Das Endocannabinoidsystem ist ein komplexes System zur Signalübertragung und -steuerung im Körper. Störungen des Endocannabinoidsystems wurden mit neuropsychiatrischen Erkrankungen und Anfälligkeiten des Immunsystems in Verbindung gebracht. Die Rezeptoren des ECS sind die Cannabinoidrezeptoren 1 und 2 (CB1 und CB2). Sie sind überwiegend an unterschiedlichen Stellen im Körper präsent – CB1 vor allem im Gehirn und Nervensystem und CB2 auf Zellen des Immunsystems. Dort warten sie auf den Kontakt mit passenden Molekülen, die entweder eine Signalkaskade auslösen (Agonisten) oder eine solche blockieren (Antagonisten). Die im Körper vorhandenen Substanzen, die diese Rollen übernehmen, sind Anandamid und 2-AG. Auch von außen zugeführte Cannabinoide, wie beispielsweise aus der Cannabispflanze (sogenannte Phytocannabinoide), können mit diesem System interagieren und es beeinflussen. Ob dies auch für neue Cannabinoide gilt, die jetzt entdeckt wurden?
Cannabinoide im Fokus der Forschung
In der Cannabispflanze wurden mehr als hundert unterschiedliche Phytocannabinoide entdeckt. Am häufigsten verwendet und am besten untersucht sind das THC und das CBD. Von einer großen Zahl an Phytocannabinoiden ist bisher nicht bekannt, welche Funktion sie erfüllen und welche Wirkungen sie beim Menschen haben.
Doch Cannabinoide sind in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus der Forschung gerückt. Der Grund dafür, dass diese Substanzen für die Medizin so interessant sind, ist, dass das Endocannabinoidsystem in viele sehr zentrale Regulationsprozesse involviert ist (z.B. Schlaf, Schmerz, Stimmung, Appetit und andere). Ob das ECS das System ist, das anderen Regulationsmechanismen über- oder untergeordnet ist, weiß man noch nicht im Detail, doch die Beteiligung an vielen zentralen Prozessen lässt vermuten, dass die exakte Steuerung des ECS von großer Bedeutung für den Menschen ist. Aus diesem Grund ist man auf der Suche nach weiteren Substanzen, die an Cannabinoidrezeptoren binden und günstige Effekte bei Krankheiten haben.
Cannabinoide und die chinesische Medizin
Die chinesische Medizin verwendet manche Pflanzen oder Extrakte seit tausenden von Jahren in der traditionellen Medizin. Darunter sind auch fünf Pflanzen aus den Familien der Korbblütler, Schwalbenwurzgewächse, Rötegewächse, Rosengewächse und Kreuzblütler und fünf Pilzarten aus der Familie der Reishi Heilpilze, die chinesische Wissenschaftler nun genauer unter die Lupe genommen haben.
In der chinesischen Medizin werden die Pflanzen und Pilze für folgende Symptome verwendet:
Name der Pflanze | Pflanzenfamilie | Anwendungsbereich |
Carthamus tinctorius L. | Korbblütler | Förderung der Blutzirkulation und Menstruation, Menstruationskrämpfe, Schmerzen, Behandlung tauber Gliedmaßen |
Cynanchum otophyllum | Schwalbenwurz- gewächs | Epilepsie, Rheumaschmerzen, Muskelverletzungen |
Coffea arabica | Rötegewächse | Antioxidativ, Behandlung der Leber, stimulierende Effekte auf das Zentrale Nervensystem |
Prinsepia utilis | Rosengewächse | Antientzündliche Wirkung |
Lepidium meyenii | Kreuzblütler | Anheben des Energielevels, Verbesserung eines hormonellen Ungleichgewichts |
Name des Pilzes | Pilzgattung | Anwendungsbereiche |
Ganoderma hainanense | Ganoderma/ Reishi | Behandlung chronischer Erkrankungen, Verbesserung der Langlebigkeit, Erhaltung der Vitalität, neuroprotektive Effekte |
Ganoderma capense | Ganoderma/ Reishi | |
Ganoderma cochlear | Ganoderma/ Reishi | |
Ganoderma resinaceum | Ganoderma/ Reishi | |
Ganoderma applanatum | Ganoderma/ Reishi |
Welche Inhaltsstoffe für die jeweilige Wirkung verantwortlich ist, was bisher nicht eindeutig geklärt. Die chinesischen Wissenschaftler untersuchten daher die Pflanzen und Pilze daraufhin, ob sie neue Substanzen enthalten, die mit CB-Rezeptoren interagieren können. Sie identifizierten in drei der 10 Kandidaten insgesamt sieben Substanzen, auf die diese Eigenschaft zutraf.
Vier davon fanden sie in den Reishi-Pilzen. Von diesen vier agierten drei als Antagonisten. Das bedeutet, dass diese Substanzen an den Rezeptor binden können, aber das Ablaufen einer sich anschließenden Reaktionskaskade blockieren. Substanzen, die die Reaktionskaskade durch ihre Bindung an den Rezeptor auslösen, nennt man Agonisten. Agonisten und Antagonisten konkurrieren um die Bindungsstelle am Rezeptor. Die vierte gefundene Substanz in den Reishi-Pilzen ist ein spezieller Agonist.
Von den Pflanzen fand sich nur in einer, Lepidium meyenii, drei unbekannte Cannabinoide, die an Cannabinoidrezeptoren binden können.
Neue Phytocannabinoide identifiziert
Damit haben die Wissenschaftler sieben neue Cannabinoide gefunden. Diese heißen etwas unspektakulär Kfb77, Kfb68, Kga1, Kfb28, Kmk38-1, Kmk38-2 und Kmk38-3. Welche Funktionen diese neuen Mitglieder der Cannabinoidfamilie haben, ist noch nicht sicher. Ob möglicherweise auch andere Wirkstoffe an den Effekten beteiligt sind, wurde nicht getestet.
Dennoch vermuten die Autoren direkte Zusammenhänge, denn die Reishi-Pilze werden traditionell für eine Stimulierung des Immunsystems und zur Verbesserung des Lebensenergie eingesetzt, was gut zu den bekannten Funktionen des ECS passen könnte.
Neue Mitglieder der Cannabinoidfamilie
Weitere Untersuchungen sind notwendig, um zu klären, wie die neu entdeckten Cannabinoide wirken. Spannend an der Untersuchung ist, dass möglicherweise noch in zahlreichen weiteren Pflanzen, Pilzen, Algen und anderen Lebewesen Cannabinoide gefunden und für medizinische Zwecke genutzt werden könnten.
Weiterführende Artikel zum Thema auf Leafly.de:
Lebermoos als Alternative zu THC?
Phytocannabinoide und ihr therapeutisches Potenzial
Quellen: