Drogenpolitische Organisationen empfehlen Burkhard Blienert
Nachdem die bisherige Drogenbeauftragte des Bundes, Marlene Mortler (CSU), im Mai dieses Jahres ins EU-Parlament gewählt wurde, gibt es bisher keine Nachfolge für diese Funktion. (Leafly.de berichtete). Seit Monaten liegt die Position brach. Bewertet die Regierung sie als nicht wichtig?
In einer gemeinsamen Erklärung empfehlen jetzt mehrere drogenpolitische Fachverbände die Berufung des ehemaligen SPD-Abgeordneten Burkhard Blienert in das Amt des Drogenbeauftragten. Es soll die Funktion in der aktuellen Legislaturperiode weiterführen.
In dem Bündnis sind folgende Verbände vertreten:
Die Organisationen betonen in einer gemeinsamen Presseerklärung, dass sie sich für die Gesundheitsförderung, Prävention, Bildung, den Jugendschutz und die Weiterentwicklung drogenpolitischer Maßnahmen einsetzen.
Was macht Blienert zu einem geeigneten Drogenbeauftragten?
Burkhard Blienert war SPD-Bundestagsabgeordneter in der großen Koalition von 2013 bis 2017. Er war drogenpolitischer Sprecher und unter anderem Mitglied des Gesundheitsausschusses. Für die Einführung des Cannabisgesetzes 2017, das den Einsatz von Cannabinoiden als Behandlungsoption regelt, hat sich Blienert leidenschaftlich eingesetzt.
Der Deutsche Hanfverband (DHV) sieht in Blienert die richtige Wahl. Geschäftsführer Georg Wurth erklärt gegenüber Leafly.de, dass der DHV sich wünscht, dass “jemand den Posten übernimmt, der sich intensiv mit dem Thema beschäftigt hat, wissenschaftliche Erkenntnisse einbezieht und keine Angst vor Reformen hat. Burkhard Blienert ist so eine Person und er kommt aus einer Regierungspartei.”
Leafly.de Interview mit Burkhard Blienert, SPD
Leafly.de: Herr Blienert, Sie wurden als neuer Drogenbeauftragter vorgeschlagen. Wie stehen Sie dazu?
Burkhard Blienert: Erst einmal fühle ich mich sehr geehrt, dass führende Fachverbände auf mich zugekommen sind und mich für diese Funktion vorschlagen. Nun ist es aber so, dass bei der Position der oder des Drogenbeauftragten das Vorschlagsrecht bei der Union liegt.
Vielmehr sollte es hier aber um das Thema gehen. Daher haben sich auch die Verbände dafür ausgesprochen, dass Sachverstand und Expertise die Grundlage für die Besetzung dieser Funktion sein sollte. So freue ich mich natürlich sehr, dass die Fachverbände dabei an mich gedacht haben.
Leafly.de: Wieso ist dieses Amt schon so lange unbesetzt?
Burkhard Blienert: Das kann ich Ihnen nicht sagen, da müssen Sie die Union fragen. Ich finde es aber sehr bedauerlich, dass seit dem Wechsel von Marlene Mortler ins Europaparlament diese wichtige Aufsichtsfunktion brach liegt und hier nichts passiert.
„Parlament und Wissenschaft müssen gemeinsam nach Lösungen suchen“
Leafly.de: Wie sehen Sie die Aufgabe des Drogenbeauftragten? Worauf kommt es dabei an?
Burkhard Blienert: Die Drogenpolitik betrifft verschiedene Bereiche, wie zum Beispiel den Jugendschutz oder die Innenpolitik. Ich habe es in der Vergangenheit vermisst, dass es keine breite Debatte gab, der auch Konsequenzen folgten. Wie gehen wir mit Suchtfragen um? Wie kümmern wir uns um Prävention? Bei diesen wichtigen Themen müssen das Parlament und die Wissenschaft gemeinsam nach Lösungen suchen.
Auch habe ich vermisst, dass Deutschland international sich stärker einbringt und dabei eine wichtige Rolle einnimmt. Tatsächlich hinken wir international eher hinterher. Ich denke, das große Konzept war bisher nicht sichtbar. Dieses Konzept sollte aber bis 2021 noch sichtbar werden.
Wie geht es weiter mit der Drogen- und Suchtpolitik? Bei dieser Frage geht es ja nicht um eine Person, sondern um Inhalte, und denen sollte der Drogenbeauftragte mit Ernsthaftigkeit nachgehen. Ich habe bisher vermisst, dass jemand als Drogenbeauftragter dasteht, der auch für das Thema brennt und Prozesse anstößt.
Leafly.de: Wie sieht denn Ihre Agenda aus? Was würden Sie als Erstes angehen?
Burkhard Blienert: Ich muss sagen, dass ich noch keinen konkreten Fahrplan habe. Die Anfrage wurde an mich herangetragen, als ich noch im Urlaub war, und das ist alles noch sehr frisch.
„Wir müssen davon wegkommen, das Problem bei den Konsumenten zu suchen“
Leafly.de: Und wie sieht für Sie eine moderne Drogenpolitik aus?
Burkhard Blienert: Wir müssen davon wegkommen, das Problem bei den Konsumenten zu suchen. Es gibt einen großen Handlungsbereich beim Thema Suchtproblematik. Damit meine ich Tabak und Alkohol, Glücksspiel, Medikamentenmissbrauch und die illegalen Drogen. Wenn Menschen Drogenprobleme haben, müssen diese auch gesellschaftlich betrachtet werden. Sozialpolitische Aspekte verbinden sich mit der Gesundheitspolitik. Wir sind da aber leider vor 20 Jahren stehen geblieben.
Leafly.de: Lassen Sie uns zu einem konkreten Thema kommen, über das gesellschaftlich und politisch viel diskutiert wird: die Cannabis-Legalisierung. Die Linke, die Grünen und die FDP haben dazu ihre eigenen Vorstöße in den Bundestag eingebracht. Bei der SPD war es nicht immer leicht zu erkennen, welche Politik sie bei dem Thema vertritt.
Burkhard Blienert: An der SPD-Basis haben sich in der Vergangenheit einzelne Kreis- und Landesverbände für die sinnvollen Cannabis-Modellprojekte ausgesprochen. Und auch die ehemalige Vorsitzende der SPD, Andrea Nahles, hat diese Idee unterstützt. Aber es stimmt, dass die SPD in der Vergangenheit Schwierigkeiten hatte, dazu eine klare Position zu finden. Ich hoffe, dass die Partei bei dem Thema eines regulierten Marktes von Cannabis weiterkommt.
Ich freue mich jedenfalls, dass es in der Gesundheitspolitik eine inhaltliche Kontinuität gegeben hat und die Abgeordneten der SPD, die jetzt für gesundheitspolitische Themen zuständig sind, den gleichen Kurs verfolgen, den ich in der letzten Legislaturperiode eingeschlagen hatte.
Dass auch die FDP eigene Anträge eingebracht hat, um das Thema Entkriminalisierung von Cannabis voranzutreiben, hilft natürlich. Die Union ist jetzt isoliert mit ihrer Haltung. Nach der nächsten Wahl muss sie sich bei diesem Thema positionieren. Ich verliere die Hoffnung nicht!
„In der nächsten Legislatur wird eine Gesetzesnovellierung nötig“
Leafly.de: Kommen wir zum Abschluss noch zu einem Thema, das uns natürlich besonders interessiert: Cannabis als Medizin. Marlene Mortler sah hier nach dem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes keinen weiteren Handlungsbedarf. Wie beurteilen Sie das?
Burkhard Blienert: Das Gesetz hat international Vorbildcharakter. Unser großes Pfund ist, dass die Cannabinoid-Behandlung im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen inbegriffen ist. Das ist international eine Besonderheit.
Die Rolle des MDK ist allerdings ein anderer Punkt, der zu hohen Ablehnungszahlen führt. Wir müssen hinterfragen, woran das liegt. Bei der Freiheit des Arztes bei der Therapiewahl geht es um Information und Weiterbildung. Hier müssen auch die Ärzteverbände in die Pflicht genommen werden.
Das GSAV hat einige Verbesserungen für Cannabispatienten gebracht. Meiner Meinung nach hätte aber ein Runder Tisch bereits nach Inkrafttreten des Cannabisgesetzes initiiert werden müssen, um dort alle Beteiligten zusammenzubringen und die Probleme zu besprechen, die bei der Umsetzung aufgetreten sind. Das hätte den Druck erhöht, sich mit gutem Willen zu einigen. Das gab es leider nicht. In der nächsten Legislatur wird daher eine Gesetzesnovellierung nötig sein. Dann ist das Gesetz fünf Jahre alt und dann wird die Novellierung auch kommen.
Leafly.de: Lieber Herr Blienert, herzlichen Dank für das Gespräch.
Wie stehen die Chancen für Blienert?
Georg Wurth hat zwar Burkhard Blienert empfohlen, schätzt allerdings die Wahrscheinlichkeit, dass dieser tatsächlich der nächste Drogenbeauftragte wird, nicht sehr hoch ein:
“Die Chancen sind sicher nicht riesig. Nicht nur, weil die CSU auf das Vorschlagsrecht verzichten müsste, sondern vor allem, weil die GroKo nicht reformbereit ist. Andererseits will ja offenbar niemand aus der CSU den Job haben.”