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Ist Bayerns Polizei die härteste Exekutive Deutschlands bei Cannabis?

Der Kommissar Auto lernen Autor:
Der Kommissar

In den letzten Wochen und Monaten rückte die Polizei Bayerns immer wieder in den Fokus der Medien. Vor allem bei ihren Einsätzen in Bezug auf Hanf-Läden mehrten sich kritische Stimmen. Bei diesen Einsätzen wurden sowohl Ladenräume wie auch Privatwohnungen der Geschäftsbetreiber*innen durchsucht. Die Betroffenen beschwerten sich häufig, dass das Aufgebot und das Verhalten der Polizei bei den Razzien unverhältnismäßig harsch sei. Doch stimmt das wirklich?

Ist Bayerns Polizei die härteste Exekutive Deutschlands bei Cannabis?

Die Gesetzeslage in Bayern

Aufgrund der deutschen Historie ist die innere Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland Ländersache. Das bedeutet, dass in Deutschland für jedes Bundesland unterschiedliche Polizeigesetze gelten. So auch für Bayerns Polizei. Doch heißt das auch, dass Bayerns Gesetze in Bezug auf Cannabis besonders streng oder gar deutlich strenger als die der anderen Bundesländer sind?

Die kurze Antwort lautet: eigentlich nicht. Generell gilt derzeit noch in Deutschland, dass der Besitz von Cannabis für den Privatgebrauch strafbar ist. Bei geringen Mengen gibt es nach §31a BtmG allerdings die Möglichkeit, im Ermessensfall auf eine Strafe zu verzichten. In Bayern liegt die Höchstgrenze dieser Menge für die Möglichkeit der Straffreiheit bei 6 Gramm. Genauso wie in 12 anderen Bundesländern. Nur in Thüringen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Berlin sind die Höchstgrenzen noch etwas höher. Wichtig hierbei ist jedoch, dass trotz der Kulanzgrenze die Entscheidung zur Einstellung von Strafverfahren den jeweiligen Staatsanwaltschaften bzw. letztlich immer den deutschen Gerichten überlassen bleibt.

Das bedeutet im Ernstfall, dass man mit einer Strafanzeige rechnen muss, diese aber im Zweifel aufgrund der Geringwertigkeit eingestellt wird und der Besitz dadurch straffrei bleibt.

Ein Blick in die Kriminalstatistik

Wie oft es bei Cannabisdelikten zur Anzeige kommt, ist in Deutschland sehr verschieden. Bezieht man sich auf die Polizeiliche Kriminalstatistik aus dem Jahr 2018, so fällt auf, dass im Vergleich zu allen anderen Bundesländern der Freistaat Bayern im Anzeigeverhalten gerade einmal auf Platz 11 aller Bundesländer landete.

Geht es jedoch um die Verurteilungsquote von cannabisbezogenen Delikten, kommen wir dem Ruf des „Hardliners“ schon etwas näher. Nach Bremen und Hamburg wurden in Bayern deutschlandweit am meisten Menschen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt.

Auch bei Einstellungen von Verfahren ist Bayerns Justiz deutlich härter als andere Bundesländer. Gerade einmal 11% aller Cannabis-Verfahren wurden durch bayerische Staatsanwälte eingestellt. In Bundesländern wie Schleswig-Holstein und Berlin hingegen wird durchschnittlich jedes zweite cannabis-bezogene Verfahren in der Regel eingestellt.

Trotz der scheinbaren Härte bei der Verfolgung von Straftaten nahm die Rauschgiftkriminalität in Bayern zwischen 2017 und 2018 um 8% zu.

Kriminalstatistik Bayern

Polizeiliche Kriminalstatistik Bayern 2018

Die „Razzien“ in Bayerns Hanfläden

Wie wir erst vor einigen Wochen berichteten, kam es im letzten Jahr auffallend oft zu Durchsuchungen in Geschäften, welche Produkte wie Kosmetika, Tees und Öle mit Hanf als Bestandteil verkaufen. Häufig fällt dann das Wort „Razzia“.

Diesen Begriff gibt es in der Rechtssprache jedoch nicht und wird seitens der Polizei auch explizit nicht verwendet. Das Wort Razzia ist dem Französischen entlehnt, bedeutet so viel wie „Streifzug/Beutekriegszug“. Es war ursprünglich eine Bezeichnung für die Raubzüge der nordafrikanischen Korsaren in Südeuropa. Nicht selten erbeuteten Seeräuber bei diesen Überfällen neben wertvollen Gütern vor allem Sklaven. Diese wurden dann auf den Sklavenmärkten der Barbareskenstaaten verkauft.

Aus diesem Grund besteht die Polizei darauf, dass es sich bei den Polizeieinsätzen eben nicht um Razzien, also irgendwelche barbarischen Beutezüge, sondern um gezielte Maßnahmen wie Durchsuchungen handelt, die der Aufklärung von Straftaten dienen.

Was jedoch bisweilen stimmen mag, ist der martialische Eindruck, der bei solch einer Durchsuchungsmaßnahme durch die Einsatzkräfte entstehen kann. Oft sind die Beamten vor Ort eher wortkarg und wenig zimperlich. Das Ziel ist es, herauszufinden, ob es Beweismittel gibt, die eine etwaige Straftat belegen, und diese zu beschlagnahmen. Am Ende der Durchsuchung kann so manches Mal ein ziemliches Chaos zurückbleiben, das die Betroffenen dann auf sich allein gestellt wieder in Ordnung bringen müssen.

Warum finden nun aber so viele und vor allem groß angelegte Durchsuchungen in Hanfläden eigentlich statt?

Die Münchener Staatsanwaltschaft begründete dies mit dem THC-Gehalt der dort verkauften Produkte, der ihrer Auffassung nach zu hoch und jeglicher Verkauf an Endverbraucher demnach strafbar sei.

Der einschlägige Passus in der Anlage zum Betäubungsmittelgesetz, auf welchen sich die Staatsanwaltschaft München bezieht, besagt Folgendes:

„Marihuana, Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen sind vom Gesetz ausgenommen, „wenn sie aus dem Anbau in Ländern der Europäischen Union mit zertifiziertem Saatgut (…) stammen (…) oder ihr Gehalt an Tetrahydrocannabinol 0,2 Prozent nicht übersteigt und der Verkehr mit ihnen (ausgenommen der Anbau) ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen.“

Die Münchner Staatsanwaltschaft bezieht die am Ende formulierte „und“-Bedingung auf die beiden zuvor genannten Ausnahmetatbestände.

Zu viel Gras im Tee

Viele der betroffenen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer stellten die dem zum Trotz die Frage, was der Grund für die ganze Hysterie sei. Schließlich liegen in der Regel mehrfach geprüfte Laboruntersuchungen der einzelnen Produkte vor, die belegen, dass die Grenzwerte von 0,2% THC-Gehalt eingehalten werden.

Hinzu kommt, dass viele der Hanfprodukte in größeren Drogerien zeitgleich zu den stattgefundenen Durchsuchungsaktionen erworben werden konnten, die großen Drogerien jedoch nicht im Fokus der Ermittlungen standen. Dies erweckte bei den Betroffenen den Eindruck, die Ermittlungsbehörden würden mit zweierlei Maß messen.

Was meint der Kommissar zur Kritik an den Durchsuchungen der Kollegen?

Meiner Meinung nach ist die Kritik durchaus berechtigt. Schließlich handelt es sich bei den ausufernden Beschlagnahmen um Warenbestände im Wert von zigtausenden Euro. Hierdurch werden gerade kleinere und jüngere Betriebe vor existenzielle Probleme gestellt und das oft unverschuldet.

Den Grund hierfür sehe ich unter anderem in der Unfähigkeit der eingesetzten Polizeikräfte, vor Ort ad hoc entscheiden zu können, welche Waren möglicherweise mehr THC beinhalten als erlaubt. Um auf Nummer sicher zu gehen, wird also kategorisch alles beschlagnahmt, was gesetzeswidrig sein könnte.

So berichtete  Wenzel Cerveny, einer der Betroffenen der Durchsuchungen des letzten Jahres in München:

„In einem Laden haben sie Hanf-Kosmetik mitgenommen und die Kekse da gelassen. Im anderen Laden haben sie die Kosmetik belassen und die Kekse mitgenommen. Es hat Polizeibeamte und Staatsanwälte nicht interessiert, dass wir für alle Produkte Analysen vorweisen konnten.“

Meine eigenen Erfahrungen

Das, was Herr Cerveny berichtet, deckt sich mit meinen Erfahrungen aus dem Berufsalltag. Ein möglicher Grund für dieses unkoordiniert erscheinende Verhalten könnte darin liegen, dass die Durchsuchungsmaßnahmen tatsächlich nicht gut koordiniert waren.

Dafür muss man allerdings wissen, dass bei solchen Einsätzen teilweise mehrere Dutzend Kräfte an unterschiedlichen Standorten involviert sein können. Und während an Standort A die Einsatzleiterin festlegt, dass alle cannabishaltigen Produkte mitgenommen werden, legt an Standort B eben dort der Einsatzleiter fest, dass nur Produkte mit unklarer Kennzeichnung beschlagnahmt werden.

Auch dass die Produktanalysen für die Ermittlungsbehörden nicht interessant waren, kann mehrere Gründe haben. Ich persönlich wäre auch skeptisch, ob diese vorgelegten Analysen echt sind. Im Zweifel würde ich die Produkte trotzdem beschlagnahmen, um sie polizei-internen Analyseverfahren zu unterziehen.

Wichtig bei all dem ist jedoch die Kommunikation mit den Betroffenen und erläutern, weshalb welche Maßnahme durchgeführt wird. Nichts ist schlimmer, als ahnungslos dazustehen und nicht zu wissen, weshalb gerade mein Laden zerkleinert wird, obwohl es sich bei meinen Produkten doch nur um Hanftee handelt und nicht um die Außenstelle von Pablo Escobars Drogenlabor.

Leider geschieht diese Kommunikation und Aufklärungsarbeit viel zu selten und viel zu herzlos, ja geradezu lapidar. Ich persönlich habe allerdings noch keine Erfahrungen mit der bayerischen Polizei gemacht  und möchte mir daher kein absolutes Urteil erlauben.

Ist Bayern nun die härteste Exekutive?

Es ist recht und billig, auf die eingangs gestellte Frage auch eine Antwort zu erhalten. Ich denke in Bezug auf Cannabis: ja, durchaus. Die Staatsanwaltschaft in München hat mit ihren groß angelegten Durchsuchungen der jüngeren Zeit klar gemacht, dass ihnen die Hanfläden ein Dorn im Auge sind und gehen bewusst mit aller Härte gegen diese vor.

Obwohl die Polizeigesetze an sich in Bayern in Bezug auf Cannabis kaum strenger als in anderen Bundesländern sind, ist es offensichtlich, dass die Ermittlungsbehörden deutlich mehr Anstrengungen unternehmen, um Geschäftsführerinnen und –führern das Leben schwer zu machen.

Möglicherweise liegt das darin begründet, dass es sich bei Bayern um ein äußerst konservativ regiertes Bundesland handelt und man Cannabis per se als Bedrohung für die innere Sicherheit betrachtet.

Umso interessanter wäre es, die Entwicklungen zu beobachten, sollte es in absehbarer Zukunft zu einer landesweiten Legalisierung von Cannabis kommen. Bis es soweit ist, wünsche ich euch alles Gute und stets ein wachsames Auge bei der Wahl eurer Teeblüten!

Euer Kommissar.

Quellen:

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