Wie wirkt sich Cannabiskonsum auf die Fahrtüchtigkeit aus? Diese Frage untersuchten die Rechtsmediziner des Universitätsklinikums Düsseldorf mithilfe eines Fahrsimulators. Auf der 97. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin in Halle stellten die Experten die Ergebnisse ihrer Studie vor.
Diskussion um THC-Grenzwert
Die Rechtsmediziner erklärten, dass bisher nicht bekannt sei, wie stark Cannabis das individuelle Fahrvermögen beeinträchtigt. Experten gehen aus, dass in Deutschland ein bis zwei Prozent der Autofahrer unter dem Einfluss von Cannabis am Steuer sitzen. Bei einer Verkehrskontrolle gilt derzeit der Grenzwert von 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum. Im internationalen Vergleich ist dieser Wert eher niedrig.
Der Verkehrsgerichtstag hatte sich Anfang des Jahres dafür ausgesprochen, den Grenzwert für die Fahrtauglichkeit auf 3 Nanogramm anzuheben. Damit schließt sich die Expertenrunde der Einschätzung der Grenzwertkommisssion an. Leafly.de berichtete.
Test zu Cannabiskonsum im Fahrsimulator
Das rechtsmedizinische Institut der Universität Düsseldorf stellte in Halle erstmals eine Studie vor, die erforscht, wie lange der Konsum eines Joints die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt. Dazu absolvierten 15 Teilnehmer einen Test in einem Fahrsimulator.
Alle Probanden der Studie konsumieren regelmäßig Cannabis. Zuerst hatten sie die Gelegenheit, sich mit dem Simulator vertraut zu machen. Danach fand eine „Nüchternfahrt“ statt, die als Ausgangswert diente. Im Anschluss konsumierten die Testpersonen unter Aufsicht einen standardisierten Joint mit pharmazeutischem Cannabis.
Die nächste Testfahrt im Fahrsimulator fand direkt nach dem Cannabiskonsum statt. Darüber hinaus wurden drei und sechs Stunden nach dem Konsum das Fahrverhalten getestet. Die Rechtsmediziner vermuteten, dass ein Teil der Cannabiswirkung erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung auftritt.
Rebound nach sechs Stunden
Die Resultate der Studie bestätigen die Vermutungen der Rechtsmediziner. Unmittelbar nach dem Konsum von Cannabis hatten die Testpersonen im Vergleich zu ihren Ausgangswerten eine deutlich höhere Fehlerquote – nämlich sechs Mal so hoch. Nach drei Stunden dagegen fiel der Durchschnittswert wieder auf den Ausgangswert zurück. Erstaunlich ist das Ergebnis nach sechs Stunden: Jetzt stieg der Fehlerscore im Fahrsimulator auf das Dreifache des Ausgangswertes an.
Das subjektive Empfinden der Studienteilnehmer spiegelte den Rebound nicht wider: Die Testpersonen fühlten sich zu diesem Zeitpunkt fit. Auch die medizinische Untersuchung ergab keine Auffälligkeiten.
Insgesamt stellten die Forscher fest, dass es sehr starke individuelle Schwankungen bei der Cannabiswirkung auf das Fahrvermögen gab. Probanden mit einem sehr hohen THC-Wert von mehr als 15 Nanogramm waren zu jedem Zeitpunkt der Messung deutlich beeinträchtigt.
Wissenschaftliche Studien gefordert
Die Forschungsarbeit der Düsseldorfer Rechtsmedizin hat drei interessant Aspekte hervorgebracht:
- den enorm verzögerten erneuten Anstieg der Fahrbeeinträchtigung (Rebound)
- die tatsächlichen Testergebnisse stimmten nicht mit dem subjektiven Wirkungsempfinden überein
- die Betroffenen zeigten keine äußeren Anzeichen für ihre Fahrunsicherheit
Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Studie auf die Debatte um die Grenzwerte von THC im Straßenverkehr auswirken wird. Von mehreren Seiten kam in der Vergangenheit die Forderung nach mehr wissenschaftlichen Studien. So hat beispielsweise der ADAC gefordert, die Frage nach einem verbindlichen Grenzwert von THC im Blut wissenschaftlich zu untersuchen.
Das Thema Grenzwerte hinterm Steuer ist auch für Cannabispatienten wichtig, da es für sie zurzeit keine gesonderten Werte gibt. Daher fordert der ADAC zu klären, „welche Auswirkungen eine ordnungsgemäße Einnahme von Cannabis als Medikament auf das Fahrverhalten hat.“