Einem Medienbericht zufolge soll auf dem Cannabis-Fachtag die Rauschgiftkriminalität in Deutschland ein wichtiges Thema sein. Diese sei das siebte Jahr in Folge gestiegen. Weiter heißt es, dass es im Jahr 2017 in Brandenburg 7 635 Fälle von Rauschgiftdelikten gab und in Sachsen 12 207. Dies seien 24 Prozent mehr als im Jahr 2016. Nach Angaben des Landeskriminalamtes seien die Fallzahlen bei Crystal-Delikten fast gleich geblieben. Hingegen seien aber die Fallzahlen von Cannabisdelikten gestiegen. Insgesamt sei die Zahl in den letzten Jahren auf 300 000 pro Jahr gewachsen. Die Zahl der Verurteilungen sei aber konstant geblieben.
DVJJ veranstaltet Cannabis-Fachtag
Die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen DVJJ hat sich jetzt diesem Thema angenommen und veranstaltet am 23. Januar den Cannabis-Fachtag auf dem Campus der BTU in Cottbus. Eine der wichtigsten Fragen, die hier Mediziner und Juristen beantwortet sollen, lautet: Wie soll man mit jungen Cannabiskonsumenten umgehen?
Experten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen
In dem oben erwähnten Medienbericht haben sich zwei Experten bereits dieser Frage geäußert. Hierzu gehört der Rechtsanwalt Armin Krahl, der seit 20 Jahren als Jurist in Senftenberg tätig ist.
„Ich muss zugeben, dass sich meine Einstellung zum Thema Cannabis in den vergangenen Jahren sehr stark geändert hat. Der Blick in andere Länder zeigt uns, dass mit einer Legalisierung viele Probleme besser in den Griff zu bekommen sind als mit unserer Form der Strafverfolgung“, erklärte Krahl.
Geht es um Cannabiskonsumenten, so sind viele Staatsanwälte, Verteidiger und Richter verunsichert. Der Besitz von Cannabis wird in den Bundesländern nämlich unterschiedlich gehandhabt. Während das Bundesland Bayern harte Strafen für den Besitz von einem Gramm Cannabis vorsieht, liegt der Grenzwert in Nordrhein-Westfalen bei sechs Gramm. Wiederum in Hamburg gibt es erst ab zehn Gramm Cannabis eine strafrechtliche Verfolgung.
„In Brandenburg bewegen wir uns im Mittelfeld. Fünf bis sechs Gramm gelten als Eigenbedarf, werden in der Regel nicht weiter verfolgt,“ so Krahl.
Weiter heißt es, dass es juristisch gesehen eigentlich keinen Grund gebe, bei kleineren Cannabis-Mengen ein „Auge zuzudrücken“. Denn der Besitz des ersten Gramms Cannabis sei bereits strafbar.
„Das aber würde die Justiz rein personell gar nicht leisten können. Die festgestellten Cannabis-Delikte sind in den letzten Jahren von 200 000 auf 300 000 pro Jahr angestiegen. Die Zahl der Verurteilungen ist aber konstant geblieben. Wenn man davon ausgeht, dass ein Richter im Jahr etwa 1000 Straftaten verhandeln kann, wird deutlich, welchen Aufwand wir treiben müssten, wenn wir alle Cannabis-Konsumenten vor Gericht bringen wollten“, erklärte Krahl.
Cannabiskonsum erhöht sich nur unwesentlich
Wenn wir uns andere Länder ansehen, in denen Cannabis bereits legalisiert ist, zeigt sich, dass sich der Cannabiskonsum nur unwesentlich erhöht hat. Dafür werden aber die Verdienstmöglichkeiten der Drogendealer „empfindlich beschnitten“, erklärte Krahl weiter. Außerdem könne der Staat die Stärke der Drogen bei einem regulierten Verkauf kontrollieren.
„Derzeit gibt es so unterschiedliche Konzentrationen, dass auch die Konsumenten oft nicht wissen, wie stark ihr Stoff gerade wirklich ist“, erklärte Krahl.
