabis, einer anderen Droge oder aber unbekannte Faktoren zurückzuführen sei.

Experten warnen vor Cannabislegalisierung

Rainer Thomasius, ärztlicher Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) in Hamburg, erklärte in dem zuvor genannten Medienbericht, dass die britische Studie Anlass dazu gebe, die Aufklärungsarbeit über das Psychoserisiko zu intensivieren.

„Die Studie ist ein weiterer Beleg dafür, dass eine Legalisierung von Cannabis in gesundheitspolitischer Hinsicht verheerende Folgen hat“, so Thomasius.

Sind die Ergebnisse auf Deutschland übertragbar? Wenn es nach Thomasius geht definitiv JA.

Auch Ursula Havemann-Reinecke von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen warnt vor Cannabis.

„Die vorliegende Studie konzentriert sich auf die Inzidenz von Psychosen. Interessant wären auch Daten zu anderen psychischen Problemen wie Angst und depressiven Störungen. Die Analyse zeige wie viele andere Studien jedenfalls deutlich, dass Cannabis keine harmlose Substanz ist. Cannabis sollte nicht so einfach legalisiert und von der Wirtschaft reguliert werden“, so Havemann-Reinecke.

Studie weist Schwächen auf

Problematisch ist, dass die Forscher sich auf die Angaben der Cannabiskonsumenten verlassen müssen. Denn es wurden weder Urin-, Blut- oder Haaranalysen durchgeführt. Außerdem haben sich die Forscher lediglich auf den THC-Gehalt konzentriert. Der Gehalt von weiteren Cannabinoiden, wie zum Beispiel CBD, wurde nicht berücksichtigt.

Suzanne Gage erklärte weiter, dass frühere Analysen gezeigt hätten, dass Personen, die täglich Cannabis mit einem hohen THC-Gehalt konsumieren, ein höheres Risiko für eine Psychose entwickeln. Dieser Effekt sei bei THC-armen Cannabis nicht zu beobachten. Aufgrund dessen, dass der Cannabiskonsum zunehmend legalisiert werde, sei es wichtig zu klären, welche Personen tatsächlich ein höheres Risiko haben.

 

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