Fördern oder lindern Cannabinoide Depressionen?
Um den Cannabiskonsum ranken sich seit Jahrzehnten viele Mythen und Halbwahrheiten. Auch die medizinische Forschung der letzten Jahre hat daran wenig geändert. So gibt es noch verbreitet die Auffassung, dass Cannabis das Risiko für Depressionen (und andere psychische Krankheiten) erhöhe. Andererseits werden einigen Cannabinoiden aus der Cannabis Pflanze antidepressive Wirkungen zugeschrieben. Was ist nun richtig?
Als relativ gesichert gilt, dass Cannabis bei psychisch labilen Menschen Psychosen begünstigen kann. Auch eine Reihe anderer psychischer Störungen sind mit dem Konsum von Cannabis in Verbindung gebracht worden. Bisher sind sich die Wissenschaftler aber uneins darüber, ob die psychische Erkrankung zum Cannabiskonsum “verleitet” oder ob umgekehrt der Cannabiskonsum die Störung verursacht.
Man weiß aus Untersuchungen, dass ein früher Beginn des Cannabiskonsums (≤16 Jahre) mit einem höheren Risiko einhergeht, im Laufe des Lebens eine Depression zu entwickeln. Auch hier ist unklar, was zuerst da war. Eine Anlage (Prädisposition) für eine Depression, die Menschen anfälliger für den Konsum und die Wirkungen des Cannabis macht. Oder ob durch den Cannabis Konsum in einem Alter, in dem das Gehirn noch reift, Veränderungen auftreten, die das Entstehen der Krankheit begünstigen.
Entstehung von Depressionen
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat folgende Definition aufgestellt:
“Eine Depression ist eine weit verbreitete psychische Störung, die durch Traurigkeit, Interesselosigkeit und Verlust an Genussfähigkeit, Schuldgefühle und geringes Selbstwertgefühl, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Müdigkeit und Konzentrationsschwächen gekennzeichnet sein kann. Sie kann über längere Zeit oder wiederkehrend auftreten und die Fähigkeit einer Person zu arbeiten, zu lernen oder einfach zu leben beeinträchtigen. Im schlimmsten Fall kann eine Depression zum Suizid führen. “
Damit die psychische Krankheit entsteht, wirken in der Regel mehrere Faktoren zusammen. Betroffene können seelische, körperliche oder biografische Belastungen nicht gut aushalten. Zu dieser geringeren Toleranz beitragen können eine genetische Veranlagung, neurobiologische Störungen und/oder psychosoziale Faktoren. Auslöser sind meist persönlich sehr belastende Ereignisse oder Situationen starker Überforderung. Das kann der Tod einer nahestehenden Person sein, ein Unfall, chronische Schmerzen, eine Trennung, Überforderung im Beruf oder zu Hause (z.B. durch die Pflege einer kranken Person).
Mögliche erste Symptome sind Schmerzen (z.B. unspezifische Kopf-, Bauch- oder Rückenschmerzen). Zudem können sich weitere Symptome zeigen:
- ständige Müdigkeit, Energiemangel
- nachlassendes sexuelles Interesse
- Reizbarkeit, Angst
- zunehmende Lustlosigkeit, Apathie
- missmutige Stimmungslage
- Schlafstörungen
- Appetitlosigkeit
Diese frühen Symptome werden oft übersehen oder nicht mit einer psychischen Erkrankung assoziiert.
Das Endocannabinoidsystem bei Depressionen
Das Endocannabinoidsystem ist mit seinen Rezeptoren in der gesamten spinalen und supraspinalen Region verteilt. Diese Strukturen sind für affektive und nozizeptive Signalverarbeitung von Bedeutung. Aus diesem Grund kann auch das Endocannabinoidsystem in die Regulation von Schmerz oder bei Depressionen modulierend einwirken.
Untersuchungen haben gezeigt, dass Patienten, die an inflammatorischen oder neuropathischen Schmerzzuständen leiden, fast fünfmal anfälliger für eine Depression oder Angststörung sind verglichen mit der Durchschnittsbevölkerung. Zudem zeigt sich immer wieder, dass die Mehrheit der Patienten, die gleichzeitig an Schmerzen leiden und depressiv sind, schlechter oder gar nicht auf eine Behandlung mit Medikamenten (z. B. Antidepressiva) ansprechen. Zudem leiden viele Patienten unter den Nebenwirkungen der Medikamente. Das komorbide Auftreten dieser beiden Beschwerdebilder ist daher für die Patienten sehr belastend. .
Das Endocannabinoidsystem könnte ein vielversprechender Ansatzpunkt sein. Denn klinische Studien haben ergeben, dass sowohl in chronischen Schmerzpatienten, als auch bei psychiatrischen Patienten das Endocannabinoidsignaling beeinträchtigt ist. Genetische Polymorphismen im CB1 und CB2 Rezeptor konnten mit schweren Depressionen und der bipolaren Störung assoziiert werden.
Therapie mit Cannabinoiden
Schon vor mehreren Tausend Jahren wurde das komorbide Auftreten von Schmerz und Depression mit einem Extrakt der Cannabispflanze behandelt. Doch Bedenken bezüglich Abhängigkeit, Missbrauch und regulatorische Limitierungen drängten diesen Behandlungsansatz in den Hintergrund.
Cannabinoide wie Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) oder Cannabidiol (CBD) als Antidepressiva zu bezeichnen wäre vermessen. Cannabis als Medizin kann jedoch Ängste lindern und die Stimmung positiv beeinflussen. Verschiedene Studien legen zudem nahe, dass medizinisches Cannabis chronische Schmerzzustände lindern kann. In zahlreichen Studien berichten Patienten, die Cannabinoide beispielsweise gegen Nervenschmerzen eingenommen hatten, ebenfalls von einer positiven Wirkung profitierten.
Für die Therapie von Depressionen steht heute eine Vielzahl unterschiedlicher Medikamente zur Verfügung. Bei den meisten Betroffenen erbringen diese die erhofften Wirkungen. Aber es gibt auch Patienten, bei denen scheinbar nichts helfen kann. Für diese Patienten sind weitere medizinische Therapieoptionen wünschenswert. Cannabis als Medizin kann hier eine optionale Behandlung sein.
Hier können Sie mehr zu Depressionen und Medizinalcannabis lesen.
Psychische Erkrankungen durch Cannabinoide?
Kontraindiziert sind Cannabis oder Cannabis-Medikamente, wenn eine psychische Störung (z. B. Psychose) oder Erkrankung bekannt ist. Besonders bei Verdacht auf Schizophrenie oder einem Fall in der Familiengeschichte darf medizinisches Cannabis nicht angewendet werden.
Hinweis: In diesem Artikel berichten wir über rezeptpflichtiges CBD oder auch Cannabidiol. Dieser Artikel macht zur möglichen Zweckbestimmung keinerlei Vorschlag. Nutzversprechen bleiben den Apothekern überlassen.
Quellen: