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Begleiterhebung: Erste Ergebnisse vorgestellt

Autor:
Sandrina Koemm-Benson

Beim Deutschen Anästhesiecongress in Leipzig wurden am 9. Mai durch das BfArM die ersten Ergebnisse aus der Begleiterhebung zur Cannabis-Therapie vorgestellt.

Begleiterhebung: Erste Ergebnisse vorgestellt

Auf diese Daten haben alle, die eine Cannabis-Therapie bekommen oder als Arzt verordnen, lange gewartet. Nun gibt es endlich die ersten Ergebnisse der Begleiterhebung. Vorgestellt wurden diese von Dr. Peter Cremer-Schaeffer während eines großen Medizinkongresses in Leipzig.

Was genau ist die Begleiterhebung?

Mit der Gesetzesänderung vom 10. März 2017 wurde es für Mediziner nicht nur möglich, cannabinoidhaltige Arzneimittel unter bestimmten Voraussetzungen zu verordnen. Sie mussten sich gleichzeitig dazu verpflichten, an einer anonymisierten Begleiterhebung des BfArM teilzunehmen. Die Daten hierzu mussten sie erstmals ein Jahr nach Therapiebeginn an das BfArM übermitteln. Mehr dazu in diesem Artikel.

Erste Erkenntnisse der Begleiterhebung

Mit Stand vom 26. März 2019 wurden insgesamt 4774 Datensätze an das BfArM übermittelt, die für die Auswertung herangezogen wurden. Mit fast 70% liegt Schmerz an der Spitze der Diagnosen für die eine Verordnung begründet wurde. Dahinter folgen weit abgeschlagen: Spastiken (11%), Anorexie (8%) sowie mit nur 4% Übelkeit und Erbrechen. Depressionen machen 3% der Verordnungen aus. ADHS etwa 2%. Appetitmangel, entzündliche Darmkrankheiten, Epilepsie oder Tic-Störungen liegen bei 1%. Restless Legs Syndrom, Schlafstörungen und Unruhe wurden mit unter einem Prozent gemeldet.

3138 Schmerzpatienten und die Cannabis-Therapie

Dass Schmerz die Nummer Eins Indikation ist, bestätigt auch unsere Leafly.de Patientenumfrage zu zwei Jahre Cannabisgesetz. Da Schmerz die Auflistung derart dominiert, hat Dr. Cremer-Schaeffer sich bei der weiteren Auswertung der Daten auf diese bestimmte Patientengruppe konzentriert. Hier ist auch zu erwähnen, dass viele Patienten oft eine Krankengeschichte von 12 oder mehr Jahren hinter sich haben. Im Schnitt ergibt sich eine Leidensdauer von acht Jahren, bevor eine Cannabis-Therapie zum Einsatz kam.

Der Anteil der Schmerzpatienten lag innerhalb der Begleiterhebung bei 3138 Personen. Männer wie Frauen waren durch alle Altersgruppen hindurch gleich häufig vertreten. Die Speerspitze der Schmerzpatienten bildetet mit fast 30% die Altersgruppe zwischen 50 bis 59 Jahre. Auch hier wieder eine Korrespondenz mit unserer Patientenbefragung von Leafly.de. 15% und weniger sind 40-49 Jahre oder 60 bis 90 Jahre alt.

Welche Ärzte verordnen am meisten an Schmerzpatienten?

Anders als viele offizielle Zahlen sagen, haben wir es nun schwarz auf weiß: Anästhesiologen führen die Liste mit über 50% an. Kein Wunder, wenn man sich die Zahl der Schmerzpatienten ansieht. Ging man bisher davon aus, dass Hausärzte oder Neurologen hier vorne liegen, ist dies nun widerlegt. Allerdings mit einem Haken, denn: Es ist unklar, ob die Anästhesiologen einfach mehr Zeit haben, die Begleiterhebung auszufüllen und regelmäßig einzureichen, oder ob die anderen Kollegen dies eben nicht tun. Daher sind diese Zahlen nur als vorläufig zu betrachten. Dennoch ist diese Entwicklung überraschend.

Allgemeinmediziner liegen bei gut 19%, Neurologen folgen mit etwas mehr als 11%. Internisten schaffen knapp die 10% Hürde. Andere Ärztegruppen spielen innerhalb der Gruppe der Schmerzpatienten kaum eine Rolle.

Wahl des Cannabisarzneimittels

2017 Patienten erhalten Dronabinol, zum Beispiel als Rezeptur oder Marinol. Damit ist das THC-Reinextrakt mit Abstand das am häufigsten verordnete cannabinoidhaltige Arzneimittel. Immerhin 656 Patienten, das sind gute 20%, erhalten Cannabisblüten. 393 bekommen das Mundspray Sativex. Cannabisextrakte fallen hier noch kaum ins Gewicht, da sie erst nach dem 10. März 2017 auf den Markt kamen. Zumindest 57 Schmerzpatienten erhalten dieses neue Medikament.

Nebenwirkungen der Cannabisarzneimittel

Wenn es nach dem Chef des BfArM geht, will man schnellstmöglich weg von Cannabisblüten als Therapieform, da diese schlimmste Nebenwirkungen wie Psychosen auslösen würden. Mehr dazu hier. Doch die Nebenwirkungen von Cannabisarzneimitteln sind bestens bekannt und kein Geheimnis und beziehen sich keinesfalls nur auf Blüten.

Die Ergebnisse der Begleiterhebung verdeutlichen die am häufigsten genannten Nebenwirkungen bei Schmerzpatienten:

  • Müdigkeit: 16,3%
  • Schwindel: 12,5%
  • Übelkeit: 7,4%
  • Schläfrigkeit: 7%
  • Aufmerksamkeitsstörungen: 6,4%
  • Mundtrockenheit: 5,9%
  • Appetitsteigerung: 5,1%
  • Gedächtnisstörungen: 4,3%
  • Gleichgewichtsstörungen: 4,2%

An dieser Stelle rief Dr. Cremer-Schaeffer dazu auf, besonders ältere Patienten über die möglichen Nebenwirkungen der Cannabis-Therapie zu informieren. Die Nebenwirkungen können sich besonders bei älteren Patienten verstärkt bemerkbar machen und viele tendieren dazu, die Therapie deshalb abzubrechen.

Begleiterhebung: Cannabis-Therapie Abbruch

Insgesamt 1179 Schmerzpatienten brachen im Laufe der letzten zwei Jahre die Cannabis-Therapie ab. Hier eingerechnet sind ebenfalls die verstorbenen Patienten. Zählt man diese aus, bleibt dennoch eine Abbruchquote von etwa 30% bestehen.

Die Gründe hierfür sind unterschiedlich:

  • 44,8% gaben an, dass die Wirkung der Cannabisarzneimittel nicht ausreichend war
  • 31,2% brachen wegen einer oder mehrerer der oben genannten Nebenwirkungen ab
  • 11,1% gaben andere Gründe an
  • 10,7% der Patienten verstarben
  • 1,9% sahen keine weitere Notwendigkeit der Therapie
  • 0,3% nannten Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten als Grund

Probleme bei der Datenerhebung

Zunächst ist zu sagen, dass diese Auswertung nur einen kleinen Einblick in die tatsächlichen Daten geben kann. Die Angaben der Ärzte erfolgen anonym. Unvollständige Datensätze verfälschen das Bild und nicht alle Ärzte kommen ihrer Nachweispflicht immer zeitnah nach. Daher plant das BfArM im Juli 2019 eine Veröffentlichung, in der weitere Daten ausgewertet und bekannt gegeben werden.

Fazit

Die ersten Erkenntnisse der Begleiterhebung verdeutlichen das, was sich bereits abgezeichnet hat. Fertig- oder Rezepturarzneimittel werden weitaus häufiger verordnet als Blüten. Man darf davon ausgehen, dass 70% der Schmerzpatienten mit ihrer Therapieform zufrieden sind, da sie diese bereits seit mehr als einem Jahr als positiv erleben. Wir sind gespannt darauf, welche weiteren Daten das BfArM in der nächsten Zeit preisgeben wird, und welche Erkenntnisse sich daraus ableiten lassen.

 

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