Ayurvedische Medizin – was ist das eigentlich?
Der Begriff Ayurveda leitet sich aus der altindischen Sanskrit-Sprache ab: „Ayus“ steht für Leben und „Veda“ für Wissen. Ayurveda ist also das „Wissen vom Leben“. Sie ist die Ayurvedische Medizin eines der ältesten Gesundheitssysteme der Welt und wird bereits seit mehr als 3.000 Jahren angewendet. Die indische Heilkunst, auch Traditionelle Indische Medizin (TIM) genannt, ist in Südasien Volksmedizin.
In südasiatischen Ländern wie Indien und Sri Lanka ist Ayurveda der westlichen Medizin – der sogenannten Schulmedizin – gesetzlich gleichgestellt. Seit einigen Jahrzehnten spielt die indische Heilkunst auch bei uns in Westeuropa eine zunehmend größere Rolle. In Deutschland gehört die ayurvedische Medizin zu den am schnellsten wachsenden naturheilkundlichen und komplementärmedizinischen Verfahren.
Ayurvedische Medizin wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als medizinische Wissenschaft anerkannt. Allein in Indien sind laut WHO mehr als 300.000 ayurvedische Ärzte offiziell registriert. An über 250 anerkannten Universitäten und Fachhochschulen wird die traditionelle Behandlung gelehrt und praktiziert.
Ayurvedische Medizin – Gesundheit für Körper, Geist und Seele
Mediziner, die Traditionelle Indische Medizin anwenden, betrachten den Menschen ganzheitlich: Physische, psychische und spirituelle Aspekte werden in die Therapie einbezogen, um die Gesundheit des Menschen ins Gleichgewicht zu bringen. Als eines von wenigen medizinischen Systemen bezieht die ayurvedische Medizin die Rolle der Seele und des Geistes bei der Heilung von Krankheiten mit ein.
Das ganzheitliche Diagnose- und Therapiesystem beruht auf einer eigenen Definition von Gesundheit und Krankheit des Menschen. Gesundheit ist mehr als nur die Abwesenheit von Krankheit – es ist das individuelle Gleichgewicht von Körper, Geist und Seele. Kommt das innere Gleichgewicht in Disharmonie, beispielsweise durch falsche Ernährung oder Stressbelastung, führt das zu Krankheit und Schmerz.
Gesunderhaltung in der ayurvedischen Medizin
Das Ziel des ayurvedischen Medizinsystems ist, die Gesundheit des Gesunden zu erhalten und die Krankheit des Kranken zu heilen.
Ayurveda basiert auf einer vorausschauenden Strategie. Krankheiten behandeln ayurvedische Ärzte nicht erst nach ihrem Ausbruch, sondern beugen sie bereits durch eine frühzeitige Therapie vor. Dabei betrachten sie jeden Menschen individuell: Die Diagnostik und die Behandlung richten sich komplett nach der persönlichen Konstitution der Patientin oder des Patienten. Ayurveda beruht auf der Bestimmung verschiedener Konstitutions-Typen nach Vata, Pitta und Kapha. Das Gleichgewicht zwischen diesen drei Prinzipien ist unerlässlich für die Gesundheit. Wird es gestört, entstehen Krankheiten.
In der ayurvedischen Medizin werden sämtliche Faktoren, die sich positiv auf die Gesunderhaltung eines Menschen auswirken können, mit einbezogen. Dafür werden auch verschiedene Therapieelemente miteinander kombiniert.
Ayurvedische Behandlung
Mögliche Behandlungen der indischen Heilkunst sind unter anderem:
- äußere ayurvedische Anwendungen
- ayurvedische Ernährung
- Lebensstilberatung
- Pflanzenheilkunde (Phytotherapie)
- Yoga, Meditation, Psychotherapie
- Spezielle Ausleitungsverfahren (Panchakarma)
Das Medizinsystem Ayurveda will den Auslöser von Krankheiten verstehen, um die Gesundheit des Patienten wiederherstellen zu können. Dafür muss der Patient ungesunde Verhaltensweisen abbauen. Diese Verhaltensweisen können sich sowohl in den Lebensgewohnheiten des Patienten finden als auch in den Essgewohnheiten. Daher spielt die ayurvedische Ernährung eine große Rolle.
Neben dem Wissen um die gesunde Lebensweise verfügt die ayurvedische Medizin über zwei effektive Behandlungsmethoden – selbst gegen schwere Krankheiten: Pflanzen- oder Kräuterheilkunde (Dravyaguna) und Panchakarma (Ausleitungs- und Reinigungstherapie). Eine medizinische Ayurveda-Behandlung begleitet den Patienten über einen langen Zeitraum, in dem der Heilungsprozess entsprechend dem individuellen Beschwerdebild ganzheitlich behandelt wird. So werden Ursachen und Symptome der Krankheiten nachhaltig beseitigt.
Nach dem ayurvedischen Therapiekonzept beginnt die Behandlung der Patientinnen und Patienten immer mit der intensiven Reinigungskur Panchakarma. Nach der Ausleitung folgt die aufbauende und stabilisierende Behandlung mit pflanzlichen, mineralischen oder teilweise auch tierischen Präparaten und Rezepturen.
Traditionelle indische Heilkunst ist eng mit der Natur verbunden. 90 Prozent der Behandlungen werden mit pflanzlichen Präparaten und Ayurveda Rezepten durchgeführt. Dafür nutzt die Ayurveda-Heilkunst mehr als 3.000 Pflanzen – traditionell auch Cannabis.
Cannabis als Wirkstoff
Cannabis hat eine lange Nutzungsgeschichte in der ayurvedischen Medizin und wird dort als wertvolles Heilkraut geschätzt. Bereits in alten Texten findet sich der Wirkstoff. Dennoch gilt Cannabis auch in dem traditionellen Gesundheitssystem als stark berauschende Substanz. Nach ayurvedischer Auffassung lässt der Missbrauch von Marihuana die Seele verrohen. Daher darf Cannabis nur nach dem vom Arzt vorgeschriebenen Ayurveda Rezept und nur punktuell eingesetzt werden.
In der traditionellen Heilmethode kommt das Harz der Cannabispflanze zum Einsatz, mit dem eine Art Haschisch namens „Charas“ hergestellt wird. Aber auch die Blüten, Blätter und Stängel der Pflanze werden verarbeitet. Daraus wird verdauungsanregende, schmerzlindernde, krampflösende, beruhigende und sogar aphrodisierende Medizin hergestellt. Ayurveda Rezepte beinhalten verschiedene Wirkstoffe. Und so mischen die Rezepturen auch Cannabis mit anderen pflanzlichen Wirkstoffen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.
Anwendungsfelder von Cannabis in der ayurvedischen Medizin
Cannabis findet sich in über 80 traditionellen ayurvedischen Rezepturen, von denen einige heute in Apotheken in Indien erhältlich sind.
Unter anderem wird der Wirkstoff eingesetzt gegen:
- Schmerzen
- Verdauungsstörungen
- Übelkeit
- Sexuelle Erschöpfung
- Angstzustände
- Depressionen
- Grüner Star
Der zeitgemäße Gebrauch von Cannabis als Medizin hat die Liste der möglichen Anwendungsgebiete erweitert auf:
- Unterstützung während der Chemotherapie
- Schlafstörungen
- Posttraumatische Belastungsstörung
Cannabis in Indien
Indien hat eine lange Geschichte in der Kultivierung und Verwendung von Cannabis. Als die Briten das Land kolonisierten, fanden sie eine verbreitete Nutzung der Pflanze. Die Inder verwendeten Cannabis zur Entspannung wie für religiöse Zeremonien. Darüber waren die Briten besorgt und verfassten 1894 die erste dokumentierte Studie über den Cannabiskonsum in Indien – den Bericht der Indian Hanf Drugs Commission. Ein wichtiges Ergebnis des Berichtes ist auch heute noch aktuell: Dass ein Verbot des weit verbreiteten Cannabisgetränks „Bhang“ nicht zu rechtfertigen sei. Bhang wurde in dem Bericht als „harmlos“ eingestuft, wenn in Maßen konsumiert.
Cannabis in Indien – Bhang
Bhang zu essen oder zu trinken ist heute in Indien die beliebteste und auch die einzig legale Methode, Cannabis zu sich zu nehmen. Ansonsten ist es in Indien verboten, Cannabis zu produzieren, zu besitzen oder zu konsumieren. Daher spielt Bhang auch in der ayurvedischen Medizin in Indien eine wichtige Rolle.
Es gibt zwei Arten, wie Bhang zubereitet werden kann:
- Bhang lassi: Mit Milch und Gewürzen gekocht wird es zu einer Art Cannabis Milchshake. Das Getränk enthält Nüsse (wie Pistazien oder Mandeln), Ingwer, Pfeffer und Honig oder Zucker. Gefüllte Cannabisblüten und -blätter werden zu der Mischung gegeben und mit heißer Milch vermischt. Der Lassi wird bei Raumtemperatur oder gekühlt serviert.
- Bhang goli: Dies sind feste essbare Kugeln, die aus Joghurt, Gewürzen und Nüssen sowie Pflanzenteilen der Hanfpflanze hergestellt werden.
Moderne ayurvedische Medizin
Heute wird ayurvedische Medizin in Indien häufig als fertiges Präparat angeboten. In der ayurvedischen Pharmaindustrie arbeiten viele Hundert Arzneimittelfirmen mit den modernsten Technologien, um die Präparate nach traditionell bewährten Ayurveda Rezepten herzustellen. Und die führenden indischen Ayurveda-Hersteller wollen in Zukunft mehr in Cannabis-Forschung investieren.
Cannabis in Sri Lanka
In Sri Lanka darf Cannabis legal als ayurvedischer Wirkstoff verwendet werden. Obwohl Cannabis eine wichtige Rolle in der traditionellen ayurvedischen Medizin spielt, war der Anbau von Cannabis bisher in Sri Lanka verboten. Somit war der Markt für Pflanzenmedizin bisher auf Zuwendungen der Gerichte angewiesen: Illegal angebaute oder geschmuggelte Drogen, die die Polizei beschlagnahmt hat, wurden nach einer langen Prozedur für die ayurvedische Medizin freigegeben. Dieses Cannabis war dann aber bereits alt und wenig brauchbar.
Diese Situation soll sich aber zukünftig ändern, denn Sri Lanka legalisiert den Anbau und den Export von Cannabis für den Einsatz als Medizin. Leafly.de berichtete. Auch die traditionelle ayurvedische Medizin soll von dem legalen Anbau profitieren. So wird es den Ärzten in Zukunft hoffentlich möglich sein, hochwertiges Cannabis für Ayurveda Rezepte zu erhalten.
Ayurveda in Deutschland
In Deutschland und ganz Europa erlebt die Ayurveda-Medizin zurzeit im Kontext von Naturheilkunde und Komplementärmedizin einen bemerkenswerten Boom. Medizin-Konzepte, die einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen und sich auf die Gesunderhaltung des Menschen fokussieren, statt nur auf die Heilung von Krankheiten, sind gefragt. Gerade auch in Verbindung mit anderen TIM-Systemen, wie Yoga und Meditation.
Die Nachfrage nach Ayurveda in Deutschland steigt insbesondere bei Patienten mit chronischen, lebensstil- oder stressassoziierten Erkrankungen. Diese Betroffenen nehmen generell häufig Naturheilverfahren in Anspruch. Für viele Menschen ist TIM attraktiv, da sie auf präventiven Prinzipien aufbaut.
In Deutschland spielt Cannabis in der ayurvedischen Medizin keine Rolle. Dies wäre aber theoretisch möglich. Nach dem Cannabisgesetz vom März 2017 können alle Humanmediziner schwerkranken Patienten unter bestimmten Voraussetzungen Cannabis als Medizin verschreiben.
Weitere Informationen zu Ayurveda in Deutschland
Wer einen Arzt oder Therapeuten sucht, der Ayurveda in Deutschland anbietet, kann die Suchfunktion auf der Webseite des Deutschen Berufsverbands für Ayurveda nutzen. Hier finden Interessierte auch weitere Informationen zum Thema Ayurveda.
Quellen: