Zum Thema Cannabis ist zu sagen, dass das Wirkungsspektrum von Cannabis als Medizin bei Betroffenen mit den psychischen Störungen Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder Aufmerksamkeits-Defizit-Störung (ADS), noch unklar ist. Die Wissenschaft steht hier noch am Anfang. Bisher gibt es nur wenige Studien und Fallberichte, die nahelegen, dass der Einsatz von Cannabis-Medikamenten bei derartigen Störungen hilfreich sein könnte.
Die Kulturpflanze Hanf wurde bereits in der Antike gegen unterschiedliche Beschwerdebilder wie Schmerzen, Kopfschmerzen oder Schlafstörungen eingesetzt und war bekannt für die somatische und psychoaktive Wirkung. Heute wurden bereits viele Wirkungsweisen der Hanfpflanze mit ihren Hauptcannabinoiden Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) auf unterschiedliche Beschwerden wissenschaftlich nachgewiesen.
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Aber was ist eigentlich ADHS?
Betroffene, die an einer Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung leiden, reagieren impulsiv, lassen sich leicht ablenken und können sich nur schwer konzentrieren. Sie leiden demnach an einer Aufmerksamkeitsstörung sowie einer Konzentrationsschwäche. Je nachdem, wie schwer die Krankheit ausgeprägt ist, wird zwischen den folgenden Typen unterschieden:
- Hyperaktiv-impulsiver Typ: Hier überwiegt die Hyperaktivität.
- Unaufmerksamer Typ: Die Aufmerksamkeitsdefizite dominieren.
- Kombinierter Typ: Aufmerksamkeitsdefizite und Hyperaktivität sind stark ausgeprägt.
Der Nervenarzt Heinrich Hoffmann stellte die ADHS-Problematik bereits im Jahr 1845 in seinem Buch „Der Struwwelpeter“ dar. Auch heute noch werden hyperaktive Kinder als „Zappelphilipp“ (Zappelphilipp-Syndrom) bezeichnet. Die Erkrankung erhielt dann im Jahr 1987 die medizinische Bezeichnung Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung.
Unterschied zwischen ADHS und ADS
Bei dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) sind Betroffene unaufmerksam und können sich schlecht konzentrieren. Allerdings sind sie nicht hyperaktiv, weshalb das ADS häufig nicht erkannt wird. Kinder mit ADS fallen weit weniger stark auf und sind meist verträumt. Dennoch haben ADS-Kinder häufig Schwierigkeiten, die erforderlichen schulischen Leistungen im Unterricht sowie bei den Hausaufgaben zu erbringen.
Was sind die Ursachen?
Bislang sind die Ursachen der Krankheit ungeklärt. In der Forschung werden derzeit verschiedene Auslöser für die Entstehung der Krankheit verantwortlich gemacht. Häufig wird gefragt, ob die Hyperaktivitätsstörung vererbbar ist.
Es wird davon ausgegangen, dass die Gene zu 70 Prozent eine wichtige Rolle bei der Entstehung spielen. So leiden häufig direkte Verwandte ebenfalls an der Erkrankung.
Wenn ein Elternteil an der Störung leidet, besteht ein erhöhtes Risiko vor allem für Jungen. Welche Gene genau dafür verantwortlich sind, ist noch unklar.
Weiter vermuten Forscher, dass die Ursache an einer Fehlfunktion im Gehirn liegen könnte. Demnach wäre die Informationsverarbeitung zwischen den unterschiedlichen Gehirnregionen gestört. Die Botenstoffe Noradrenalin und Dopamin, die für den Antrieb, die Motivation und die Aufmerksamkeit zuständig sind, sowie Serotonin, das die Impulskontrolle regelt, wären dann vermutlich für die Symptome verantwortlich.
Die Neurotransmitter geben dann die Informationen zwischen den einzelnen Gehirnzellen unzureichend weiter. Betroffen sind das Frontalhirn und die Stammganglien, die bei der Ausführung und Planung, der Aufmerksamkeit sowie Wahrnehmung und Konzentration bedeutend sind.
