Eine Studie aus dem Jahr 2014 lieferte eine Sensation: Wissenschaftler um M.A. Bachhuber hatten Daten aus den Jahren 1999 bis 2010 ausgewertet und festgestellt, dass in Bundesstaaten, in denen Medizinalcannabis per Gesetz erlaubt ist, die Anzahl an Todesfällen durch eine Opioid-Überdosis langsamer anstieg und um 24,8 % geringer ausfiel als in Staaten ohne Zugang zu Medizinalcannabis.
Zwar wiesen die Autoren explizit daraufhin, dass die Zahlen alleine noch keine Aussagen über einen kausalen Zusammenhang zulassen, doch genau diese Botschaft blieb hängen: Cannabis reduziert Todesfälle durch Opioide.
Neue Ergebnisse aus Langzeitstudie: Opioid-Überdosis und Cannabiskonsum
Nun hat eine Forschergruppe sich die Daten bis ins Jahr 2017 angesehen – und kommt zu einem ganz anderen Ergebnis. Betrachtet man diesen langen Zeitraum, so dreht sich das Verhältnis am Ende sogar um: In Staaten, mit einem Gesetz zur Verwendung von Medizinalcannabis nahm die Zahl an Todesfällen aufgrund einer Opioid-Überdosis um 22,7 % zu. Die Wissenschaftler stellen heraus, dass nur etwa 2,5 % der Bevölkerung Medizinalcannabis einnehmen, während etwa 6 % der US-Amerikaner Opioide einnehmen. Es sei daher unwahrscheinlich, dass diese deutlich niedriger Zahl einen Einfluss auf die Gesamtpopulation nehmen kann.
Vermuteter Zusammenhang zwischen der Einnahme von Opioiden und Medizinalcannabis
Der theoretische Zusammenhang, der aufgrund der früheren Datenauswertung durch Bachhuber et al. vermutet wurde, basiert auf drei Annahmen:
- In Bundesstaaten mit Zugang zu Medizinalcannabis ist Cannabis stärker verfügbar.
- Menschen in diesen Bundesstaaten ersetzen Opioide durch Cannabis (zur Behandlung von Schmerzen, Nebenwirkungen der Opioide oder wegen beidem).
- Die Substitution von Opioiden durch Cannabis erfolgt in einer solchen Größenordnung, dass sie sich auf die Todesfälle durch Überdosis in der gesamten Bevölkerung merklich auswirkt.
Folglich müsste in Bundesstaaten, in denen der Freizeitkonsum legal ist, auch die Zahl der Opioid-Todesfälle geringer ausfallen. Auch das konnte durch die Daten nicht bestätigt werden. Theoretisch besteht die Möglichkeit, dass die Personen, die Medizinalcannabis einnehmen, und die Personen, die an einer Opioid-Überdosis sterben, unterschiedliche Menschen sind.
Gegenüber Leafly.de erklärt die Autorin der Studie, Chelsea L. Shover:
“Ja, es ist absolut möglich, dass es sich um zwei komplett unterschiedliche Personengruppen handelt. Um das zu untersuchen bräuchte man Daten der einzelnen Individuen im Zeitverlauf. Diese hatten wir nicht vorliegen, sodass wir dazu keine Aussage treffen können.”
Die Studie hat nicht untersucht, ob die zusätzliche Einnahme von Medizinalcannabis bei Patienten, die Opioide erhalten, eine Auswirkung auf die Menge der benötigten Opioid-Dosis hat. Das hatten mehrere Studien in der Vergangenheit nahegelegt.
In den USA starben im Jahr 2017 47.600 Menschen an einer Opioid-Überdosis, das sind 130 Menschen pro Tag. Bereits seit Jahren spricht man von der Opioid-Krise. Bei Amerikanern unter 50 Jahren sind Todesfälle durch eine Drogen-Überdosis, entweder durch medikamentenbedingt oder durch Drogen, inzwischen die Haupttodesursache. Zwei Drittel dieser Todesfälle entfallen auf Opioide.
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Quellen: