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CBD – sowohl psychoaktiv als auch berauschend?

Autor:
Dr. Christine Hutterer

Cannabidiol (CBD) gilt als nicht berauschend und nicht psychoaktiv. Doch beides ist offenbar nicht (ganz) richtig, wie eine neue Untersuchung eindrucksvoll zeigt. 

CBD – sowohl psychoaktiv als auch berauschend?

Was bedeutet Psychoaktivität?

Eine Substanz wird als psychoaktiv bezeichnet, wenn sie im zentralen Nervensystem eine Wirkung entfalten kann und wenn sie die Hirnfunktionen beeinflusst, sodass temporäre Veränderungen der Wahrnehmung, Stimmung, des Bewusstseins oder des Verhaltens eintreten. CBD hat bekanntermaßen nicht dieselben Effekte wie THC oder andere psychoaktive Substanzen. Dennoch ist es in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und direkt an Rezeptoren im zentralen Nervensystem zu binden. CBD kann an den CB1-Rezeptor binden und, abhängig von der Dosis, den Rezeptor stimulieren oder blockieren. Damit wirkt CBD als Modulator, der die Weiterleitung von Signalen verstärken und vermindern kann.

Die neuroprotektiven und antipsychotischen Wirkungen, die von CBD ausgehen, entstehen aufgrund der Psychoaktivität. Allein die Tatsache also, dass CBD an Rezeptoren im zentralen Nervensystem bindet und eine Reaktion auf bestimmte Körperfunktionen und Empfindungen auslösen kann, macht es per Definition zu einer psychoaktiven Substanz.

Ein Rausch durch CBD? Kann das sein?

Die Definition von Psychoaktivität leuchtet ein und auch mit der Tatsache, dass CBD eben doch aus den genannten Gründen psychoaktiv ist, kann man gut leben. Doch dass CBD auch berauschend sein soll, erscheint fragwürdig. Sicher ist, dass CBD keinen Rausch erzeugt, wie beispielsweise das THC.

Eine Studie unter der Leitung der renommierten australischen Cannabisforscherin Nadia Solowij wollte mehrere Hypothesen bezüglich CBD, THC und deren Interaktion testen (dazu später mehr). In einer doppelblinden randomisierten Plazebo-kontrollierten Versuchsreihe an 36 Personen wurden verschiedene Konstellationen getestet. Unter anderem bekamen die Testpersonen, von denen 18 regelmäßige Cannabiskonsumenten und 18 Personen mit geringer Cannabiserfahrung in der Vergangenheit waren, eine 400 mg-Dosis CBD über einen Vaporizer. Festgehalten wurden die subjektiven Einschätzungen der Testpersonen, die nicht wussten, ob sie ein Placebo, CBD allein oder eine Kombination aus CBD und THC erhalten hatten. Zusätzlich notierten geschulte Beobachter ihre Eindrücke zum Zustand der Testpersonen in einem standardisierten Erfassungsbogen (Clinician Administered Dissociative States Scale, CADSS). Die Beobachter waren ebenfalls verblindet, sie wussten nicht, welche Person was bekommen hatten.

Ergebnisse der Studie

Die Auswertung der Angaben der Beobachter ergab einen leichten, aber nicht signifikanten Trend für einen stärkeren Rauschzustand durch CBD als durch das Placebo. Die Angaben der Testpersonen war eindeutiger. Die Testpersonen, sowohl die regelmäßigen als auch die unregelmäßigen Nutzer, hatten ein deutlich höheres (und signifikant erhöhtes) Rauschempfinden durch CBD im Vergleich zu Placebo. Der Rausch hielt länger als eine Stunde an. Im Vergleich zu THC wurde der CBD-Rausch jedoch schwächer empfunden.

Die Testpersonen berichteten von einem dissoziierten Zustand, einer Entfremdung von der eigenen Person (Depersonalisation) und einem Gefühl von unwirklicher Umgebung (Derealisierung). Auch die innere und äußere Wahrnehmung war verändert. Schläfrigkeit oder Benommenheit wurde nicht empfunden. Das war in vielen anderen CBD-Studien der Fall und entspricht den Berichten von Anwendern. Ein Unterschied, der für die unterschiedlichen Ergebnisse verantwortlich sein könnte, ist die Art der Einnahme. In den meisten Studien wird CBD in hohen Dosierungen oral verabreicht. So konnte in einer Studie mit einer oralen Dosis von 600 mg CBD depersonalisierende Symptome, die durch die Einnahme von Ketamin verursacht wurden, durch CBD abgeschwächt werden. In der aktuellen Studie wurde CBD vaporisiert. Möglicherweise bewirkt die hohe Bioverfügbarkeit und geringe Zeit bis ins Blut und damit das zentrale Nervensystem durch die Vaporisation diese Effekte.

Die Autoren stellten also überrascht fest, dass mittelhohe bis hohe Dosierungen von CBD beim Vaporisieren dissoziative Zustände über einen längeren Zeitraum verursachen.

CBD kann Effekte durch THC verstärken und abschwächen

Die Wissenschaftler machten noch eine weitere interessante Entdeckung. Bisher ging man aufgrund einer Reihe von Untersuchungen davon aus, dass CBD die psychoaktiven und unerwünschten Effekte von THC entgegenwirken und diese abschwächen kann. Ganz so einfach ist es aber offenbar nicht. Die Wissenschaftler um Nadia Solowij fanden heraus, dass er von der CBD-Dosis im Verhältnis zur THC-Dosis abhängt, ob dieser Abschwächungseffekt eintritt.

In einer Versuchsanordnung erhielten die Teilnehmer eine THC-Dosis von 8 mg und eine CBD-Dosis von 4 mg (Verhältnis THC:CBD = 2:1) (THC+CBDlow). In einer zweiten Anordnung erhielten die Testpersonen 8 mg THC und 400 mg CBD (THC+CBDhigh), und in einem dritten Versuch 8 mg THC ohne CBD. Jede der Formulierungen wurde durch Vaporisierung eingenommen.

Verglichen die Forscher die Intensität des Rauschzustandes (Benommenheit, Depersonalisation, Derealisierung) von THC alleine, THC+CBDlow und THC+CBDhigh, so war die Intensität bei den unregelmäßigen Cannabis-Nutzern mit der niedrigen CBD-Dosis am höchsten, gefolgt von THC alleine und THC+CBDhigh. Bei den regelmäßigen Nutzern lag die Intensität von THC+CBDlow und THC alleine gleich auf.

CBD ist nicht harmlos

Die Autoren geben einen Erklärungsversuch über die biochemischen Mechanismen, die hinter diesen Erkenntnissen stecken könnten. Doch diese Hypothesen müssen noch experimentell untersucht werden.

Eine wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass CBD in mittelhohen bis hohen Dosierungen bei der Einnahme durch Vaporisation einen Rauschzustand verursacht. Bisher hielt man CBD als nicht berauschend.

Eine weitere wichtige Erkenntnis der Versuche ist, dass CBD in niedriger Dosierung, also z.B. wie hier verwendet im Verhältnis von 1:2 von CBD zu THC die Wirkungen von THC nicht abschwächt, sondern sogar verstärkt! Dieser Effekt war bei unregelmäßigen Nutzern deutlich stärker als bei regelmäßigem Konsum. Bei einer deutlich höheren Menge an CBD relativ zu THC entfaltet CBD die bereits früher beobachteten abschwächenden Effekte. Diese Daten sind u.a. für die Auswahl geeigneter Cannabis-Sorten für die Therapie wichtig. Patienten, die neu mit einer Cannabistherapie beginnen und keine Erfahrung mit der Substanz haben, sollten, wenn therapeutisch sinnvoll und möglich, eher Sorten bekommen, die einen höheren Anteil an CBD enthalten.

Die Untersuchung zeigt auch, dass CBD immer einen Effekt im Körper bewirkt, und eine Anwendung nicht unkontrolliert erfolgen sollte. Auch wenn die Dosierungen, die durch Cannabis-Öle aus dem freien Handel erreicht werden, deutlich unter den Dosierungen liegen, die im Rahmen medizinischer Therapien (z. B bei Epilepsie) teilweise eingesetzt werden (bis zu 20 mg/kg Körpergewicht).

 

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