Berliner SPD für Cannabis-Legalisierung
Die Berliner Sozialdemokraten wollen den Besitz und den Konsum von Cannabis-Produkten für Erwachsene legalisieren. Das fordert zumindest ein Antrag, der auf dem Landesparteitag im November zur Abstimmung steht. Danach soll sich die SPD auf Bundesebene dafür einsetzen, dass Cannabis staatlich kontrolliert angebaut und ausgegeben wird. Da es bis dahin ein weiter Weg ist, sollen in einem Zwischenschritt wissenschaftliche Modellprojekte zur Abgabe von Cannabis eingeführt werden. Diese Modellprojekte sollen unter der Kontrolle der Bundesländer stehen. Quasi eine Cannabis-Legalisierung auf Raten.
Einen ersten Stimmungstest, wie der Antrag bei den Genossen und Genossinnen ankommt, gab es bereits: Der Kreisverband Mitte segnete den Antrag kürzlich ab. Für die Verfechter der Cannabis-Legalisierung ist das ein wichtiger Schritt. Mitte ist der Kreis, der auf dem Parteitag die meisten Delegierten stellt.
„Mit diesem Rückenwind sind wir sehr zufrieden“, erklärte daher auch Thomas Isenberg, der gesundheitspolitische Sprecher der Berliner SPD. Er setzt sich seit Jahren für eine kontrollierte Abgabe von Cannabis ein und ist einer der Autoren des Antrags. Aus seiner Sicht ist die bisherige Cannabis-Politik gescheitert.
SPD in Berlin will moderne Cannabis-Politik
„Die SPD braucht endlich eine klare Position für eine moderne Cannabis-Politik“, so Thomas Isenberg.
„Wir sind keine Fans von Kiffer-Romantik“, hatte Isenberg bereits im Frühjahr zusammen mit dem SPD-Fraktionschef Raed Saleh in einem Gastbeitrag in der taz geschrieben. „In unseren Augen würde unsere Gesellschaft durch ‚erlaubtes Kiffen‘ nicht gefährlicher, sondern sicherer.“ Die legale Abgabe solle weiterhin mit einem Werbeverbot für Cannabis verknüpft sein. Jugendschutz und Prävention sollen finanziell gestärkt werden.
Die Kriminalisierung stigmatisiere nicht nur die Konsumenten, sie halte auch die Polizei von ihrer eigentlichen Arbeit ab. Das sagte Thomas Isenberg mit Blick auf 150.000 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Cannabis. Stattdessen will der Gesundheitspolitiker Isenberg die „Dealer arbeitslos machen und den Konsum kontrollieren.“ Das würde auch die Gesundheit der Cannabis-Konsumenten und -Konsumentinnen schützen: „Auf dem unregulierten Markt wird mit gepanschten Substanzen gehandelt.“
Cannabis-Modellprojekte – bisher BfArM zuständig
Bisher muss ein Cannabis-Modellprojekt beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beantragt werden. Diese Einrichtung gehört zum Bundesgesundheitsministerium. In den letzten Jahren wurden bereits mehrere Anträge für Cannabis-Modellprojekte eingereicht, beispielsweise vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und von den Städten Magdeburg und Köln. Alle Anträge sind gescheitert.
Daher fordert die Berliner SPD in ihrem aktuellen Antrag, dass die Bundesländer unmittelbar das Recht erhalten sollen, auf Landesebene die „Durchführung und Zulassung wissenschaftlicher Modellprojekte“ zu ermöglichen.
CDU in Berlin hält an Verbotspolitik fest
Die Berliner SPD rennt mit ihrem Antrag zur Cannabis-Legalisierung bei ihren Koalitionspartnern offene Türen ein, da die sich schon länger für eine liberalere Cannabis-Politik einsetzen. Im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag steht zu dem Thema: „Die Koalition wird ein Konzept für die Durchführung eines wissenschaftlich begleiteten Modellprojekts zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene erarbeiten.“ Und auch die FDP fordert eine Entkriminalisierung von Cannabis.
Nicht so die CDU in Berlin: Der im Sommer zurückgetretene Chef der CDU-Fraktion Florian Graf warnte noch im Februar davor, Cannabis zu Genusszwecken zu legalisieren. Eine Aufweichung der bisherigen Drogenpolitik hätte „fatale Auswirkungen“, vor allem auf Kinder und Jugendliche.
CDU-Politiker im Bundestag schlägt Modellprojekt vor
Der Bundestag diskutiert das Thema Entkriminalisierung von Cannabis bereits seit Monaten sehr kontrovers. Sowohl die Linke als auch die Grünen und die FDP befürworten eine kontrollierte Cannabis-Freigabe oder Modellprojekte. Die drei Oppositionsparteien haben dazu eigene Anträge eingebracht, mit denen sich derzeit der Gesundheitsausschuss befasst, Leafly.de berichtete. Demnächst werden die Bundestagsabgeordneten über die Anträge abstimmen.
Mit großer Vehemenz haben sich beide Unionsparteien bislang gegen eine Freigabe von Cannabis gewehrt. Aber jetzt hat sich CDU-Politiker Erwin Rüddel, Vorsitzender des Gesundheitsausschusses des Bundestages, kürzlich für Cannabis-Modellprojekte ausgesprochen. Er schlägt vor, „in einem kontrollierten Versuch Cannabis in Apotheken an registrierte Nutzer über 18 Jahren abzugeben.“ Das erklärte Rüddel im Gespräch mit der Badischen Zeitung. Der Versuch solle regional begrenzt durchgeführt werden.
Den Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses habe das Beispiel Uruguay überzeugt. Dort sei „der Schwarzmarkt weitgehend zusammengebrochen“. Dort, wo es ihn noch gibt, werde „reinerer Stoff angeboten“, da er „in Konkurrenz zu dem offiziell abgegebenen Cannabis steht“. Erwin Rüddel will mit seinem Vorschlag eine scheinbar endlose Debatte zu einem Ergebnis führen. „Wir diskutieren das Thema seit Jahren – und immer mit denselben Argumenten.“ In einem Modellversuch könnte Deutschland nun eigene Daten gewinnen.
Durch eine kontrollierte Abgabe über Apotheken „würde ein gleichbleibender THC-Gehalt sichergestellt“, sagte Rüddel. Wie ein Modellversuch konkret aussehen könnte, solle die Ethikkommission des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ausarbeiten.
Der Vorstoß des CDU-Gesundheitspolitikers könnte eine grundlegende Wende in der Drogenpolitik von CDU und CSU einleiten. Rüddel hält die Widerstände innerhalb der Union für überwindbar: „Ich halte es für möglich, dass sich in dieser Wahlperiode endlich etwas tut“, sagte er der Badischen Zeitung. Ob dies allerdings tatsächlich mit der CSU machbar ist, muss sich erst noch zeigen.
CSU strikt gegen Cannabis-Legalisierung
Der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger hält nichts von einem neuen Kurs in Sachen Cannabis-Politik. Ihm sei das Argument nicht plausibel, dass die Legalisierung zu weniger Konsum führe, sagte er der Badischen Zeitung. „Wenn etwas legalisiert wird, führt das doch zu höherer Akzeptanz.“ Es werde eben „einfacher, an die Droge zu kommen“.
Und auch Marlene Mortler, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, ist bekanntermaßen eine strikte Gegnerin jeder Liberalisierung. Cannabis werde verharmlost – davon ist die CSU-Politikerin überzeugt.
Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD hält sich bei der Cannabis-Politik bedeckt. Im Gegensatz zur Haltung der Union war die Einstellung der SPD bei diesem Thema bisher nicht eindeutig. Der Antrag der Berliner Sozialdemokraten könnte gerade zur rechten Zeit kommen, um den Weg zu ebnen für einen Kurswechsel bei der SPD. Ob Erwin Rüddel den gleichen Impuls in die Union bringt, bleibt abzuwarten.
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