Cannabidiol (CBD) ist ein Cannabinoid aus der Cannabispflanze, das nicht psychoaktiv wirkt. Medizinisch kann CBD entzündungshemmend, entkrampfend, angstlösend, schmerzlindernd und gegen Übelkeit wirken. Weitere medizinische Effekte wie die antipsychotische und antidepressive Wirkung werden aktuell erforscht. Wir haben einige neue Studien im folgenden Beitrag zusammengefasst.
Dravet-Syndrom: CBD kann Anfallshäufigkeit verringern
Die aus Frankreich stammende Ärztin Dr. Charlotte Dravet beschrieb das Dravet-Syndrom erstmals im Jahr 1978. Es handelt sich hierbei um eine schwere Epilepsieform, die bei zunächst gesunden Kindern im ersten Lebensjahr in Form von großen Anfällen (Grand Mal) auftritt oder aber als Anfälle, die nur eine Körperhälfte betreffen. Die Epilepsieanfälle dauern in der Regel mehr als 20 Minuten und können meist nur mit Medikamenten gestoppt werden.
Im fortschreitenden Krankheitsverlauf können neben den tonisch-klonischen oder fokalen Epilepsieanfällen auch Absencen oder Myoklonien hinzukommen, wobei die Häufigkeit der Anfälle im Erwachsenenalter tendenziell abnimmt. Die Prognose in Bezug auf die geistige Entwicklung ist häufig ungünstig und die Therapieresistenz stellt Mediziner vor eine große Herausforderung.
Zusätzlich zu den Epilepsieanfällen leiden Kinder mit einem Dravet-Syndrom auch oftmals unter weiteren Symptomen, die einer Behandlung bedürfen.
Hierzu gehören:
- Verhaltensauffälligkeiten (z. B. autistische Züge, oppositionelles Verhalten oder verzögerte Sprachentwicklung)
- Ataxie (Gangunsicherheit)
- Gleichgewichtsprobleme
- Hypotonie (niedriger Muskeltonus)
- Wahrnehmungsstörungen
- chronische Infekte
- Störungen des autonomen Nervensystems
Dabei können einige dieser Symptome durch eine medikamentöse Behandlung (Nebenwirkungen von Antiepileptika) begünstigt oder verstärkt werden.
Ursachen des Dravet-Syndroms
In der Mehrzahl aller Fälle beruht die Ursache auf einer Mutation oder des Verlusts des Gens SCN1A auf dem Chromosom 2. Dieses Gen enthält den Bauplan für das Eiweiß der Untereinheit Alpha, das für die Gehirnfunktion notwendig ist. Dieses Eiweiß sorgt also dafür, dass der Informationsfluss von einer Nervenzelle zur anderen funktioniert. Bei Kindern mit dem Dravet-Syndrom wird das Eiweiß nur unvollständig oder gar nicht produziert. Infolge dessen kommt es zu Störungen bei der Informationsvermittlung zwischen den Nervenzellen, sodass es zu epileptischen Anfällen und einer verzögerten Entwicklung kommt.
Aktuelle Studien zu CBD
Bereits im Jahr 2015 berichteten Forscher der David Geffen School of Medicine in Los Angeles davon, dass CBD in den Fokus der Forschung gerückt ist und als potenzielle Behandlungsmethode bei pädiatrischer Epilepsie, insbesondere dem Dravet-Syndrom, gesehen wird. Die Forscher versuchten, die Erfahrungen von Kindern mit infantilen Spasmen (IS) und dem Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS; schwere Epilepsieform im Kindesalter) zu dokumentieren, die mit CBD-angereicherten Cannabispräparaten behandelt wurden.
Es wurde eine Online-Umfrage bei Eltern durchgeführt, die CBD zur Behandlung der Epilepsie ihrer Kinder erhielten. Hieran nahmen Eltern von Kindern mit IS und LGS teil und es wurde nach der Wirksamkeit, Dosierung und Verträglichkeit gefragt. An der Umfrage nahmen 117 Eltern teil und die wahrgenommene Wirksamkeit und Verträglichkeit war in allen ätiologischen Untergruppen ähnlich. 85 Prozent aller Eltern berichteten über eine Verringerung der Anfallshäufigkeit und 14 Prozent berichteten über eine vollständige Anfallsfreiheit.
Ein hoher Anteil der Befragten berichtete über eine Verbesserung des Schlafs (53 Prozent), Wachsamkeit (71 Prozent) und Stimmung (63 Prozent) während der CBD-Therapie. Obwohl diese Studie eine mögliche Rolle von CBD bei der Behandlung von refraktärer Epilepsie im Kindesalter einschließlich IS und LGS nahelegt, stellt sie keinen zwingenden Beweis für die Wirksamkeit dar. Dennoch gaben die Ergebnisse Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit.
Im Jahr 2016 wurde am Comprehensive Epilepsy Center in New York eine Studie durchgeführt, an der mehr als 200 Patienten im Alter von 1 bis 30 Jahren mit schwerer Epilepsie teilnahmen, die vor Beginn der Studien stabile Antiepileptika-Dosen erhielten.
Die Patienten erhielten orales Cannabidiol in einer Dosis von 2-5 mg/kg pro Tag, bis zur Intoleranz oder bis zu einer Maximaldosis von 25 mg/kg oder 50 mg/kg pro Tag. Das primäre Ziel war die Ermittlung der Sicherheit und Verträglichkeit von Cannabidiol, die Wirksamkeit sowie prozentuale Veränderung der Anfallshäufigkeit. Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass CBD die Häufigkeit von Anfällen reduzieren könnte und ein angemessenes Sicherheitsprofil bei Kindern und jungen Erwachsenen mit hochgradig behandlungsresistenter Epilepsie haben könnte.
Die gleichen Forscher führten im Jahr 2017 eine weitere Studie durch und untersuchten 120 Kinder mit dem Dravet-Syndrom mit arzneimittelresistenten Anfällen, die entweder eine CBD-Lösung (20 mg/kg Körpergewicht) oder ein Placebo zusätzlich zur antiepileptischen Behandlung erhielten. Der primäre Endpunkt war die Veränderung der Häufigkeit von Krampfanfällen über einen Behandlungszeitraum von 14 Wochen im Vergleich zu einem vierwöchigen Basiszeitraum. Die Häufigkeit von Krampfanfällen pro Monat sank von 12,4 auf 5,9 mit einer CBD-Behandlung, verglichen mit einer Abnahme von 14,9 auf 14,1 mit einer Placebo-Behandlung. Als Nebenwirkungen wurden Müdigkeit, Durchfall, Erbrechen und Somnolenz beschrieben.
Im Ergebnis führten die Forscher aus, dass die CBD-Behandlung bei Patienten mit dem Dravet-Syndrom zu einer signifikanten Verringerung der Anfallshäufigkeit führte.
CBD kann das Nervengewebe schützen
Seit längerem wird davon ausgegangen, dass die Cannabinoide aus der Cannabispflanze unter anderem entzündungshemmend wirken, sowie das Nervensystem schützen und das Wachstum von Nervengewebe fördern können. Wie bereits in einem ausführlichen Beitrag zu Cannabis als Medizin bei Demenzerkrankungen berichtet, scheint es einen engen Zusammenhang zwischen dem Endocannabinoidsystem und dem Vorgang der Plaquebildung zu geben. Dieser Plaque (Beta-Amyloid) wirkt sich toxisch auf das Nervengewebe aus. Forscher hatten das Amyloid-Vorläuferprotein (APP) mit THC geimpft und stellten fest, dass sich das Beta-Amyloid nur noch in geringem Maße bildete.
Darüber hinaus werden Cannabinoiden antioxidantische Eigenschaften zugeschrieben, um schädliche freie Radikale im Körper zu bekämpfen. Auch Beta-Amyloid verursacht freie Radikale im Körper, wodurch die Neuronen und Synapsen im Gehirn geschädigt werden können. In unterschiedlichen Studien konnte gezeigt werden, dass CBD das Nervengewebe schützen und gleichzeitig das oxidative Absterben von Zellen verhindern kann.
Auch bei der Parkinson-Krankheit ist CBD vermutlich hilfreich zur Linderung der Symptome. Unter anderem konnte in einer kleinen Studie mit 21 Parkinson-Patienten gezeigt werden, dass diese mit einer täglichen CBD-Gabe ihre Lebensqualität erheblich verbessern konnten.
Besonders interessant ist eine aktuelle Studie. Forscher der University of Louisville School of Medicine haben die Ergebnisse ihrer Studie im Juni 2018 veröffentlicht. Hier wird beschrieben, dass CBD ein inverser Agonist an GPR3- und GPR6-Rezeptoren ist. Es wird angenommen, dass der GPR3-Rezeptor an der Alzheimer-Krankheit und der GPR6-Rezeptor an der Parkinson-Krankheit beteiligt ist. Weiter heißt es, dass die „Beobachtung, dass Cannabidiol als neuer inverser Agonist sowohl am GPR3 als auch am GPR6 wirkt, anzeigt, dass etwas von den möglichen therapeutischen Wirkungen von CBD (z.B. Behandlung der Alzheimer-Krankheit und der Parkinson-Krankheit) durch diese wichtigen Rezeptoren vermittelt werden könnte“.
Die komplexen Prozesse sind noch nicht erforscht, aber es gibt schon jetzt einige Studien, die Hoffnung geben. So spielt das Endocannabinoidsystem bei neurodegenerativen Erkrankungen eine wichtige Rolle, sodass die Cannabinoide THC und CBD im Kampf gegen diese Krankheiten großes Potenzial besitzen.
CBD gegen psychische Krankheiten
Über die Wirkungsmechanismen von CBD bisher noch wenig. Bekannt ist aber, dass CBD schwach an die Cannabinoidrezeptoren CB1 und CB2 bindet und dort blockierend als indirekter Antagonist zu vorhandenen Agonisten wirkt. Deshalb zeigt CBD lediglich eine Wirkung, wenn bereits Wirkstoffe am Rezeptor wirken. Interessant ist auch, dass CBD der THC-Wirkung entgegenwirkt. Die THC-Wirkung kann also mithilfe von CBD abgeschwächt werden.
Darüber hinaus wird durch CBD auch der Vanilloid-Rezeptor Typ1 (Capsaicin-Rezeptor), der bei der Schmerzwahrnehmung und der geschmacklichen Schärfe eine wichtige Rolle spielt, stimuliert. Außerdem konnte festgestellt werden, dass CBD die Konzentration des körpereigenen Cannabinoids Anandamid steigert, indem es den Abbau hemmt.
Die angstlösende, antidepressive und neuroprotektive Wirkung von CBD ist unter anderem damit zu erklären, dass CBD am 5-HT1A-Rezeptor andockt bzw. verdrängt es hier Agonisten. Zudem wirkt CBD am GPR55-Rezeptor antagonistisch und indirekt am μ- und δ-Opioid Rezeptor.
Im Jahr 2018 wurden die Ergebnisse verschiedener Studien zum Thema CBD gegen psychische Beschwerden veröffentlicht, unter anderem die folgenden:
- Die Forscher der University of Milan in Italien erläuterten, dass die bisherigen Ergebnisse darauf hinweisen, dass CBD vermutlich eine antipsychotische Wirkung haben kann und dass Patienten mit einer generalisierten Angststörung womöglich von CBD profitieren können.
- Die Forscher der University of Sao Paulo in Brasilien untersuchten die antidepressive Wirkung von CBD und kamen zu dem Schluss, dass dieser Effekt vermutlich mit dem Serotoninspiegel im zentralen Nervensystem zusammenhängt.
- Die Forscher der University of Wollongong in Australien führten aus, dass chronischer Cannabiskonsum mit einer beeinträchtigten Wahrnehmung und erhöhten psychologischen Symptomen, insbesondere psychotischen Symptomen, in Verbindung gebracht werden kann. Während angenommen wird, dass Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC) in erster Linie für diese schädlichen Wirkungen verantwortlich ist, soll CBD antipsychotische Eigenschaften haben und kognitive, symptomatische und Gehirnschäden bei Cannabiskonsumenten lindern. Im Rahmen der Studie konnten die Forscher feststellen, dass CBD von den Probanden gut vertragen wurde und dass es keine schädlichen Auswirkungen auf die psychologischen Funktionen gab. Zudem litten die Teilnehmer signifikant weniger unter depressiven und psychotisch-ähnlichen Symptomen. Eine erhöhte CBD-Konzentrationen wurde mit Verbesserungen der Aufmerksamkeitskontrolle und positiven Veränderungen der psychologischen Symptome gesehen. CBD könnte den Forschern zufolge eine nützliche Zusatzbehandlung bei einer Cannabisabhängigkeit sein.
- Ein Team aus Forschern führte eine Studie durch, an der Patienten mit Schizophrenie teilnahmen. Die Probanden erhielten neben ihrer antipsychotischen Medikation CBD oder ein Placebo. Nach einer sechswöchigen Behandlung zeigte sich, dass die CBD-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe weniger psychotische Symptome zeigte. Auch verbesserte sich die kognitive Leistungsfähigkeit der CBD-Gruppe. Die Ergebnisse legen laut den Forschern nahe, dass CBD auf eine Schizophrenie-Erkrankung eine positive Wirkung haben kann.
CBD und seine entzündungshemmenden Eigenschaften
Entzündungen werden unter anderem vom Endocannabinoid System gesteuert. Zahlreiche Studien haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass die Cannabinoide aus der Cannabispflanze entzündungshemmend wirken können. Auch einige aktuelle Studien legen nahe, dass CBD hilfreich sein könnte.
- Forscher der Dahlhousie University in Kanada untersuchten die entzündungshemmende Wirkung von Cannabinoiden an den Cannabinoidrezeptoren CB1 und CB2 bei Hornhautverletzungen. Nachdem die kauterisierten Augen von Labormäusen mit CBD, THC oder dem CBD-Derivat HU-308 behandelt wurden, kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass die Gabe von THC, CBD und HU-308 sowohl den Schmerz als auch die Entzündungsreaktion hemmte. Während die entzündungshemmende Wirkung von THC primär über den CB1-Rezeptor vermittelt wurde, aktivierten CBD und HU-308 den CB2- sowie den 5-HT1A-Rezeptor. Cannabinoide könnten eine neuartige klinische Therapie für Hornhautentzündungen und damit verbundene Schmerzen sein, schlussfolgerten die Forscher.
- An der Stanford University wurden drei Patienten mit der blasenbildenden Hauterkrankung Epidermolysis bullosa untersucht, die ihre Erkrankung mit CBD behandelten. Ein Patient konnte bei der CBD-Behandlung die oralen Opioidanalgetika absetzen. Zudem berichteten alle drei Patienten von einer schnelleren Wundheilung, weniger Blasenbildung und Reduzierung der Schmerzen.
- Britische Forscher stellten im Rahmen einer klinischen Studie fest, dass CBD für die symptomatische Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen nützlich sein könnte.
Hinweis: In diesem Artikel berichten wir über rezeptpflichtiges CBD oder auch Cannabidiol. Dieser Artikel macht zur möglichen Zweckbestimmung keinerlei Vorschlag. Nutzversprechen bleiben den Apothekern überlassen.
Quellen: