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Cannabisrezept: ADHS-Patient scheitert vor Gericht

Gesa-2019 Autor:
Gesa Riedewald

Ein an der Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung ADHS leidender Patient ist vor Gericht gescheitert: Er klagte gegen seine Krankenkasse, die seinen Antrag auf Kostenerstattung für die Behandlung mit Cannabis als Medizin ablehnte. Die Richter gaben der Kasse recht: Der Nutzen von Medizinalhanf bei ADS/ADHS sei zweifelhaft.

Cannabisrezept: ADHS-Patient scheitert vor Gericht

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat aktuell entschieden, dass Cannabis als Medizin keine anerkannte Ausweichbehandlung bei ADS/ADHS sei. Daher hat das Gericht die Ablehnung der Kostenübernahme für das Cannabisrezept durch die Krankenkasse bestätigt.

Cannabisrezept nur für schwerwiegende Erkrankungen

In dem Verfahren ging es um einen 31-jährigen Mann aus Göttingen, der an einer ADS/ADHS-Erkrankung leidet. Laut Gericht verursachte die Therapie mit Ritalin Schwäche, Appetit- und Kraftlosigkeit. Der Mann wandte sich an einen Arzt und Aktivisten, der ihm Cannabis zur Symptombehandlung empfahl. Da der Arzt über keine Kassenzulassung verfügt, sollte die Verordnung in Zusammenarbeit mit einem zugelassenen Allgemeinmediziner erfolgen, der dann ein Cannabisrezept ausstellt.

Die Krankenkasse lehnte die Kostenübernahme mit der Begründung ab, dass keine schwerwiegende Erkrankung vorliege. Darüber hinaus sei die Verwendung von Cannabis bei ADHS medizinisch zweifelhaft. Im gerichtlichen Eilverfahren wollte der Patient die umgehende Versorgung mit Cannabis als Medizin erreichen.

„Nutzen von Cannabis bei ADHS zweifelhaft“

Das LSG hat nun die Rechtsauffassung der Krankenkasse bestätigt. Cannabis könne nur bei schwerwiegenden Erkrankungen verordnet werden. Bei dem Antragsteller sei die Diagnose ADHS aber nicht gesichert. So argumentierte das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in seiner Pressemeldung:

„Bei dem Antragsteller sei noch nicht einmal die Diagnose ADHS gesichert. Gesichert sei hingegen, dass er völlig auf die Medikation mit Cannabis fixiert sei. Der Arzt habe weder eigene Befunde erhoben, noch Diagnosen gestellt. Wegen seiner Therapiethesen sei er als Mediziner umstritten. Die medizinische Studienlage lasse den Nutzen von Cannabis bei dieser Erkrankung zweifelhaft erscheinen, denn Cannabis könne das Risiko für ADHS im Erwachsenenalter sogar steigern. Hyperaktive Symptome einer Erwachsenen-ADHS seien mit problematischem Cannabisumgang assoziiert.“

Piratenpartei kritisiert Urteil – Cannabis kann hilfreich sein bei ADS/ADHS

Die Piratenpartei Niedersachsen kritisiert das Gerichtsurteil. Nadine Witt-Luckmann ist Sprecherin für Drogen- und Suchtpolitik bei der Piratenpartei. Sie erklärt, dass es durchaus Studien gibt die zeigen, dass Cannabis bei ADS/ADHS helfen kann:

„Unabhängig von den speziellen Umständen um die Beurteilung des Gesundheitszustandes des Klägers bemängeln wir die Einschätzung der Krankenkasse und des Gerichts, cannabishaltige Medikamente würden bei einer ADS-/ADHS-Erkrankung keine Wirksamkeit haben und die Symptome sogar verstärken,“ so Nadine Witt-Luckmann. „Denn sehr wohl gibt es Studien, die genau das Gegenteil belegen. So untersuchte der US-Amerikaner Dr. David Bearman unter anderem den Zusammenhang zwischen dem Endocannabinoidsystem und ADHS. Das Ergebnis: Die Wirksubstanzen in Cannabis, die Cannabinoide wie THC oder CBD enthalten, können den Körper dabei unterstützen, den bei ADS- und ADHS-Patienten vorhandenen Dopaminmangel im Gehirn auszugleichen. Voraussetzung dafür ist, dass der Medizinalhanf bei ADHS bzw. ADS richtig dosiert und verabreicht wird. Und das sollte möglichst nicht in Eigenmedikamentation erfolgen, sondern unter ärztlicher Aufsicht. Und damit auch unter Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen.“

Nadine Witt-Luckmann bezieht sich in ihrer Argumentation auf den Artikel von Leafly.de zum Thema Cannabis bei ADHS und ADS.

Thomas Ganskow, kommissarischer Vorsitzender der Piratenpartei Niedersachsen, erklärt darüber hinaus, dass „das Bundesaufsichtsamt für das Arzneimittelwesen die Beurteilung, in welchen Fällen Cannabis-Medikamente verschrieben werden, den behandelnden Ärzten überlässt. Vielleicht hat der Kläger auch nur das Pech, die falsche Krankenkasse zu haben. Denn nicht alle sind so ablehnend gegenüber Cannabis-Medikamenten bei ADHS.“

Grüne und Linke wollen Therapiehoheit der Ärzte stärken

Die Linke wie auch die Grünen haben erst kürzlich jeweils einen eigenen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, um den sogenannten Genehmigungsvorbehalt der Kassen zu streichen. Nach den Plänen der beiden Parteien dürften die Krankenkassen in Zukunft keine Cannabis-Anträge und die Kostenübernahme für ein Cannabisrezept mehr ablehnen. Die Entscheidung, ob eine Therapie mit Medizinalcannabis sinnvoll ist oder nicht, würde dann komplett in den Händen der Ärztinnen und Ärzte liegen. Ziel ist, die Behandlung mit pharmazeutischem Cannabis zu erleichtern.

Für Niema Movassat, drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, untergraben die Krankenkassen mit ihren hohen Ablehnungsquoten den Sinn des Cannabisgesetzes:

„Unser Gesetzentwurf ist notwendig, weil die hohe Ablehnungsquote der Krankenkassen bei der Genehmigung der Kostentragung von Cannabis als Medizin, den gesetzgeberischen Willen unterläuft. Eine Ablehnung nach ärztlicher Indikation darf nur in „begründeten Ausnahmefällen“ gerechtfertigt sein. Dies ist offensichtlich nicht der Fall.“, erklärte Niema Movassat gegenüber Leafly.de.

Ausführliche Informationen zum Thema ADHS/ADS finden Sie in diesem Artikel.

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