In das Gehirn gelangen jede Sekunde unzählige Informationen. Jedoch werden nur wenige davon bewusst wahrgenommen, da es ansonsten zu einer Reizüberflutung käme. Eine Art Filter sortiert Wichtiges von Unwichtigem aus. Bei einem ADHS-Kind ist diese Filterfunktion mit hoher Wahrscheinlichkeit gestört.
Das Kind wird durch diese ungefilterte Informationsflut angespannt und unruhig. Und so leidet auch ein Kind mit ADS, das zwar nicht hyperaktiv ist, dennoch unter einer Konzentrationsschwäche und einer Aufmerksamkeitsstörung.
Weitere mögliche Ursachen
Auch verschiedene Umwelteinflüsse stehen im Verdacht, die Krankheit zu verursachen. Nikotin, Alkohol und auch Drogen während der Schwangerschaft können das Risiko genauso erhöhen wie ein Sauerstoffmangel bei der Geburt. Ebenso kommen äußere Umstände, wo und wie ein Kind aufwächst, als Ursache in Betracht.
Fehlende Strukturen und Zuwendungen oder auch ständiges Streiten der Eltern können die Störung verschlimmern. Gleiches gilt für Zeitdruck, einen hohen Fernseh- und Computerkonsum sowie einen Bewegungsmangel. Wissenschaftlich bewiesen sind diese Ansätze jedoch nicht.
Symptome bei Kindern und Erwachsenen
Typische Symptome sind Impulsivität, hyperaktives Verhalten und Unaufmerksamkeit. Die gleichen Symptome ruft auch das ADS hervor, jedoch ohne die Hyperaktivität. Weitere allgemeine Anzeichen sind:
- Leistungsschwächen (Lese- und/oder Rechtschreibschwäche)
- Konzentrationsschwäche
- impulsives Verhalten (z. B. Wutausbrüche)
- leichte Ablenkbarkeit/Aufmerksamkeitsstörung
- langsame Reaktionen
- Vergesslichkeit
- Stimmungsschwankungen (emotionale Instabilität)
- motorische Schwierigkeiten
Im Säuglingsalter ist die Diagnose ADHS hingegen noch nicht möglich. Allerdings konnten Forscher zwischen Regulationsstörungen und der Hyperaktivitätsstörung einen Zusammenhang finden. Bei Babys kann sich solch eine Regulationsstörung beispielsweise durch Schlafstörungen, starke Unruhe, andauerndes Schreien und Schwierigkeiten beim Füttern zeigen. Es wird davon ausgegangen, dass ungefähr 30 Prozent der betroffenen Babys später die Diagnose ADHS erhalten.
ADS/ADHS beim Kleinkind
Bei Kleinkindern lässt sich die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung ebenfalls schwer erkennen. In der Regel hat ein Kleinkind dann eine geringe Aufmerksamkeit, keine Lust zu spielen oder schreit viel. Typische Symptome in diesem Alter sind Rastlosigkeit und motorische Unruhe. Aufgrund dieses unberechenbaren Verhaltens fällt es den Kindern schwer, sozialen Anschluss zu bekommen. Einige Kinder zeigen sich extrem trotzig, fallen ständig in Gespräche oder erzeugen permanent Geräusche. Ebenso können Teilleistungsschwächen beim Sehen oder Hören auffallen als auch ein erschwerter Spracherwerb.
ADS/ADHS im Grundschulalter
Die ADHS-Erkrankung bei Kindern stellen Eltern und Lehrer aufgrund der starken Ablenkbarkeit vor große Herausforderungen. Hinzu kommt, dass sich die Kinder meist gar nicht an Regeln halten und häufig als Spielverderber gelten, was sie zu Außenseitern macht. Viele Kinder weisen auch eine Lese-, Rechtschreib- oder Rechenschwäche auf, sodass sie nur schwer in der Schule mithalten können. Die Störung zeigt sich außerdem in einem chaotischen Ordnungsverhalten und einer schlecht leserlichen Schrift.
Darüber hinaus zeigen die Kinder auch eine geringe Frustrationstoleranz. Läuft es nicht nach ihrem Willen, treten Wutausbrüche auf. Weitere Symptome können sein:
- Aufmerksamkeitsstörung
- Konzentrationsschwäche
- unpassende Mimik und Gestik
- ständiges Reden sein
- Ungeschicklichkeit
- häufige Unfälle
- geringes Selbstbewusstsein
ADS/ADHS im Jugendalter
Auch bei Jugendlichen können Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen auftreten. Nicht selten entwickeln sich bei den Jugendlichen eine Null-Bock-Stimmung und/oder eine aggressive Antihaltung. Zwar sind derartige Verhaltensweisen in der Pubertät normal, bei betroffenen Jugendlichen sind diese jedoch sehr viel ausgeprägter. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Betroffene oftmals sozialen Randgruppen, Alkohol und Drogen hingezogen fühlen. Typisch ist auch ein risikoreiches Verhalten. Einige Jugendliche leiden auch unter psychischen Erkrankungen wie starken Depressionen und Ängsten sowie einem geringen Selbstbewusstsein. Nur in wenigen Fällen verbessern sich die ADHS-Symptome in diesem Alter.
Erwachsenen-ADHS
Im Laufe des Lebens verändert sich das Beschwerdebild. Meist ist die Hyperaktivität bei Erwachsenen nicht mehr ganz so stark ausgeprägt, weshalb häufig von einer ADS gesprochen wird. Erwachsene zeigen dann Symptome wie Vergesslichkeit, Schusseligkeit und innere Unruhe. Auch unüberlegte Handlungen und impulsive Verhaltensweisen treten häufig auf. Oft fühlt sich der Erwachsene auch ruhelos und getrieben. ADS/ADHS bei Erwachsenen kann sich auch durch weitere Symptome zeigen:
- Aufmerksamkeitsstörungen
- Organisationsschwierigkeiten
- Überaktivität in abgeschwächter Form
- geringe Stress- und Frustrationstoleranz
- Schwierigkeiten beim Regulieren von Gefühlen
Diagnose und Testverfahren
Eine ADHS-Diagnose kann häufig schon durch die Beobachtung des Patienten und durch Gespräche mit Angehörigen gestellt werden. Außerdem wird eine umfangreiche Familienanamnese erhoben. Zur Sicherstellung der Diagnose kommen auch psychologische Testverfahren, wie zum Beispiel IQ- und Aufmerksamkeitstest, zum Einsatz. Hinzu kommen Selbstbeurteilungsbögen und Checklisten, die auf eine ADHS hinweisen können und oftmals auch als ADHS-Test bezeichnet werden. Einen speziellen Test nach einem medizinischen Standard gibt es allerdings nicht.
Eine körperliche Untersuchung auf neurologische Auffälligkeiten ist ebenfalls notwendig, da die folgenden psychischen Störungen und neurologischen Krankheiten ein ähnliches Krankheitsbild aufweisen können:
- Epilepsie
- Tic-Störungen
- Psychosen
- Autismus
- Lese-Rechtschreib-Schwäche
- Folgeerscheinungen durch Drogen oder Medikamente
Letztendlich kann die Diagnose noch durch einen Psychologen, der eine Verhaltensbeobachtung über eine längere Zeit durchführt, gesichert werden.
Therapie und Behandlung
Eine ADHS-Therapie ist nicht immer notwendig. Eltern sollten zunächst mit dem behandelnden Kinderarzt und Psychologen über das Ausmaß und die Schwere der Störung sprechen und sich beraten lassen. In der Regel ist eine Behandlung nur dann erforderlich, wenn die Störung zu starken sozialen und psychischen Beeinträchtigungen führt. Wird eine Therapie empfohlen, so ist das Ziel, die Symptome zu lindern und den Patienten sozial zu integrieren.
Eine Heilung der ADHS ist nicht möglich. Steht die Diagnose Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom fest, erfolgt in der Regel zuerst keine medikamentöse Behandlung, sondern eine multimodale Therapie. Also eine Kombination aus der umfassenden Aufklärung über die ADHS, Bewältigungsstrategien und Verhaltenstherapie. Welche Therapieform infrage kommt, entscheidet der behandelnde Arzt gemeinsam mit dem Patienten.
Ein weiterer Bestandteil der ADHS-Therapie kann auch eine medikamentöse Therapie darstellen. Allerdings werden diese in der Regel nur dann verschrieben, wenn starke psychosoziale Einschränkungen auftreten. Um die Hyperaktivität zu hemmen, damit sich Betroffene besser motivieren können und aufmerksamer werden, verordnen Ärzte die Psychostimulanzien Amphetamine und Methylphenidat (z. B. Ritalin), die an den Synapsen (Nervenenden) wirken. Die Wirkdauer von Noradrenalin und Dopamin wird hierdurch verlängert, sodass wieder ein Gleichgewicht hergestellt wird.
In einigen Fällen, vor allem dann, wenn Patienten schwerwiegende Symptome zeigen, werden auch selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRA), wie zum Beispiel Atomextin, zur Behandlung verschrieben, da sie den Neurotransmitter Noradrenalin beeinflussen. In Deutschland zugelassene Medikamente auf Rezept zur ADHS-Therapie sind aktuell:
- Methylphenidat
- Dexamfetamin
- Atomexetin
- Lisdexamfetamin
Alternative Therapie bei ADS/ADHS-Kindern
Wissenschaftliche Belege dafür, dass die homöopathische Behandlung von Kindern mit ADS/ADHS wirksam ist, existieren bislang nicht. Dennoch kann es sinnvoll sein, alternative Therapien auszuprobieren, das es keine allgemeingültige Behandlung für betroffene Kinder gibt. Vielmehr geht es hier um sehr individuelle und vielschichtige Prozesse, die somit auch einer individuellen Behandlung bedürfen.
Sollte Interesse an einer homöopathischen Behandlung bestehen, so ist es grundsätzlich empfehlenswert, hierfür einen speziell ausgebildeten und erfahrenen Heilpraktiker aufzusuchen. Nach ausführlichen Gesprächen wird dieser eine auf den jeweiligen Zustand des Kindes abgestimmte Arznei – vermutlich in Form von Globuli – zusammenstellen.
Umgang mit ADS/ADHS-Kindern
Eltern können einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, die Verhaltensprobleme ihres Kindes deutlich zu bessern. Folgende Grundregeln können Eltern helfen, das Verhalten des Kindes positiv zu beeinflussen:
- Eltern sollten nicht die „schlechten“ Seiten ihres Kindes im Blick haben, sondern sich vielmehr auf die positiven Eigenschaften konzentrieren und ihr Kind darin bestärken.
- Dem Kind sollte immer gezeigt werden, dass es geliebt wird. Betroffene Kinder können nur schwer eine Aufgabe zu Ende bringen oder sich an Regeln halten.
- Doch auch schon eine kleine Anstrengungsbereitschaft oder auch Teilerfolge sollte gelobt werden, da eine positive Verstärkung das gewünschte Verhalten fördert.
- Um dem Kind Sicherheit und Halt zu geben, sollten Eltern klare Regeln aufstellen und Grenzen setzen. Ebenso wichtig ist eine Tagesstrukturierung und das Einführen von Ritualen.
- Wenn das Kind eine Grenze übertritt oder sich nicht an eine Regel hält, sollten Eltern sofort und konsequent reagieren. Hierbei ist es wichtig, die Ruhe zu bewahren. Viele Situationen sind bei betroffenen Kindern auch vorhersehbar, wie zum Beispiel das Erledigen der Hausaufgaben, sodass hierfür frühzeitig Regeln aufgestellt werden können.
- Diskussionen sollten immer vermieden werden, wenn die Emotionen mal überkochen. Manchmal brauchen und Eltern und Kind eine Auszeit. Später kann versucht werden, das Problem mit mehr Gelassenheit zu lösen.
- Da ein Kind mit ADHS/ADS sehr viel Kraft und Energie kostet, dürfen Eltern ihre eigenen Bedürfnisse nicht vernachlässigen und sollten sich ausreichend Zeit nehmen, um zu entspannen. Hiervon profitiert letztendlich auch das Kind. Hilfreich kann ggf. auch eine Mutter-Kind-Kur bei ADS/ADHS sein.
Studien weisen auf Wirksamkeit von Cannabis bei ADHS hin
Leider ist die aktuelle Studienlage in Bezug auf ADHS und Cannabis noch nicht ausreichend. Dennoch weisen einige Untersuchungen und Fallberichte auf die mögliche Wirksamkeit von Cannabis auf die ADHS-Symptomatik hin.
Im Jahr 2008 beobachteten Wissenschaftler der University of Nottingham, dass der Konsum von Cannabis bei 25 Heranwachsenden mit ADHS dazu führte, dass die Hyperaktivität, die Desorganisation und die Aufmerksamkeitsstörung abnahmen. Die Forscher schlossen daraus, dass Cannabis auf die ADHS eine positive Wirkung haben könnte.
Im Rahmen der Cannabinoid-Konferenz im Jahr 2015 wurde über eine Untersuchung mit 30 Erwachsenen berichtet, die an einer therapieresistenten ADHS leiden. Alle Probanden verfügten über eine Ausnahmegenehmigung zur Verwendung von Medizinal-Cannabis in Form von medizinischen Cannabisblüten (Flos), Cannabisextrakt oder dem Fertigarzneimittel Dronabinol.
Unter Einbeziehung zweier älterer Untersuchung aus dem Jahr 2003 vom Department of Cell Biology in Italien und aus dem Jahr 2006 von der Columbia University in New York erklärten Eva Milz und Franjo Grotenhermen zusammenfassend, dass alle Studienteilnehmer eine Verbesserung der Gesamtsymptomatik feststellen konnten. Besonders wirksam sei das medizinische Cannabis in Bezug auf die Schlafqualität, die Konzentrationsschwäche und die Impulsivität gewesen.
Die im August 2017 durchgeführte Studie am King´s College in London belegt, dass es unbedingt notwendig ist, die Zusammenhäng zwischen ADHS und der Symptomverbesserung durch Cannabis für medizinische Zwecke weiter zu erforschen. Im Rahmen der randomisierten placebokontrollierten Pilotstudie wurden 30 erwachsene Teilnehmer mit ADHS entweder mit einem Placebo oder dem Sativex-Mundspray (Wirkstoffe: THC/CBD) behandelt. Die mit Sativex behandelten Teilnehmer berichteten über eine signifikante Verbesserung der Hyperaktivität und Impulsivität ohne kognitive Beeinträchtigungen.
Ritalin-Therapie oder medizinisches Cannabis?
Pharmazeutische ADHS-Medikamente sind mit vielen Nebenwirkungen verbunden. Deshalb kommen sie in der Regel nur bei schwerwiegenden Erkrankung zum Einsatz. Bekanntester Vertreter der Medikamente bei ADS/ADHS ist Ritalin (Methylphenidat), das zu den Derivaten von Amphetaminen gehört und sowohl anregend als auch aufregend wirkt. Die Transportfunktion für Noradrenalin und Dopamin wird gedrosselt, weshalb Ritalin in seiner Wirkungsweise dem Kokain ähnelt.
Bei Kindern kann eine Langzeitanwendung folgende Nebenwirkungen verursachen:
- Wachstumsverzögerungen
- reduzierte Gewichtszunahme durch Appetitlosigkeit und zu geringe Flüssigkeitsaufnahme
- Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen
- Brennen in der Speiseröhre
- vermehrtes Schwitzen
- Haarausfall
- Dermatitis und Juckreiz
- Schlafstörungen/Schlaflosigkeit
- Kopfschmerzen und Schwindelgefühle
- Nervosität, Angstgefühle, depressive Verstimmungen
- Aggression und Anspannung
- Herzrasen und Herzrhythmusstörungen
- emotionale Labilität und Verwirrtheitszustände
Was ist der Rebound-Effekt?
Besonders problematisch ist der Rebound-Effekt. Lässt die Wirkung des Wirkstoffes Methylphenidat nach, so kann dies die eigentlichen ADS/ADHS-Symptome deutlich verstärken. Bei einer schwerwiegenden Erkrankung bzw. bei sehr ausgeprägten Symptomen könnte dies fatal sein.
Der internationale Forschungsverbund Cochrane Collaboration führt aus, dass die Wirkung nur mäßig ist und dass die Qualität der Studien zum medizinischen Einsatz mehr als unbefriedigend seien. Zwar werde das Medikament seit mehr als 50 Jahren verordnet, dennoch gebe es keine zuverlässigen Studien über den Nutzen und die Gefahren von Ritalin.
Medizinalcannabis als Alternative
Cannabis als Medizin könnte hier eine Alternative sein, denn die ADHS geht häufig mit weiteren Beschwerden wie Angst-, Zwangs- und Schlafstörungen sowie Depressionen einher. Und die Cannabinoide THC und CBD sind unter anderem für ihre beruhigende, angstlösende und antidepressive Wirkung bekannt. Außerdem kann Cannabis als Medizin die Schlafqualität verbessern und stimmungsregulierend wirken.
Es ist bekannt, dass viele Betroffene eine Neigung zum Drogenmissbrauch haben. Erklären lässt sich dies durch den geringen Dopamin-Spiegel im Körper. Drogen wie Tabak, Alkohol, Kokain und auch Cannabis können den Dopamin-Spiegel erhöhen, wobei Cannabis den Dopamin-Spiegel nur wenig beeinflusst. Das könnte schließlich auch eine Erklärung dafür sein, dass Cannabis ein geringeres Suchtpotenzial besitzt. Insofern könnte Cannabis als Medizin eine alternative Behandlungsmethode sein. Nach der ärztlichen Verordnung sollten Cannabis-Patienten vom behandelnden Arzt engmaschig überwacht werden.
Endocannabinoidsystem beeinflusst Dopamin-Spiegel
Das (körpereigene) Endocannabinoidsystem spielt hier eine wichtige Rolle, da es den Dopamin-Spiegel im Körper beeinflusst. Diese Wechselbeziehung ist vermutlich bei ADHS-Betroffenen verändert. Es wird angenommen, dass bei ADHS-Betroffenen der Anandamid-Spiegel erhöht ist. Dabei handelt es sich um ein Cannabinoid, das der Körper selbst herstellen kann. Anandamid bindet an die Cannabinoidrezeptoren CB1 und CB2 genau wie THC aus der Cannabis Pflanze. Forscher nehmen deshalb an, dass der Körper mehr Endocannabinoide herstellen könnte, um die ADHS-Symptome zu reduzieren.
Es gilt als bestätigt, dass das Endocannabinoidsystem mit seinen Cannabinoidrezeptoren bei der psychomotorischen und kognitiven Entwicklung eines Heranwachsenden eine wichtige Rolle spielt. Das System ist jedoch sehr komplex und es wird angenommen, dass das Endocannabinoidsystem bei ADHS-Betroffenen nicht einwandfrei funktioniert, weshalb eine Beeinflussung des Endocannabinoidsystems bei der ADHS wirksam sein könnte.
Interessant ist zudem, dass die ADHS-Symptome mit den Cannabinoidrezeptoren, die sich unter anderem vermehrt in den Gehirnregionen wie im Hippocampus und in der Amygdala befinden, in Verbindung gebracht werden. Dabei ist die Amygdala beispielsweise an der Angstentstehung und der emotionalen Bewertung beteiligt, während der Hippocampus eingehende Informationen verarbeitet.
Können Hanföl und CBD-Öl bei ADHS helfen?
Anders als das aus Samen der Pflanze hergestellte Hanföl, wird CBD-Öl in der Regel aus einem Mazerat oder aber einem anderen Blütenknospen-Auszug mithilfe der Destillation hergestellt. Da das Öl entweder ganz frei von THC ist oder der THC-Anteil unterhalb von 0,2 Prozent liegt, wirkt es nicht psychoaktiv.
