Update: 17. Oktober 2019
Kanada ist nach Uruguay das zweite Land auf dieser Welt, in dem Anbau, Besitz und Konsum von Cannabis legal sind. Umso genauer sehen Befürworter und Gegner von Cannabis nun ein Jahr nach der Legalisierung auf die Zahlen. Kanada könnte zum Vorbild für Deutschland werden, oder auch nicht?
Als am 17. Oktober 2018 die Cannabis-Legalisierung in Kanada in Kraft trat, titulierte eine deutsche Tageszeitung „Kanada, ein Land auf Droge“. Kurz danach hörte man Mediziner auf einem Kongress scherzen, dass man Kanada nun mit C und zwei N schreibt und das Ahornblatt auf der Flagge gegen ein Cannabisblatt getauscht werden sollte.
Viel Skepsis und auch Unmut schwappte aus Europa über den Teich. Doch sind diese Zweifel begründet? Leafly macht den Faktencheck.
Fakt 1: Fünf Millionen Kanadier berichten von der Verwendung von Cannabis im 2. Quartal 2019
Kanada hat rund 37 Millionen Einwohner. Hiervon gaben rund 4,9 Millionen (16%) der Kanadier ab 15 Jahren an, dass sie in der Zeit von Mitte Mai bis Mitte Juni 2019 Cannabis konsumierten. Dies blieb gegenüber dem, was ein Jahr zuvor (vor der Legalisierung) für die Provinzen gemeldet wurde, und gegenüber den letzten Schätzungen für die Territorialhauptstädte unverändert.
Im zweiten Quartal meldeten 24% der Nova Scotians und 20% der Albertans, dass sie in den letzten drei Monaten Cannabis konsumierten, was über dem Durchschnitt des restlichen Kanadas (andere Provinzen und Landeshauptstädte zusammen) lag.
Auch der Cannabiskonsum in den letzten drei Monaten lag in allen drei Landeshauptstädten über dem nationalen Durchschnitt: Whitehorse (24%), Yellowknife (30%) und Iqaluit (32%). Unterdessen lag der derzeitige Verbrauch unter dem nationalen Durchschnitt in Quebec (10%).
Fakt 2: Der Cannabiskonsum im zweiten Quartal 2019 blieb im Wesentlichen unverändert gegenüber dem gleichen Quartal 2018
Immerhin: Die Zahl der Kanadier im Alter von 65 Jahren und älter berichteten über einen leichten Anstieg des Cannabiskonsums von 3% auf 5% in diesem Zeitraum. Der Cannabiskonsum bei den 15- bis 64-Jährigen ist dagegen stabil, je nach Altersgruppe zwischen 10% und 25%.
Fakt 3: Kanadische Männer ab 15 Jahren konsumieren Cannabis häufiger als Kanadierinnen
Neue Daten aus der National Cannabis Survey (NCS) zeigen, dass Männer und Frauen sich in der Art und Weise unterscheiden, wie sie Cannabisprodukte nach der Legalisierung erhalten und konsumieren.
Frauen berichten häufiger, dass sie Cannabis von Familie und Freunden bekommen als ihre männlichen Kollegen, was auch erklären kann, warum weniger Frauen für das Cannabis bezahlen, das sie konsumieren.
Der Einsatz von „anderen“ Methoden des Cannabiskonsums, wie „auf der Haut oder unter der Zunge“, ist auch bei Frauen häufiger anzutreffen. Männer berichten eher über den Konsum von getrocknetem Cannabis (Blüten) und Haschisch.
Fakt 4: Männer konsumieren fast doppelt so häufig Cannabis wie Frauen
Männer (21%) konsumierten in der ersten Jahreshälfte 2019 fast doppelt so häufig wie Frauen (12%). Dies galt für alle Altersgruppen mit Ausnahme der Senioren ab 65 Jahren.
Drei von fünf Frauen gaben an, nie Cannabis konsumiert zu haben (59%), verglichen mit etwas mehr als der Hälfte (51%) der Männer.
Etwa ein Drittel der Kanadier (Männer und Frauen) berichteten, dass sie in der Vergangenheit Cannabis probiert haben, aber keine aktuellen Konsumenten sind.
Nach kombinierten Daten aus dem ersten Halbjahr 2019 waren Männer (8%) doppelt so häufig am täglichen oder fast täglichen Konsum beteiligt wie Frauen (4%).
Fakt 5: Männer konsumieren Cannabis eher aus nicht-medizinischen Gründen
Die Kanadier wurden gebeten, ihren Hauptgrund für den Konsum von Cannabis anzugeben, d.h. für den nicht-medizinischen Gebrauch, für den medizinischen Gebrauch mit einem medizinischen Dokument, für den medizinischen Gebrauch ohne Dokument oder für den medizinischen und nicht-medizinischen Gebrauch.
Etwas mehr als ein Fünftel der Männer im Alter von 15 Jahren und älter berichteten in der ersten Jahreshälfte 2019 über den Konsum von Cannabis. Mehr als die Hälfte dieser Männer (52%) gaben an, Cannabis ausschließlich aus nicht-medizinischen Gründen zu konsumieren, während etwa 30% sowohl aus medizinischen als auch aus nicht-medizinischen Gründen konsumierten, und etwa ein Fünftel aus medizinischen Gründen (mit oder ohne medizinische Dokumentation).
In der Zwischenzeit berichtete etwa jede achte Frau (12%), dass sie in der ersten Jahreshälfte 2019 Cannabis konsumierte. Die genannten Gründe wurden ziemlich gleichmäßig auf „nur nicht-medizinisch“, „nur medizinisch“ oder „gemischt“ verteilt.
Fakt 6: Rauchen bleibt die beliebteste Konsumart
Das Rauchen bleibt die häufigste Methode des Cannabiskonsums. Etwa zwei Drittel der männlichen (68%) und weiblichen (62%) Konsumenten wählten in der ersten Hälfte des Jahres 2019 diese Methode.
Frauen (14%) gaben an, fast dreimal häufiger als Männer (5%), Cannabis durch „andere Methoden“ konsumiert zu haben, wie z.B. die Anwendung von Topicals oder Edibles.
Fakt 7: Qualität und Sicherheit stehen bei der Kaufentscheidung weiterhin an erster Stelle
Drei Viertel der Kanadier (76%), die in der ersten Jahreshälfte 2019 Cannabis konsumierten, nannten Qualität und Sicherheit als wichtige Kriterien beim Kauf von Cannabis. 42% schauten hauptsächlich auf den Preis. Etwa ein Drittel berichtete auch über die Zugänglichkeit (z.B. offene Abende und Wochenenden), die Lage (Nähe zum Haus) und die Verfügbarkeit einer bevorzugten Sorte.
Auch wenn Männer und Frauen viele Gemeinsamkeiten bei der Beschaffung von Cannabis teilen, gibt es einige Unterschiede. Frauen legen mit 22% doppelt so viel Wert auf eine gute Beratung, wie Männer mit 11%. Proportional legen Männer einen höheren Wert auf „Anonymität und Diskretion“ (19% der Männer gegenüber 12% der Frauen) und die Verfügbarkeit des bevorzugten Cannabissorte (20% der Männer gegenüber 11% der Frauen).
Fazit: Allen Unkenrufen zum Trotz ist die Zahl der jugendlichen Konsumenten nicht weiter angestiegen und bleibt auf einem stabilen Niveau. Cannabis als Einstiegsdroge zu bezeichnen, ist hier nicht angebracht. Das Modell Kanada muss weiter beobachtet werden, kann aber durchaus als Indikator und Vorbild für andere Länder, wie Deutschland, angesehen werden.
Ursprüngliche Meldung vom 17. Oktober 2018:
Cannabislegalisierung: Der 17.10.18 ist der Stichtag!
Die Cannabislegalisierung in Kanada ist ab dem 17. Oktober 2018 in Kraft. Das bedeutet, dass es Erwachsenen erlaubt ist, 30 Gramm Cannabis zu erwerben, zu besitzen und zu konsumieren. Außerdem darf jeder Erwachsene bis zu vier Cannabispflanzen besitzen. Allerdings gelten in den kanadischen Provinzen unterschiedliche Gesetze in Bezug auf den Kauf und Besitz von Cannabis und Cannabispflanzen Leafly.de berichtete.
In den Medien heißt es, dass die Kanadier im Jahr 2017 ungefähr vier Milliarden Euro für illegal erworbenes Cannabis ausgegeben haben. Mit der Cannabislegalisierung entstehe nun ein Milliardenmarkt. Justin Trudeau, der kanadische Premierminister, will mit der Cannabislegalisierung den Schwarzmarkt austrocknen.
„Wir werden ein System haben, das Cannabis von unseren Jugendlichen fernhält und dem organisierten Verbrechen den Profit nimmt“, erklärte Trudeau.
Laut Justus Haucap (Ökonom von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) könne dies durchaus gelingen.
„Es gelingt nicht, den Schwarzmarkt von einem auf den anderen Tag auszutrocknen. Das dauert eine Zeit“, führte Haucap aus, der aktuell an einer Studie zu den möglichen Steuereinnahmen durch die Cannabis-Legalisierung in Deutschland arbeitet.
Kanada: Einreise in die USA wird erschwert
Kanadische Staatsbürger könnten nach der Cannabis-Freigabe im eigenen Land Schwierigkeiten bekommen, in die USA einzureisen. Schon in den vergangenen Jahren kam es immer mal wieder zu Festnahmen an der Grenze.
US-Beamte warnen auch jetzt davor, dass jede Form der Teilnahme, einschließlich der Arbeit im Cannabisgeschäft, an der US-Grenze zu Problemen führen kann. So verfügen die Grenzschutzbeamten über weitreichende Befugnisse, um Kanadier über ihren aktuellen und früheren Drogenkonsum zu befragen. Laut Einwanderungsexperten kann ihnen die Einreise sogar lebenslang verboten werden.
Kein Cannabis bei Grenzübergang mitführen
Nach dem US-Bundesrecht ist Cannabis immer noch illegal, obwohl große Staaten wie Colorado und Kalifornien die Gesetze gelockert haben. Justin Trudeaus Regierung und Reisebüros warnen die Kanadier davor, in ihrem Gepäck Cannabis mitzuführen. Und das gilt nicht nur für den Freizeitkonsum von Cannabis, sondern auch für Medizianlhanf.
Schätzungen zufolge werden zukünftig 30 bis 40 Prozent der Kanadier nach der Legalisierung Cannabis konsumieren. Diese begeben sich an der Grenze zu den USA theoretisch in große Gefahr, da Grenzbeamte eine klare Aussage zum Cannabiskonsum erwarten. Wer lügt oder sich auffällig verhält, muss mit Sanktionen rechnen – schlimmstenfalls mit einem lebenslangen Einreiseverbot.
Einreiseverbot für Arbeiter und Investoren der Cannabis-Branche
Den USA scheint die boomende Cannabis-Industrie in Kanada nicht zugefallen. Laut den Medien gibt es sogar Überlegungen, gegen Arbeiter und Investoren aus der Cannabis-Branche ein Einreiseverbot zu verhängen. Dabei scheint es den USA nicht um den Cannabiskonsum an sich zu gehen, sondern vielmehr darum, von der blühenden Cannabis-Industrie in Kanada überrollt zu werden. Denn schließlich steckt in dem Cannabismarkt ein Multi-Milliarden-Potenzial. Darüber hinaus entstehen zahlreiche neue Arbeitsplätze in der Cannabis-Branche.
Mehr über den Cannabis Legalization Day bei unseren Kollegen von Leafly.com
Quellen: