Ich muss ganz ehrlich sein, ich bin sehr froh, dass es die Diagnose ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) noch nicht gab, als ich ein kleines Mädchen war. Schon immer hatte ich großes Interesse an allem, was um mich herum so geschah.
Als Fünfjährige wurde ich leider ein Jahr zu früh eingeschult, was sich dadurch bemerkbar machte, dass es mir unmöglich erschien, sechs Stunden lang auf ein und demselben Stuhl zu sitzen (das ist jetzt immer noch so), nicht außerhalb der Linien malen zu dürfen und so ruhig und geduldig wie möglich zu sein.
Ziemlich schnell wurde ich dann auch als anstrengend und unruhig eingestuft und zur schulpsychologischen Beratungsstelle geschickt. Meine damalige Flatterhaftigkeit vermischt mit unendlicher Neugierde, Lebensfreude und unangepasster Kreativität schien die meisten meiner Lehrer vehement zu überfordern.
Natürlich wurde mir das offizielle Sitzenbleiben nicht erspart und zur Strafe musste ich mich zweimal wöchentlich einem autogenen Training bei einer strengen Psychologin unterziehen. Viel lieber wäre ich aber mit ihr um die Wette gerannt oder hätte sie von Kopf bis Fuß mit Fingerfarben bemalt.
Den „Zappelphilipp-Stempel“ bin ich bis heute nicht losgeworden, jedoch macht er mich jetzt zu dem, was ich bin.
Mein großes Interesse an fast allen Themen, Menschen und Geschehnissen und meine unermüdliche Begeisterungsfähigkeit sind genau das, was ich brauche, um erfolgreich in meinem Beruf als Heilpraktikerin arbeiten zu können.
Was für ein Glück.
Meine Patientin Suse erhält die Diagnose ADHS
Nicht jeder hat so ein Glück. Meine Patientin Suse zum Beispiel wurde im letzten Jahr offiziell mit ADHS diagnostiziert.
Sie ist leicht ablenkbar, kann sich sehr selten über längere Zeit auf eine Aufgabe konzentrieren, bringt einmal begonnene Tätigkeiten nicht zu Ende, ist häufig desorganisiert, sehr vergesslich und fast immer von großer innerer Unruhe geplagt.
Das führt leider immer wieder zu Konflikten in fast all ihren Lebensbereichen. Suse ist fast 40 Jahre alt und bat mich um Rat, da sie, wie sie selber sagte, nur noch von einer Baustelle ihres Lebens zur anderen rennen würde.
Übrigens wird ADHS erst seit einigen Jahren auch als eine Erkrankung im Erwachsenenalter festgestellt. Man geht davon aus, dass bei ca. 60 Prozent der betroffenen Kinder die Störung mit dem 18. Lebensjahr nicht wie einst gedacht aufhört.
Die Symptomatik im Erwachsenenalter verändert sich allerdings in ihrer Art und Ausprägung. So kann der motorische Bewegungsdrang bei Kindern einer ständig vorhandenen inneren Unruhe bei Erwachsenen weichen. Verminderte Aufmerksamkeit in Kombination mit Desorganisation, „Aufschieberitis“ oder auffällige Stimmungsschwankungen hingegen können eine stärkere Ausprägung bekommen.
Behandlung einer ADHS
Ob eine ADHS behandelt werden muss, hängt immer vom individuellen Leidensdruck des Betroffenen ab. Einigen hilft bereits das Wissen um all diese Zusammenhänge.
Suse arbeitet als Kuratorin in einem gut besuchten Berliner Kunstmuseum. Sie liebt ihren Job, aber ihr unterlaufen zunehmend Fehler, die von ihrer starken Unruhe und Unkonzentriertheit rühren. Sie selbst glaubt, dass ihr Zigaretten bzw. Nikotin helfen, konzentriert zu bleiben, und ist deswegen Kettenraucherin geworden.
Suse ist ein gutes Beispiel dafür, wie das sogenannte ADHS auch zu anderen Krankheiten, Beschwerden und Abhängigkeiten führen kann.
Suse wünschte sich eine naturheilkundliche Begleitung und gemeinsam berieten wir über geeignete Maßnahmen.
Behandlung mit Medizinalcannabis
Als Erstes entschied sie sich für eine klassische Verhaltenstherapie, um angestauten Emotionen und Ängsten Raum zu geben und soweit wie möglich aufzuarbeiten.
Da Suse doch noch sehr unruhig und zerstreut war, schlug ich ihr vor, sich über ADHS und medizinisches Cannabis zu informieren und auch mit ihrer Hausärztin über diese therapeutische Möglichkeit zu sprechen. Ich dachte, es wäre eine gute Alternative zu den herkömmlichen Arzneimitteln, wie zum Beispiel das umstrittene Ritalin.
Am Ende entschied sich Suse sich für eine Kombination aus Verhaltenstherapie, medizinischem Cannabis und intensivem Ausdauersport.
Anfänglich hatte ich das Gefühl, dass Suse immer schneller und wilder wurde, jedoch wollte ich ihrem Organismus trotzdem mehr Zeit geben und bat sie, ein paar Wochen länger durchzuhalten. Und siehe da nach ungefähr drei Wochen fühlte Suse sich schon sehr viel besser.
Die innere Aufregung legte sich, sie rauchte deutlich weniger und ihre Arbeit machte ihr trotz einiger Herausforderungen wieder Freude. Das medizinische Cannabis half ihr sogar bei den Konzentrationsstörungen.
Unabhängig davon konnte sich Suse aber auch zunehmend mit ihrer Persönlichkeitsstruktur anfreunden. Sie nutzt ihre energiegeladene Art heute immer mehr als Stärke und konzentriert sich auf Tätigkeiten, die ihrer besonderen Persönlichkeit entgegenkommen und ist nicht mehr so streng mit sich selbst.
Wie immer bin ich begeistert von der Wirkung des Medizinalcannabis kombiniert mit der gesunden Intuition meiner Patientin.
Herzensgrüße,
Miri
Ausführliche Informationen zum Thema ÁDHS/ADS finden Sie in diesem Artikel.
Beratung und Unterstützung finden Betroffene unter anderem beim ADHS Deutschland Verein.