Das Hauptcannabinoid im Nutzhanf ist die Cannabidiolsäure (CBDA), wobei der Anteil je nach Ernte, Verarbeitung und Lagerung schwanken kann. Von Bedeutung ist dies, wenn es um die unterschiedlichen Wirkungen geht. Zudem erhöht CBDA die Bioverfügbarkeit des CBD. Deshalb verspricht ein natürliches CBD-Öl auch eine höhere Wirksamkeit als das reine CBD-Extrakt.
Weitere Wirkstoffe bzw. Cannabinoide im Nutzhanf sind:
- Cannabigerol (CBG)
- Cannabinol (CBN)
- Cannabichromen (CBC)
- Tetrahydrocaanabinolosäure (THCA)
- Tetrahydrocannabivarin (THCV)
Gemeinsam entfalten diese Cannabinoide ihre Wirkung und tragen so zum therapeutischen Nutzen des Öls bei. Möglicherweise kann es bei ADHS-Patienten unterstützend wirken, um das Gleichgewicht im Dopamin-Haushalt wiederherzustellen. Belege für die Wirksamkeit existieren jedoch nicht. Von Vorteil ist allerdings, dass Nebenwirkungen durch die Einnahme des nicht bekannt sind. Lediglich bei einer Überdosierung kann es zu einem Blutdruckabfall, Müdigkeit, Schläfrigkeit und einem trockenen Mund kommen.
Hanföl
Hanfsamenöl (Hanföl) darf nicht mit dem Cannabidiol-Öl verglichen werden. Es handelt sich hierbei um zwei verschiedene Cannabis Produkte. Hergestellt wird Hanföl aus gepressten Hanfsamen, die nicht psychoaktiv wirken. Deshalb ist Hanföl auch in vielen Supermärkten neben anderen Ölsorten zu finden.
Das Besondere an Hanföl ist, dass dieses die wichtigen mehrfach ungesättigten Fettsäuren Omega 3 und Omega 6 enthält, die der Körper nicht selbst herstellen kann. Ein weiterer wichtiger Inhaltsstoff ist die seltene Gamma-Linolen-Säure.
Seit mehr als 20 Jahren wird angenommen, dass langkettige ungesättigte Fettsäuren an der ADHS beteiligt sind. Während der Entwicklung des zentralen Nervensystems, wie zum Beispiel für die Herstellung von Dopamin oder Serotonin, benötigt der Körper ungesättigte Fettsäuren und verschiedene Mikronährstoffe (Vitamine, Zink, Eisen etc.). Es wird vermutet, dass ADHS-Patienten einen zu niedrigen Omega-3-Fettsäuren-Spiegel haben, weshalb die Ernährung bei der ADS-/ADHS-Störung von Bedeutung ist.
Studienlage ist unklar
Die Studienlage ist aktuell noch unklar. Vieles spricht jedoch dafür, dass eine Nahrungsergänzungstherapie mit Omega-3- und 6-Fettsäuren die ADHS-Symptome vermutlich lindern könnte. So berichteten beispielsweise die Forscher der Autonomous University of Ciudad Juarez in Mexiko im Jahr 2014 darüber, dass eine Nahrungsergänzung mit Omega-3-Fettsäuren Konzentrationsprobleme sowie weitere ADHS-Symptome bei Kindern lindern konnte. Nach der dreimonatigen Studie hieß es, dass sich mehr als die Hälfte der Kinder besser konzentrieren konnten und aufnahmefähiger waren.
Im August 2017 kamen Forscher aus Großbritannien nach einer systematischen Überprüfung von 16 randomisierten kontrollierten Studien zu dem Schluss, dass sich Omega-3- und 6-Fettsäuren als Zusatztherapie für ADHS eignen könnten.
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Patientenakte: Florian Regano, 27, ADHS, NRW
Leafly.de Patientenakte: Patrick, 29, ADHS, Sachsen
Leafly.de Patientenakte: Dennis, 30, ADHS, NRW
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Hinweis: In diesem Artikel berichten wir über rezeptpflichtiges CBD oder auch Cannabidiol. Dieser Artikel macht zur möglichen Zweckbestimmung keinerlei Vorschlag. Nutzversprechen bleiben den Apothekern überlassen.
Quellen: