Fraktionen rügen gemeinsam EU-Gesundheitsvorstoß
Steuert die EU bald die Versorgung mit Arzneimitteln in Deutschland? Nicht, wenn es nach dem Bundestag geht. Er ist gegen den EU-Gesetzesvorstoß zur Bewertung von Gesundheitstechnologien, das sogenannte Health-Technology-Assessment-Verfahren (HTA). Was steckt hinter dem Vorstoß der EU-Kommission? Der Vorschlag zielt auf ein zentralisiertes Verfahren ab. Künftig sollen alle auf europäischer Ebene neu zugelassene Medikamente sowie bestimmte Medizinprodukte in einem für alle Mitgliedstaaten einheitlichen Verfahren klinisch bewertet werden.
In einem gemeinsamen Antrag sprechen CDU/CSU, SPD, FDP und die Grünen dafür der EU eine Rüge aus. Die Linke hat einen gleichlautenden Antrag eingebracht und auch die AfD unterstützt die anderen Fraktionen.
Der Bundestag kritisiert die Einmischung der EU in nationalstaatliche Belange. Der Vorschlag greife in die Zuständigkeit der deutschen Gesundheitspolitik und medizinischen Versorgung ein. Damit werde der Subsidiaritätsgrundsatz – also die Selbstbestimmung der EU-Staaten – verletzt, heißt es im Antrag der Fraktionen.
Durch eine sogenannte Subsidiaritätsrüge können die nationalen Parlamente zu laufenden Gesetzgebungsverfahren der EU Stellung beziehen. Das formelle Veto kann die Pläne gegebenenfalls aufhalten. Ob die Rüge etwas bewirkt, hängt von der Reaktion der anderen EU-Mitgliedsstaaten ab: Es müssen sich mindestens ein Drittel aller Länder gegen den Vorstoß aussprechen. Erst dann können die EU-Pläne gebremst werden.
Gesetzesvorstoß könnte auch Cannabis-Arzneimittel betreffen
Die Pläne der EU würden 95 Prozent aller neuen Medikamente betreffen. Wie das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierter Medizin unserer Redaktion mitteilte, könnte das geplante Gesetz auch für Cannabis-Arzneimittel eine Rolle spielen. Beispielsweise, wenn ein Cannabisprodukt für einen neuen Anwendungsbereich zugelassen würde.
EU sieht Vorteil für Innovation
Die geplante Neuregelung der EU sieht vor, dass künftig Experten aus den EU-Staaten in einer Koordinierungsgruppe gemeinsam bewerten, ob ein Medikament einen Zusatznutzen gegenüber einer Standardtherapie bringt oder nicht. Das Ergebnis wäre für alle Mitgliedstaaten bindend. Grund für die Pläne sei, dass der Marktzugang für innovative Medikamente durch die nationalen Verfahren behindert werde.
Die geplante Vereinheitlichung der Prozesse soll also nach Angaben der EU-Kommission künftig Innovationen schneller für die Patienten auf den Markt bringen. Darüber hinaus soll der Nutzen neuer Medikamente für Patienten transparenter werden.
Die Pharmahersteller haben bereits Stellung bezogen: Sie begrüßen das Vorhaben grundsätzlich, weil sie künftig zentrale, und nicht wie bisher in jedem Land unterschiedliche, Anforderungen für die Nutzenbewertung beachten müssten.
Kritik kommt aus dem Gesundheitsbereich
Die Krankenkassen bewerten die EU-Pläne als nicht akzeptablen Einschnitt in die medizinische Selbstverwaltung. Und auch das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierter Medizin und der Verein zur Förderung der Technologiebewertung im Gesundheitswesen kritisieren die geplante Zentralisierung. Die beiden Organisationen fürchten einen unangemessen großen Einfluss der Industrie auf die Bewertung von Arzneimitteln. Sie sehen Unabhängigkeit und Transparenz in Gefahr.
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