In einer Kleinen Anfrage hat die FDP Anfang April die Bundesregierung nach der Versorgungslage sowie der Marktsituation von Medizinalcannabis gefragt (Leafly.de berichtete). Einem Medienbericht zufolge hat jetzt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) Stellung genommen. So habe das BMG erklärt, dass der zukünftige Bedarf an Medizinalcannabis nicht vorhersehbar sei. Dennoch sei man überzeugt, diesen decken zu können. Außerdem müsse aus Sicht des Ministeriums nichts an dem Identitätsprüfungsverfahren für Cannabisblüten durch Apotheker geändert werden.
Dr. Wieland Schinnenburg von der FDP, der Hauptfragesteller der Kleinen Anfrage, bezeichne die Strategie der Regierung laut dem Bericht als „blauäugig“. Zudem fordert er eine Ausweitung des deutschen Cannabisanbaus.
BMG sieht keinen Handlungsbedarf bei Identitätsprüfungen durch Apotheker
Die Identitätsprüfungen für die Cannabisblüten können durch Schnelltests vom Cannabisproduzenten vereinfacht werden. Zumindest schlug die FDP dies in ihrer Kleinen Anfrage vor. Doch das BMG sieht keinen Handlungsbedarf.
„Die Regelungen zur Prüfung von Ausgangsstoffen und Arzneimitteln in Apotheken haben sich grundsätzlich bewährt“, so die die parlamentarische Staatssekretärin Sabine Weiss (CDU) laut dem Bericht.
Darüber hinaus heißt es, dass der Prüfaufwand auch eine wirtschaftliche Bedeutung für die Apotheker habe. Doch sowohl der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn als auch die gesetzlichen Krankenkassen wollen den Rezepturzuschlag senken und die Cannabisblüten aus der Arzneimittelverordnung nehmen. Hierüber wird schon seit langem diskutiert und eine Einigung scheint schier unmöglich.
Immer öfter werden Cannabisblüten verordnet
Aus dem Sonderbericht des GKV-Spitzenverbandes geht hervor, dass die Verordnungszahlen für Cannabisblüten steigen. Zwischen Januar bis Dezember 2018 gab es 71 268 Verordnungen von unverarbeiteten Cannabisblüten. Cannabishaltige Zubereitungen wurden 63 815-mal verordnet.
In der Kleinen Anfrage erkundigte sich die FDP auch nach der zukünftigen Marktentwicklung. Mit welchem Bedarf rechnet die Regierung bis zum Jahr 2023, und wie soll dieser gedeckt werden? Hierauf antwortete das BMG:
„Der Bedarf an Medizinalcannabis ist von vielen ineinandergreifenden Faktoren abhängig und lässt sich prospektiv nicht belastbar einschätzen“, so Staatssekretärin Weiss.
Auch nach der (voraussichtlichen) Ernte von Medizinalcannabis in Deutschland, sei es möglich, Cannabis weiter zu importieren. Insofern wäre der Bedarf gedeckt.
„Es ist grundsätzlich nicht die Aufgabe der Bundesregierung, den Bedarf an Arzneimitteln auf Cannabisbasis durch Beschaffungsmaßnahmen des Bundes zu decken“, erklärte Weiss weiter.
Wie wirkt sich die Cannabis-Legalisierung in Kanada auf Deutschland aus?
Aktuell wird das Medizinalcannabis aus den Niederlanden und Kanada importiert. Seit Oktober letzten Jahres ist Cannabis für Freizeitzwecke in Kanada legal (Leafly.de berichtete). Doch wie wirkt sich dies auf Deutschland aus? Das International Narcotics Control Board (INCB) kritisierte bereits im Jahresbericht 2018, dass die Medizinalcannabis-Programme in Kanada unzureichend reguliert seien.
Nach der Volllegalisierung von Cannabis in Uruguay, kamen Importe für die deutsche Bundesregierung nicht infrage. In einer Stellungnahme begründete das BMG dies damit, dass Uruguay gegen das UN-Einheitsübereinkommen aus dem Jahr 1961 über Suchtstoffe verstoße, da es Cannabis für Genusszwecke legalisiert hatte.
Keine Cannabis-Importe mehr aus Kanada?
Aus den vorgenannten Gründen fragte die FDP auch nach, ob es zukünftig keine Importe mehr aus Kanada gebe. Hierauf antwortete das BMG sehr vorsichtig und erklärte, dass Deutschland grundsätzlich aus allen Ländern Cannabis importieren dürfe, wenn in diesen Ländern der Anbau von Medizinalcannabis unter einer staatlichen Kontrolle erfolge. Außerdem müssen die Länder Cannabis in Arzneimittelqualität produzieren. Auch nach der Cannabis-Legalisierung erfülle Kanada diese Voraussetzungen.
„Aus Sicht der Bundesregierung ergeben sich insoweit keine Konsequenzen für den Import von Medizinalcannabis nach Deutschland“, so Weiss.
Und was ist mit Uruguay?
Einem weiteren Bericht zufolge, soll das Ministerium auf Anfrage erklärt haben, dass es in Uruguay nach Kenntnis der Bundesregierung keinen Cannabisanbau unter staatlicher Kontrolle gebe. Allerdings wurde in Uruguay eine Cannabisagentur eingerichtet. Dies scheint jedoch nach Ansicht der Regierung nicht ausreichend zu sein. Die frühere Aussage, dass Uruguay aufgrund der Volllegalisierung gegen das UN-Einheitsabkommen verstoßen habe, wollte das Ministerium nicht kommentieren.
Medizinalcannabis und Lieferengpässe
Durch die Legalisierung von Cannabis für Freizeitzwecke in Kanada scheint es aktuell Lieferengpässe zu geben. Jedoch wisse die Bundesregierung nichts davon, so das BMG. Doch die Realität sieht anders aus. Dem Bericht zufolge beklagen Apotheken seit Monaten Lieferengpässe bei den kanadischen Cannabisblüten.
Cannabisanbau in Deutschland
Aphria, Aurora und Demecan werden voraussichtlich Medizinalcannabis in Deutschland anbauen (Leafly.de berichtete). In der Kleinen Anfrage wollte die FDP auch wissen, ob es eine Alternative zum Vergabeverfahren gebe. Doch das BMG hält hieran fest. So würden bei einem „vergabefreien Verfahren erhebliche rechtliche Zweifel bestehen“.
Darüber hinaus wollte die FDP wissen, ob die Sortenvielfalt denn ausreiche, um den therapeutischen Bedarf auch zu erfüllen. Das BMG soll hierzu angegeben haben, dass es drei Cannabissorten mit unterschiedlichen THC- und CBD-Konzentrationen geben wird laut dem Ausschreibungsverfahren. Denn für eine weitere Differenzierung fehle eine wissenschaftliche Grundlage. Eine Begründung, warum die Ausschreibung lediglich auf drei Cannabissorten beschränkt ist, nannte das BMG nicht.
Dr. Wieland Schinnenburg von der FDP sind die Aussagen des BMG nicht ausreichend und erklärte:
„Die Bundesregierung geht mit dem Thema Medizinalcannabis blauäugig um. Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist gefährdet, Deutschland ist weiterhin von Medizinalcannabis-Importen abhängig. Ich fordere die Bundesregierung auf, die FDP-Forderungen nach einer Ausweitung der Anbaumengen für Medizinalcannabis ,Made in Germany‘ zur Sicherung der Versorgung und für den Export umzusetzen.“