Cannabis und Sport: Was gilt als Dopingmittel?
Wenn Sportler unerlaubte Substanzen einnehmen, gilt das als Doping. Doping soll Athleten dabei helfen, bessere Leistungen bei Wettkämpfen zu erzielen. Die Welt Anti Doping Agentur (WADA) überprüft Profisportlerinnen und -sportler regelmäßig auf verbotene Substanzen – zu denen auch Cannabis gehört. Bis Anfang 2018 galt ein Verbot aller Cannabinoide (also nicht nur des THCs) in allen Sportarten während der Wettkämpfe. Ein positives Dopingergebnis führt zum Verlust von Medaillen und langen Sperren. Seit Anfang 2018 gehört CBD allerdings nicht mehr zu den illegalen Wirkstoffen im Sport.
Welche Substanzen und Methoden auf die Verbotsliste der WADA kommen, entscheidet ein Expertengremium: die sogenannte List Expert Group. Diese Experten richten sich nach drei Kriterien:
- Wirkt die Substanz oder die Methode leistungssteigernd?
- Schädigt sie die Gesundheit?
- Widerspricht sie dem Geist des Sports?
Die Verbotsliste wird einmal jährlich überarbeitet. Es gibt aber auch Ausnahmen: Wenn aktuelle und dringende Hinweise eines Missbrauchs vorliegen, kann die Liste auch vor Ablauf eines Jahres angepasst werden. Sie enthält alle Wirkstoffe und Methoden, die verboten sind. Dabei ist die Verbotsliste aufgeteilt in:
- Methoden und Substanzen, die jederzeit verboten sind.
- Substanzen, die nur im Wettkampf verboten sind.
- Substanzen, die nur in einigen Sportarten verboten sind.
Untersuchung: Cannabis keine leistungssteigernde Droge
Ist aber Cannabis überhaupt eine Substanz, die die Leistung von Athleten bei Training und Wettkampf steigert? Eine aktuelle Studie zeigt, dass es keinen Beweis dafür gibt. (Leafly.de berichtete.) In der Untersuchung ging es um die Frage, wie sich Cannabis auf die Gesundheit und die Leistung von Spitzensportlern in Training und Wettkampf auswirkt.
Hauptautor der Studie ist Mark Ware, Direktor für klinische Forschung an der „Alan Edwards Pain Management Unit“ der McGill Universität in Montreal, Kanada.
Sein Fazit: Es gibt keine Beweise für Cannabis als leistungssteigernde Droge. Die Wissenschaftler fanden in ihrer Studie auch keinen Beweis für gesundheitliche Schäden der Sportler durch Cannabis.
Cannabis und Sport: THC ist verboten
Der kanadische Profisnowboarder Ross Rabagliati gewann bei den Olympischen Winterspielen 1998 in Nagano eine olympische Goldmedaille im Riesenslalom. Nach seinem Sieg wurde sein Blut positiv auf Marihuana getestet. Daraufhin wurde er vom Internationalen Olympischen Comittee (IOC) disqualifiziert und seine Medaille aberkannt.
Für dieses Urteil gab es damals allerdings keine Rechtsgrundlage, da Cannabis zu diesem Zeitpunkt noch nicht als verbotene Substanz eingestuft war. Daher hob der internationale Sportgerichtshof (CAS) den Beschluss umgehend auf. Seit 1999 steht der Wirkstoff THC auf der Liste der verbotenen Dopingmittel.
Der Grenzwert für THC wurde 2013 angehoben. Aktuell muss der Urin von Athleten weniger als 150 Nanogramm THC pro Milliliter enthalten. THC-Abbauprodukte sind sehr lange im Urin nachweisbar – Tage bis mehrere Wochen. Daher sollten Athleten entsprechend lange vor dem Wettkampf ihren Cannabiskonsum einstellen.
Zwischen einmaligem Konsum und Dauerkonsum kann eine Haaranalyse unterscheiden: THC lagert sich bei Dauerkonsumenten im Haar ab. Darüber hinaus lagert sich THC-Carbonsäure auch ins Fettgewebe ein und wird von dort laufend freigegeben. Daher ist die Gefahr für Cannabis-Konsumenten hoch, positiv getestet zu werden.
Cannabis und Sport: WADA erlaubt CBD
Die Welt Anti Doping Agentur hat Cannabidiol (CBD) zum 1. Januar 2018 von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen.
“Cannabidiol ist nicht mehr verboten (…) Cannabidiol aus Cannabispflanzen kann jedoch auch unterschiedliche Konzentrationen an THC enthalten, sodass es bei zu starker THC-Konzentration verboten bleiben würde”, erklärt die WADA.
Somit ist die Einnahme von CBD-haltigen Produkten für die internationale Gemeinschaft der Athleten kein Problem mehr. Der Konsum von allen Nicht-CBD-Cannabinoiden, wie beispielsweise THC, bleibt weiterhin verboten und wird als Doping eingestuft.
CBD – Schmerzmittel für Sportler
CBD ist ein nicht-psychoaktives Cannabinoid, das bekannt ist für seine entzündungshemmenden Eigenschaften. Darüber hinaus kann CBD entkrampfend, angstlösend, schmerzlindernd und gegen Übelkeit wirken. Die antipsychotische Wirkung sowie die antidepressive Wirkung von Cannabidiol sind bekannt und werden aktuell in Studien erforscht.
Vor allem wegen seiner schmerzlindernden Eigenschaften setzen viele Profisportler auf CBD. Im Vergleich zu Opioiden hat es weniger Nebenwirkungen und macht nicht süchtig, selbst wenn es über einen längeren Zeitraum eingenommen wird. Darüber hinaus kann CBD die Zeit, die ein Sportler benötigt, um zu regenerieren, erheblich reduzieren. Dies liegt zum einen an den entzündungshemmenden Eigenschaften. Aber auch die Tatsache, dass Cannabidiol bei Schlafstörungen helfen kann, ist hier wichtig – denn Schlaf ist für die Erholung von Sportlern essenziell.
Cannabis und Sport – fast 90 % aller NFL-Spieler nutzen Cannabis zur Schmerzlinderung
Mittlerweile haben sich mehrere Profisportler öffentlich dazu bekannt, Cannabis in ihrer Freizeit oder vor und nach Wettkämpfen zu konsumieren. So zum Beispiel der Schwimmstar Michael Phelps und diverse Profis der amerikanischen National Football League (NFL).
Die NFL richtet sich nicht nach den Vorschriften der Welt Anti Doping Agentur (WADA). Die amerikanischen Profiligen haben ihre eigenen Regeln. Aber auch sie verbieten den Einsatz von Cannabis.
Martellus Bennett ist eine American-Football-Legende, der seine Profikarriere bereits beendet hat. Im Frühjahr überraschte der ehemalige NFL-Spieler mit der Aussage, dass fast 90 Prozent aller NFL-Spieler Marihuana verwenden. Bennett erklärte, dass Profisportler Cannabis nicht einnehmen, um high zu werden. Vielmehr benutzen sie medizinisches Cannabis als Alternative zu Opioid-Schmerzmitteln und anderen verschreibungspflichtigen Medikamenten.
„Es gibt Zeiten im Jahr, in denen dein Körper einfach so weh tut“, sagte Bennett. „Du willst nicht ständig Pillen schlucken. Es gibt entzündungshemmende Medikamente, die Du so lange einnimmst, bis sie anfangen, deine Leber, Nieren und andere Dinge anzugreifen.“
Cannabis und Sport – NFL verweigert Cannabis als Medizin
Möchte ein Sportler ein Medikament einnehmen, dass als verbotene Substanz eingestuft wird, hat er die Möglichkeit, eine “therapeutische Ausnahmegenehmigung” einzureichen. Das hat der American-Football-Profi Mike James gemacht: Er beantragte als erster Sportler die Ausnahmegenehmigung für Cannabis als Schmerzmittel bei der NFL. Die Anfrage wurde vorerst abgelehnt. Begründung: James könne nicht beweisen, dass er unter chronischen Schmerzen leide. Die Gespräche mit der National Football League dauern aber weiterhin an und James hofft, dass die Entscheidung nicht endgültig ist.
„Die therapeutische Ausnahmegenehmigung einzureichen war ein großes Risiko. Ich habe vielleicht meine Karriere dafür geopfert“, erzählte der Profisportler der BBC Sport. „Aber ich konnte nicht mehr davor weglaufen. Ich bin in der Lage, etwas zu tun, mir mein Leben zurückzugeben und den Spielern in der Liga zu helfen.“
Mike James leidet seit einer Knöcheloperation an chronischen Schmerzen. Dann kam die Sucht nach Schmerzmitteln:
„Zuerst habe ich die empfohlene Dosis genommen, aber dann habe ich sie erhöht, als ich Wege gefunden habe, zusätzliche Pillen zu bekommen“, erzählte der Spieler der BBC. „Ich hatte das Bedürfnis, unter allen Umständen auf dem Spielfeld sein zu müssen. Aber ich begann, meinem wirklichen Leben außerhalb des Footballs zu schaden.“
Studie zeigt: NFL-Spieler missbrauchen häufig Schmerzmittel
Profisportler – gerade im harten American-Football – müssen ihre Schmerzen mit Medikamenten behandeln. Häufig bekommen sie von den Ärzten eine Kombination verschiedener Opioide verordnet. Eine 2011 von der Washington University durchgeführte Studie ergab, dass 52 Prozent der befragten ehemaligen NFL-Spieler während ihrer Karriere Opioide verwendeten. Mehr als 70 Prozent dieser Spieler missbrauchten die Medikamente.
„Ich habe die schädliche Natur der Sucht nie wirklich verstanden“, erzählt Football-Profi James. „Ich habe gesehen, wie mein Vater mein ganzes Leben damit zu tun hatte, und ich dachte, es wäre eine Entscheidung, bis ich es selbst durchgemacht habe. (…) Sucht ist schlimm und sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden, aber Cannabis hat mir eine Alternative gegeben.“
Cannabis oder Karriere-Ende?
James begann Cannabis als Medizin anstelle von Schmerzmitteln zu verwenden, während er weiterhin in der NFL spielte. In seiner Heimat, dem Bundesstaat Florida, ist Cannabis für den medizinischen Gebrauch legal.
Wenn James kein Cannabis einnimmt, kann er wegen Krämpfen, Ischiasschmerzen, Gelenkschmerzen und Kopfschmerzen nicht trainieren. Der Sportler wurde im Jahr 2017 und 2018 von der NFL positiv auf Cannabis getestet. So entschied der Footballspieler, dass es an der Zeit sei, „offen und ehrlich“ mit seinem Cannabiskonsum umzugehen.
„Mike ist eindeutig jemand, der keine Schmerzmittel anwenden kann, da er eine lange Geschichte der persönlichen Sucht und eine lange Geschichte von familiärem Drogenmissbrauch hat“, erklärte James Ärztin Dr. Sue Sisley gegenüber BBC Sport.
Der Profi Mike James hofft darauf, dass sich eine gesellschaftliche Debatte entwickelt und die NFL am Ende Cannabis als Medizin zulässt. Ihm ist aber auch klar, dass das eigentliche Problem der schlechte Ruf von Marihuana ist und das Stigma, das dadurch auch Cannabis für den medizinischen Einsatz anhaftet. Die große Sorge der Ligen ist, dass sie Sponsoren verlieren könnten. Dr. Sisley, die im NFL-Beirat sitzt, stimmt James zu: Das Wort Cannabis sei „politisch radioaktiv“.
Cannabis und Sport – Ligen sollten Führungsrolle übernehmen
Beim amerikanischen Basketball-Profisport sieht es ganz ähnlich aus wie bei der NFL: Laut Deutschlandfunk besagen Schätzungen, dass mehr als zwei Drittel der Basketballprofis Cannabis konsumieren – obwohl es verboten ist, obwohl es Kontrollen gibt und Sperren drohen.
Der ehemalige NBA-Basketballer Al Harrington berichtete darüber, dass Cannabis bei Spielen und Training dazu gehörten. Und Experten wissen auch wieso: Marihuana oder Haschisch helfe bei der Bewältigung eines anstrengenden Trainings- oder Wettkampftages. Dank der beruhigenden Wirkung werden Menschen besser mit sportlichen Herausforderungen fertig.
Die amerikanischen Sport-Ligen tun sich mit Cannabis schwer. Dass ein Umdenken aber durchaus möglich ist, zeigt der ehemalige NBA-Chef David Stern. Der hat einst den Strafenkatalog für die Basketballer verschärft. Inzwischen hat Stern seine strikte Anti-Haltung revidiert. Unter anderem wegen der wachsenden Belege des therapeutischen Nutzens von Cannabis.
Daher plädiert David Stern inzwischen dafür, die Manteltarifverträge zu ändern und dem anzupassen, was in dem jeweiligen Bundesstaat legal ist.
“Die Ligen sollten eine Führungsrolle übernehmen“, so Stern.
Einen ersten Schritt zur Legalisierung von Cannabis als Medizin im Profisport hat bereits die Basketball-Liga BIG3 gemacht: Diese erlaubt CBD zur Schmerztherapie. THC ist aber auch hier weiterhin verboten.
Fazit: Cannabis und Sport – Schmerzmittel im Profisport
Es ist eine Tatsache, dass Profisportler ihre Schmerzen mit Medikamenten behandeln müssen. Häufig greifen Sie dazu zu Opioiden, viele wählen aber auch Cannabis als Medizin. Vor allem in den USA ist der Opioid-Missbrauch ein großes Problem.
Bisher gilt Cannabis im Profisport als Doping und ist verboten. Einzige Ausnahme ist da teilweise CBD, was beispielsweise die Welt Anti Doping Agentur (WADA) für ihre Athleten inzwischen erlaubt. Auch einzelne amerikanische Profi-Ligen schließen sich diesem Urteil an.
Eine aktuelle Studie zeigt, dass Cannabis weder die Leistung eines Sportlers steigert noch seine Gesundheit gefährdet. Wieso wird dann der Gebrauch von Cannabis noch immer als Doping eingestuft? Wie in der Gesellschaft auch, ändert sich die Einstellung zu Cannabis langsam im Profisport – vor allem, da der therapeutische Nutzen des Wirkstoffs immer deutlicher wird.
So hat auch der Doping-Experte und Pharmakologe Professor Dr. Fritz Sörgel sich im Gespräch mit dem Deutschlandfunk pro Cannabis als Medizin ausgesprochen:
„Wenn wir akzeptieren, dass im Sport Schmerz zur Hochleistung dazugehört, dann müsste man natürlich fast überlegen, ob man nicht sagt: Gerade dann könnte es zugelassen werden. Damit die Sportler nicht auf die Opioide zugreifen müssen, beziehungsweise auf die starken Schmerzmittel vom nichtsteroidalen Typ. Ein Thema, das uns in der Pharmakologie vor große Fragen stellt. Was es für die WADA nicht ganz einfach macht: dass in verschiedenen Ländern, das ist auch kulturell bedingt, unterschiedliche Schmerzmittel eingesetzt werden. Das Drama in den USA mit den Opioiden, das haben wir in Deutschland ja nicht annähernd so.“
Hinweis: In diesem Artikel berichten wir über rezeptpflichtiges CBD oder auch Cannabidiol. Dieser Artikel macht zur möglichen Zweckbestimmung keinerlei Vorschlag. Nutzversprechen bleiben den Apothekern überlassen.
Quellen: