Update vom 12.11.2019
Der Hanf-Laden „Cannameleon“ hat drei Ableger in Würzburg. Dort werden unterschiedliche CBD-Produkte verkauft, wie Seife, Öle und Tee. Letzte Woche wurden die drei Läden laut einem Medienbericht von einem Großaufgebot an Polizisten durchsucht.
Die teils schwerbewaffneten Beamten drangen auch in den Privatwohnungen der Unternehmer ein. Lukas Schwarz, einer der Betreiber, erklärt in einem offiziellen Statement seine Empörung über das Vorgehen der Polizei. „Ich wollte die ganze Sache filmen, daraufhin ist mir der erste Beamte in den Rücken gesprungen“, beschreibt er die Vorfälle. Vor den Augen seiner Kinder sei er in Handschellen von Polizisten auf den Boden gedrückt worden und gewaltsam dort rund zehn Minuten festgehalten worden. Der „Cannameleon“-Chef spricht von Willkür, von psychischer Gewalt und massiven körperlichen Attacken.
Vorwurf: zu hoher THC-Gehalt
Wie das Unternehmen erklärte, lautete der Vorwurf der Polizei, dass die Hanf-Läden BtM-Produkte vertreiben – auch an Jugendliche. Die Hanf-Shop Betreiber wehren sich jedoch gegen die Unterstellung, dass sie sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben halten würden und betonen stattdessen, nur Produkte aus Nutzhanf anzubieten.
Konkret gehe es vor allem um Tees. Stichproben der Produkte enthalten, laut einem Sprecher des Präsidiums Unterfranken, zwischen 0,16 und 0,3 % Tetrahydrocannabinol (THC). Der Inhaltsstoff wirkt berauschend und fällt unter das Betäubungsmittelgesetz. Zum Hintergrund: In Deutschland dürfen nur Cannabis-Produkte aus zertifiziertem Nutzhanf mit einem THC-Gehalt von unter 0,2 % legal verkauft werden.
„Cannameleon“ weist diesen Vorwurf von sich:
„Dass Stichproben unserer Nutzhanfblütentees einen zu hohen THC-Gehalt aufgewiesen haben sollen, sind haltlose Anschuldigungen. Uns liegen selbstverständlich Laborberichte zu unseren Produkten vor, die deutlich zeigen, dass der Grenzwert nicht überschritten ist.“
Ideologie statt Jugendschutz
Inzwischen hat sich auch die Grüne Jugend Würzburg zu Wort gemeldet und kritisiert das Vorgehen der Polizei scharf:
„Wegen des Verdachts, dass Produkte THC in Spuren von 0,16 bis 0,3 Prozent enthalten, eine Großaktion der Polizei auszulösen, ist absolut unverhältnismäßig und kostet Geld, das an anderer Stelle dringender gebraucht würde“, laut nordbayern.de erklärt das Magdalena Laier, Spitzenkandidatin der Partei zur Stadtratswahl. „Hier wird einmal mehr klar, dass die Kriminalisierung von THC nichts mehr mit dem Schutz von Jugendlichen zu tun hat, sondern sich in einen ideologischen Selbstzweck der CSU verwandelt hat.“
Ursprüngliche News vom 23. Januar 2019:
Am 26. Januar wird Lukas Schwarz in Würzburg sein Cannabis-Café „Cannameleon“ eröffnen. In einem Interview hat der 26-Jährige jetzt erzählt, wie er die behördlichen Hürden gemeistert hat, und was er sich von seinem Café verspricht.
Es ist schon überraschend, dass ausgerechnet im unterfränkischen Würzburg in Bayern ein Cannabis-Café eröffnet werden darf. Denn bekanntlich geht Bayern sehr streng mit dem Thema Cannabis um. Lukas Schwarz hat es aber geschafft. In einem Interview und persönlichen Gespräch mit Leafly.de erklärte Schwarz, dass er in seinem Cannabis-Café nichts habe, was berauschend wirkt. Vielmehr konzentriert man sich im Cannameleon auf die medizinische Wirkung von Cannabis. Aus diesem Grund habe es wohl auch keine Probleme mit den Behörden gegeben.
Von Anfang an alles richtig gemacht
Ein solches Unternehmen auf die Beine zu stellen, besonders in einer so erzkonservativen katholisch geprägten Stadt wie Würzburg, ist schon mutig. Wir fragten bei Lukas Schwarz nach, wie es dazu kam, dass die Behörden hier mitspielen:
„Wir wussten, dass wir einiges anders machen müssen, wenn wir es richtig machen wollen. Braunschweig hat gezeigt, was passieren kann. Wir sind auch ständig mit den Jungs in Kontakt. Uns war klar, dass wir eine richtige Firma mit Handelsregistereintrag benötigen und eine Prüfung der Apothekerkammer, um überhaupt eine Chance zu haben. Also haben wir das gemacht und von Anfang an mit offenen Karten gespielt. So haben wir alle Genehmigungen bekommen. Das war der erste Schritt in die richtige Richtung.“
Cannabis-Café als Gesundheitsshop
Schwarz bezeichnet sein Cannabis-Café als Kaffee- und Gesundheitsshop, was natürlich die Frage aufwirft, ob hier Menschen auch beraten werden. Hierauf antwortete der Jungunternehmer:
„Es gibt einen wichtigen Unterschied zur Apotheke, den man sehen muss: Unsere Produkte sind nicht verschreibungspflichtig. Natürlich können wir die Kunden ein Stück weit beraten, wir – also meine Frau, Ivo und ich – kennen uns da jeweils schon ganz gut aus. Allerdings müssen wir darauf achten, keine Heilsversprechen zu machen. Das können wir nämlich nicht – es fließt schließlich viel zu wenig Geld in die Forschung, um sicher sagen zu können, was wem wie sehr hilft. In unserem Laden gibt es aber auch viele Bücher, mit denen die Kunden sich bei einem Kaffee oder veganem Essen tiefer einlesen können.“
Wer Cannabis auf Rezept erhält, darf in dem Cannabis-Café auch konsumieren. Voraussetzung: Es muss ein gültiges Rezept vorgezeigt werden. Cannabispatienten sollen hier einen Raum bekommen, in denen sie ihre Medizin einnehmen können. Diese müssen sie natürlich mitbringen. Der Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten findet im Cannabis-Café nicht statt.
Café bietet geschützten Raum für Cannabispatienten
„Ich finde es einfach unmöglich, dass Schmerzpatienten oft schief angeschaut und verurteilt werden, wenn sie in der Öffentlichkeit ihr medizinisches Cannabis konsumieren. Man hört ja sogar immer noch von Leuten, die von der Polizei dafür abgeführt werden, dass sie gerade ihre Medizin nehmen. Das darf nicht sein! Ich finde daher wichtig, dass solche Menschen einen geschützten Raum (auch außerhalb ihrer Wohnungen) haben, in dem ihnen das sehr wohl möglich ist“, führte Schwarz weiter aus.
In anderen Medienberichten hieß es wohl, dass der Cannabis-Café-Mitarbeiter Ivo Medizinalhanf erhält. Diese stimme jedoch nicht laut Schwarz.
„Ja, das haben einige geschrieben. Es stimmt allerdings nicht. Ivo hat zwar chronische Rückenschmerzen, bekommt momentan aber noch kein Cannabis auf Rezept. Er hat lediglich viel Erfahrung mit CBD-Produkten, also mit Hanfprodukten, die in keiner Weise berauschend wirken und rezeptfrei erhältlich sind. Er will nun aber tatsächlich versuchen, medizinisches Cannabis verschrieben zu bekommen. Dabei unterstützen ich und meine Frau, die das Café mit mir betreibt, ihn auch“, so Schwarz.
Cannabis-Legalisierung: Ja oder Nein?
Auf die Frage, ob Schwarz in seinem Café auch gesunde Menschen bei sich Cannabis konsumieren lassen würde, wenn Cannabis legalisiert würde, antwortete er mit „eher nicht“. Er möge zwar die Cannabispflanze wegen ihrer medizinischen Wirkung, aber nicht für die berauschende Wirkung. Und so wolle er sein Café nicht für den Cannabismissbrauch zur Verfügung stellen.
Auf die Frage, ob er generell gegen die Cannabis-Legalisierung sei, antwortete er:
„Jein. Ich persönlich finde, dass es nur medizinisch verschrieben werden sollte. Also bin ich zumindest gegen eine vollkommene Legalisierung. Andererseits fände ich gut, wenn die Gesetze zu Cannabis gelockert würden. Denn so könnte man alles besser kontrollieren. Ich verurteile beispielsweise total diese hochgezüchteten Sorten, die man teilweise auch in der Apotheke bekommt, in denen über 20 Prozent THC drin sind. Gut wäre an einer Legalisierung auch, dass man Cannabis nicht mehr aus Kanada und den Niederlanden importieren müsste. Meiner Meinung nach sollte Cannabis aber immer nur in Fachgeschäften verkauft werden.“
Wie sieht Schwarz die Zukunft seines Cannabis-Cafés?
Schwarz ist sich sicher, dass zahlreiche Menschen ein solches Café begrüßen würden, auch außerhalb von Großstädten wie Berlin. Bisher seien die Reaktionen fast durchweg positiv gewesen. Lediglich ältere Menschen hätten manchmal Vorurteile und würden vermuten, dass im Café Drogen verkauft werden. Mit einer vernünftigen Erklärung lassen sich diese aber besänftigen, führte Schwarz am Ende des Interviews aus.
Ganz schön was los in Unterfranken
Unsere Chefredakteurin Sandrina Koemm-Benson ist gebürtige Würzburgerin und erstaunt über die Entwicklungen in ihrer Heimatstadt:
„Würzburg die Einwohner sind bekannt für ihren unterfränkischen Charme, der der Berliner Schnauze in nichts nachsteht. Sie sind störrisch und bockig und genau das mag ich an ihnen. Wenn sie sich mal was in den Kopf gesetzt haben, dann wird das gemacht, so und nicht anders. Das haben wir bereits bei Deutschlands bekanntestem Cannabispatienten Günther Weiglein gesehen, als er auf Eigenanbau klagte. Und auch die Patientenhilfe macht einen tollen Job vor Ort. Dass die Behörden so mitspielen, finde ich wirklich erstaunlich. Allerdings haben die Gründer auch von Anfang an alles richtig gemacht. Ich kann nur allen Beteiligten weiterhin viel Glück bei ihren Unternehmungen wünschen. Wir von Leafly.de werden euch gerne unterstützen!“
Mehr zum Cannameleon auf der Webseite oder auf Facebook.