Wie wirken Medizinische Cannabisprodukte mit Dronabinol (THC)?
Die Wirkstoffe in medizinischem Cannabis werden als Cannabinoide bezeichnet. Dazu zählen Tetrahydrocannabinol bzw. Dronabinol (THC), Cannabidiol (CBD), Cannabigerol (CBG) und viele weitere, die ihre Wirkung über die Aktivierung bzw. Hemmung der im Endocannabinoid-System befindlichen Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 entfalten.
Verfügbare medizinische Cannabisprodukte mit CBD, THC und anderen Cannabinoiden in Deutschland
Cannabinoidhaltige Arzneimittel und Produkte sind bereits seit längerem für die Therapie verschiedener Symptome oder Krankheiten im Einsatz. Folgende medizinische Cannabisprodukte sind derzeit verfügbar:
- Dronabinol: Eine teilsynthetisch hergestellte THC-haltige ölige Lösung. Sie ist in verschiedenen Konzentrationen verfügbar. Auf ärztliche Anweisung hin können daraus in der Apotheke Rezepturarzneimittel für die orale Einnahme hergestellt werden können. Einige Apotheken stellen aus den Cannabis Tropfen auch Produkte wie Kapseln her.
- Sativex®: Das einzige in Deutschland zugelassene Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff THC. Es handelt sich hierbei um ein Cannabisvollextrakt, der alle Inhaltsstoffe der Hanfpflanze enthält. Das Arzneimittel wird per Sprühstoß eingenommen.
- Canemes®: Mit Canemes ist seit Januar 2017 ein nabilonhaltiges Fertigarzneimittel in Kapselform verfügbar. Nabilon ist ein vollsynthetisch hergestelltes Cannabinoid, das dem THC sehr ähnliches ist.
- Cannabisblüten und Extrakte aus Cannabis: Cannabisblüten für die medizinische Anwendung stehen mit unterschiedlichem Gehalt an THC und CBD zur Verfügung. Je nach Indikation und Symptomatik kann eine passende Sorte gewählt werden. Medizinische Cannabisprodukte wie Extrakte aus Cannabisblüten gibt es von verschiedenen Herstellern.
- Cannabisvollspektrumextrakte: Diese Form wird bisher von Tilray angeboten.
Cannabis Wirkung gegen Übelkeit und Erbrechen bedingt durch Chemotherapie
In über 33 kontrollierten Studien mit mehr als 1500 Teilnehmern wurde der mögliche Nutzen von Cannabinoiden (insbesondere von THC und CBD) bei der Linderung von Nebenwirkungen untersucht, die mit einer Chemotherapie verbunden sind, v.a. Übelkeit und Erbrechen. In vielen Studien wurden positive Auswirkungen auf die Symptome festgestellt, häufig waren sie jedoch nicht signifikant. Viele Patienten berichten dennoch über einer Besserung durch Cannabis als Medikament gegen Übelkeit und Erbrechen. Zudem haben Cannabinoide in der Medizin auch auf weitere typische Beschwerden von Patienten während einer Chemotherapie günstige Effekte, wie zum Beispiel bei der Appetitregulation. Die verwendeten Wirkstoffe sind Dronabinol und Nabilon.
Appetitregulation bei Essstörungen
Störungen der Appetitregulation treten sowohl im Rahmen von Essstörungen auf als auch bei Krebs- und HIV/Aids-Patienten. Krebspatienten berichteten nach Dronabinol/THC von einer signifikant verbesserten chemosensorischen Wahrnehmung und einem besseren Geschmack der Nahrung. Der Appetit sowie die konsumierten Kalorien nahmen zu.
Bei HIV-positiven Cannabiskonsumenten, die unter Kachexie litten, führte die Einnahme von Dronabinol oder medizinischem Cannabis zu einer deutlichen Zunahme der Nahrungsaufnahme. Dadurch konnten Patienten das Körpergewicht zumindest halten.
Aus dem Freizeitkonsum von Cannabis ist eine appetitanregende Wirkung bei Erwachsenen schon lange Zeit bekannt.
Cannabis als ergänzende Schmerztherapie bei chronischen Schmerzen
30 bis 40 Studien haben sich bisher mit der Wirksamkeit von Cannabinoiden bei chronischen und neuropathischen Schmerzen befasst. Beobachtet wurden klinisch relevante Verbesserungen bei der Schmerzintensität und der Schlafqualität von Schmerzpatienten, die medizinisches Cannabis einnahmen.
Kleine kontrollierte Studien ergaben Hinweise darauf, dass Cannabinoide auch in der Schmerztherapie von chronischen Schmerzen anderer Ursachen und Krankheiten (z.B. Tumorschmerzen, Rheuma-Schmerzen, Fibromyalgie) wirksam sein könnten.
Schlecht wirksam bis unwirksam zeigten sich Cannabinoide hingegen bei akuten Schmerzen.
Cannabis gegen Spastiken bei Multipler Sklerose oder Paraplegie
Die Wirkung von medizinischem Cannabis bzw. Cannabinoiden bei Menschen mit Spastiken aufgrund von Multipler Sklerose (MS) gilt inzwischen als belegt. Im Vergleich zu Placebo verbesserte ein Cannabisextrakt Spastik, Spasmenhäufigkeit und Schlafqualität signifikant.
Auch bei schmerzhaften Lähmungserscheinungen und Spastiken kann Cannabis wirksam sein.
Im Rahmen der MS-Therapie gibt es neben dem Einsatz von medizinischem Cannabis bei Spastiken auch Untersuchungen zum Tremor und der Blasendysfunktion bei MS.
Cannabis Therapie zur Reduktion von Tics beim Tourette-Syndrom
Das Tourette-Syndrom äußert sich durch physische und sprachliche Ticks. Darunter sich beispielsweise wiederholte ruckhafte Bewegungen oder sprachliche unkontrollierbare (häufig sozial unangemessene) Äußerungen.
Studien an der Medizinischen Hochschule Hannover haben gezeigt, dass Betroffene nach dem Konsum von Cannabis als Medikament von einer Reduktion der Tics berichteten. Auch auf andere Krankheitssymptome wurden positive Wirkungen von Cannabis festgestellt. So verringerten sich phobische Ängste und Zwangssymptome. Cannabis-Medikamente scheinen in der Therapie des Tourette-Syndroms einen therapeutischen Nutzen zu besitzen.
Bei Dyskinesien aufgrund von Krankheiten wie Morbus Parkinson waren ebenfalls Verbesserungen beobachtbar.
Cannabis Wirkung bei psychischen Erkrankungen
Über die therapeutischen Wirkungen von Cannabis-Medikamenten bei psychischen Erkrankungen sind sich die Wissenschaftler noch unsicher. Festgestellt wurde, dass Cannabinoide angstlösende Wirkungen haben und beim Auslöschen von traumatischen Erinnerungen helfen. Daher können sie bei Angststörungen (Link zum Angststörungen-Artikel) oder Posttraumatischer Belastungsstörung eingesetzt werden.
In der Behandlung mit Cannabis gegen Depressionen wird Cannabidiol (CBD) gelegentlich angewendet. CBD scheint eine günstige Wirkung auf depressive Verstimmungen zu haben.
Cannabidiol zeigte sich wirksam bei Menschen mit der Krankheit Schizophrenie. Dabei war die Therapie mit CBD-haltigen Medikamenten mit weniger Nebenwirkungen verbunden als das Standardmedikament.
Inzwischen geht man auch davon aus, dass Psychosen nicht durch Cannabis ausgelöst werden, sondern dass eine individuelle Disposition dazu führt, dass bei Cannabisanwendung Psychosen auftreten können.
Behandlung erhöhten Augeninnendrucks
Cannabis hilft, erhöhten Augeninnendruck zu senkenund reduziert die Schmerzen. Bei einer Glaukombehandlung sind meist beide Wirkungen erwünscht. Zudem hat Cannabis offenbar miotische, also eine pupillenverengende Wirkung. Beim Glaukom tritt häufig eine Erweiterung der Pupillen auf, wodurch das Abfließen von Flüssigkeit aus dem Auge verhindert wird und der Augendruck steigt. Die miotische Wirkung von Cannabinoiden ermöglicht das Abfließen der Flüssigkeit und eine Senkung des Augeninnendrucks.
Bei einer Vielzahl weiterer Erkrankungen werden medizinisches Cannabis oder cannabinoidhaltige Arzneimittel bereits angewendet. Die Studienlage und Evidenz muss aber in allen Anwendungsbereichen weiter verbessert werden, um Patienten solide Therapie-Optionen zur Verfügung stellen zu können.
Cannabis Medikamente: Mehr qualitativ hochwertige Studien notwendig
Einer der Hauptgründe für die geringe Zahl an Cannabis Medikamenten und medizinischen Produkten ist, dass die Studienlage für die meisten Anwendungen noch unzureichend ist. Das Verbot bzw. die starke Regulierung von Cannabinoiden und Cannabis in der Medizin haben auch die Forschung in diesem Gebiet quasi zum Stillstand gebracht. Mit den Anpassungen in Deutschland und anderen Ländern, können in den nächsten Jahren notwendige hochwertige Studien zu den Wirkungen von Medizinalhanf-Arzneimitteln bei verschiedenen Krankheiten durchgeführt werden. Trotz aktuell geringer oder nicht vorhandener Evidenz sollten weder Ärzte noch das Gesetz Patienten medizinische Cannabisprodukte vorenthalten. Jahrzehntelange Erfahrungen beim Freizeitkonsum sowie der Selbsttherapie liefern wertvolle Hinweise. Zwar genügen sie nicht den gängigen wissenschaftlichen Standards, doch zeichnen sie ein Bild, das zum Wohle schwer kranker Menschen betrachtet werden sollte.
Hinweis: In diesem Artikel berichten wir über rezeptpflichtiges CBD oder auch Cannabidiol. Dieser Artikel macht zur möglichen Zweckbestimmung keinerlei Vorschlag. Nutzversprechen bleiben den Apothekern überlassen.