Wir hatten bereits Anfang Januar über die Studie der University of Bath und King’s College London berichtet. Hier hieß es im Ergebnis, dass der THC-Gehalt in Cannabis zweimal so stark sei wie im Jahr 2006.
Legalisierung ist ein Schritt in die falsche Richtung
Ein weiterer Experte, der sich schon vor dem Cannabis-Fachtag geäußert hat, ist Karsten Wolff, Facharzt für Psychiatrie mit Suchtmedizinischer Zusatzqualifikation und Chefarzt am Zentrum für Psychosoziale Gesundheit (ZfPG) des Klinikums Niederlausitz. Hier gab im Jahr 2018 ungefähr 184 Crystal-Fälle. Wegen einer Behandlung infolge des Cannabiskonsums kamen ungefähr 196 Patienten in die Klinik. Hierunter befand sich auch eine 18-Jährige, die nach dem jahrelangen Cannabiskonsum an einer cannabisinduzierten Psychose litt. Auch eine sechsmonatige Behandlung habe ihr nicht geholfen. Schließlich habe sie die Diagnose schwere Schizophrenie erhalten. Als weiteren Extremfall nennt Wolff einen jungen Mann, der auch nach einer Cannabis-Langzeitentwöhnung immer noch eine geschützte therapeutische Umgebung benötigte. Weiter erklärte Wolff, dass er „auch nach sechs Monaten absolut motivations- und antriebslos blieb und weiter an Denk- und Merkstörungen litt“.
„Die Entscheidung über eine Legalisierung muss politisch und gesellschaftlich gefällt werden. Eine Legalisierung ist ein Schritt in die falsche Richtung. Die Verfügbarkeit von Cannabis würde erleichtert, vor allem Kinder und Jugendliche in Verführungssituation und Krisen oder suchtgefährdetem Milieu wären noch schutzloser“, erklärte Wolff.
…und wieder das Thema Cannabis als Einstiegsdroge
Obwohl es inzwischen als deutlich bewiesen gilt, dass Cannabis eben keine Einstiegsdroge für härtere Drogen ist, heißt es in dem anfangs genannten Bericht:
„Entgegen mancher Meinung kann Cannabis tatsächlich zur Abhängigkeit führen. Etwa neun Prozent aller Konsumenten sind davon betroffen. Das Risiko steigt, wenn der Konsum schon in sehr jungen Jahren beginnt. Daneben gibt es deutliche Belege, dass Cannabis eine Einstiegsdroge für härtere Suchtmittel darstellt.“
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Legalisierung ist mit hohen Risiken verbunden
Karsten Wolff erklärte weiter, dass der legale Cannabis-Verkauf aus medizinischer Sicht mit hohen Risiken verbunden sei. So würde eine freie Verfügbarkeit eine Ungefährlichkeit suggerieren. Weiter heißt es:
„Die krankhaften Auswirkungen von Cannabis sind durch umfangreiche Studien jedoch gut belegt. Regelmäßiger Konsum kann die Hirnleistung und das Gedächtnis verschlechtern, Aufmerksamkeit, Denkleistung und Problemlösungsfähigkeiten nehmen ab. Das Risiko, an Psychose zu erkranken, ist je nach Konsum um das 1,4- bis 3,4-fache erhöht. Auch Depressionen und Angststörungen genauso wie Lungenprobleme und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören zu den möglichen Folgeerscheinungen.“
Geht es nach Wolff, sei bei der Diskussion um die Cannabislegalisierung zu bedenken, dass auch schon legale Suchtmittel wie Alkohol und Tabak „erhebliche gesellschaftliche Probleme bereiten und mit viel Aufwand versucht wird, den Konsum wieder zu begrenzen“. Anstatt ein weiteres Suchtmittel freizugeben und die Folgen dann zu bekämpfen, ist Wolff dafür, dass die aktuell legalen Suchtmittel weiter beschränkt werden, wie zum Beispiel die Abgabe von Alkohol an unter 18-Jährige. Auch müsse man die Entstigmatisierung der Suchtkranken voranbringen.
Wir sind gespannt, wie der Cannabis-Fachtag am 23. Januar verlaufen wird und werden darüber berichten.