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Christines Welt: Was für ein Jahr

Christine Kaiser Christines Welt Patientenvideos Autor:
Christine Kaiser

Christine ist palliative Brustkrebspatientin und Patientenvertreterin. Auf Leafly.de berichtet sie über ihren Alltag und ihre Erlebnisse. Zu Beginn des neuen Jahres blickt sie auf ihr persönliches 2019 zurück. Noch im Februar oder März letzten Jahres hätte sie nicht damit gerechnet, jetzt diese Kolumne schreiben zu können.

Christines Welt: Was für ein Jahr

Frohes neues Jahr ihr Lieben!

Ich wünsche euch für 2020 gute Gespräche, verlässliche Freunde und dass sich eure Wünsche erfüllen. Schließlich ist das der Beginn eines neuen Jahrzehnts und die zurückliegenden 10 Jahre waren wohl für die meisten Menschen eine wirkliche Herausforderung.

In den letzten Wochen habe ich mich mit meinen behandelnden Ärzten und Physiotherapeuten bzw. den tollen Pflegern und Schwestern im IOZK unterhalten. Wir haben gemeinsam festgestellt, dass niemand von uns im Februar und März auch nur 5 Euro darauf verwettet hätte, dass ich heute in meiner Küche sitzen und meine Kolumne schreiben würde. Und weil das auch für mich etwas ganz Besonderes ist, nehme ich euch mit auf meine Zeitreise durch 2019.

Januar bis März

Im Januar 2019 hatte ich noch sehr mit den Nachwirkungen der Bestrahlung Ende 2018 zu tun und meine Ehe litt stark unter der Belastung, die eine chronische Krebserkrankung mit sich bringt. Meinem Mann ging es psychisch sehr schlecht und die Stimmung Zuhause war so angespannt, dass wir beide nicht wussten, ob wir zusammenbleiben wollen.

Zum Glück hatte ich ja seit Dezember 2018 Cannabis als Medizin und das half mir sehr dabei, meinen Lebensmut nicht zu verlieren und mich auf die schönen Dinge des Lebens zu fokussieren. Im Dezember hatte ich mich außerdem entschlossen, einem kleinen, bereits 8-jährigen Pudel ein neues Zuhause zu geben. Und so zog Boje am 16.01.2019 bei uns sein.

Im Februar kam ein Team von RTL zu uns nach Hause. Den ganzen Tag über wurde ich begleitet und ließ das Team an meinem Alltag mit Cannabis als Medizin teilhaben. Leider waren letztendlich nur 30 Sekunden zu sehen und der ganze Bericht war ziemlich haarsträubend und unsinnig.

Am 26.02. war ich zum ersten mal im IOZK und ließ mein Blut analysieren. Ich merkte bereits, dass der Krebs aktiver wurde und wusste, dass ich unbedingt eine Therapie finden muss, um am Leben zu bleiben. Die Therapie im IOZK war mein einziger Strohhalm.

Bei einer Verlosung hatte ich 2 Karten für Bastian Bielendorfer gewonnen und nutzte die Gelegenheit, um meine Freundin Inge für ein paar Tage zu besuchen. Gemeinsam erlebten wir im März wundervolle Tage und einen sehr lustigen Abend.

April bis Juni – das Jahr schreitet voran

Mitte April erhielt ich endlich – den Antrag hatte ich bereits im November 2018 gestellt – meinen neuen Schwerbehindertenbescheid mit einem GdB von 100 und dem Merkzeichen G.

Nachdem ich auf Facebook und Instagram schon lange als livingwithmetastaticcancer schreibe, startete ich mit meinem kleinen Blog auf christinek.lilysvoice.org.

Der Befund vom IOZK traf ein und die Testergebnisse waren nicht gut. Keine der klassischen Therapien für hormonrezeptorpositivem Brustkrebs werden bei mir wirken. KEINE! Den Befund schickte ich an das Westdeutsche Tumorzentrum nach Essen, um mir dort Ende April eine Zweitmeinung zu den Ergebnissen zu holen. Allerdings konnte niemand etwas für mich tun, denn es gibt für meine spezielle Situation weder eine Studie noch andere Therapieoptionen. Mir bleibt also nur noch die Therapie im IOZK.

Sehr liebe Freunde von mir starteten die Spendenaktion auf gofundme, um mich zu unterstützen und mir die Therapie im IOZK zu ermöglichen. Die Kosten müssen die Patient*innen erst einmal selbst tragen, bis das Antragsverfahren auf Kostenübernahme der Krankenkasse genehmigt wird.

Im Mai durfte ich für den Blog einer sehr lieben Freundin einen Artikel schreiben und auf einem ganz tollen Festival so viele wunderbare andere Krebspatient*innen treffen. Einige von ihnen, die ich sehr lieb gewonnen hatte, sind mittlerweile verstorben.

Mir ging es zusehends schlechter: Der Krebs ging mir mittlerweile wirklich an die Substanz, meine Haut wurde schon fahl und meine Augen verloren ihren Glanz. In dieser Situation begann ich – mit der ersten Ablehnung der Krankenkasse auf dem Schreibtisch – die Therapie im IOZK. Und schon während dieses ersten Zyklus sah man deutlich, wozu der Newcastle Disease Virus in der Lage ist.

Im Anschluss fuhren wir mit unserem VW Bus für ein paar Tage auf einen Campingplatz nach Dänemark, um etwas Urlaubsgefühl in ein Krebsleben zu bringen. Es war wundervoll!

Christine Kaiser

Juli bis September

Der Juli startete mit dem 2. Zyklus der Therapie im IOZK und mir ging es in der Zwischenzeit wirklich schon spürbar besser, auch wenn die Tumormarker weiterhin steil nach oben kletterten.

Dann erscheint meine erste Kolumne auf Leafly.de. Ich bin stolz wie Bolle! Mitte des Monats gab es ein ganz wundervolles Treffen in Berlin mit vielen Brustkrebsschwestern, die der Einladung der Kooperationsgemeinschaft Mammografie folgten. Ein wundervoller Tag, der nur noch dadurch getoppt wurde, dass ich von Leafly.de eingeladen wurde, die Protagonistin des 2. Patientenvideos zu werden.

Es ist August und die erste Erhaltungstherapie und der große Wirksamkeitstest im IOZK stehen an. Mir geht der Popo massiv auf Grundeis, denn das Ergebnis zeigt, ob die Therapie so anschlägt, wie wir alle uns das wünschen.

Dann kommt es: Das PET CT zeigt, dass einige Metastasen zur Ruhe gekommen sind, meine Beckenknochen und der 11. Brustwirbel aber dringend Unterstützung mittels Strahlentherapie benötigen, um nicht völlig kaputt zu gehen. Entsprechend ist der September insgesamt mit Terminen für die Bestrahlung geprägt, da ich nur 4 pro Woche vertrage.

Nebenbei freuen wir uns auf unseren Urlaub im November, der uns in die Sonne führen soll.

Oktober bis Dezember – das Jahr kann weg!

Der Oktober ist der Brustkrebsmonat, sodass ich sehr viel mit diesem Thema zu tun hatte. Ich durfte Teil einer Fotokampagne sein, die zur Früherkennung auffordert und dazu, das Brustkrebsscreening mittels Mammografie, Ultraschall oder MRT zu nutzen.

Gemeinsam mit knochenmarc durfte ich für seinen Kanal ein Interview in 2 Teilen geben und ein bisschen über mein Leben und meinen Umgang mit der Krebserkrankung plaudern und wie ich es schaffe, dennoch positiv zu sein.

Als Nächstes stand wieder die Erhaltungstherapie im IOZK auf dem Programm und die Tumormarker sinken endlich. Jetzt zeigt sich in den Laborwerten, was ich schon die ganze Zeit spüre. Ein Hoch auf mein Körpergefühl und meine Intuition!

Außerdem darf ich für den Deutschlandfunk ein Interview zum Thema Cannabis als Medizin und meine persönlichen Erfahrungen geben.

Ende November wollten wir eigentlich nach Ägypten fliegen um ein wenig Sonne und Ruhe zu tanken. Daraus wurde leider nichts, denn eine fette fiebrige Erkältung kettete erst mich und dann auch noch meinen Mann ans Bett.

Die letzte IOZK Erhaltungstherapie für dieses Jahr stand im Dezember auch noch auf dem Programm. Und damit mir bis zum Ende des Jahres nicht langweilig wird, rutschte ich eine Treppe herunter und zog mir eine dicke fette Rippenprellung zu, von der ich auch heute noch etwas habe.

Naja, zum Glück ist nichts gebrochen, das hätte ich nun wirklich nicht gebraucht.

Fest stand allerdings auch, dass das Jahr endgültig wegkonnte. Ihr wisst, was ich meine, oder?

Und nun auf in ein neues Jahrzehnt

Ich freue mich wirklich, dass ich hier heute sitze und es mir erstaunlich gut geht.

Ich habe viel an Kondition und Muskulatur eingebüßt, aber bin fleißig dabei alles wieder aufzubauen.

Man kann sagen, ich bin auf einem guten Weg und bin ganz gespannt, was die nächste Erhaltungstherapie und das ein paar Tage später stattfindende PET CT im Februar zeigen wird.

Bis zum nächsten Mal, lasst es euch gut gehen!

Eure Christine

 

Mehr zu Christine

Trotz ihrer schweren Krebserkrankung setzt sich Christine bei bei LiLy’s Voice Europe gUG als ehrenamtliche Geschäftsführerin und Patientenvertreterin für andere Patienten ein. LiLy’s Voice ist eine europaweit tätige gemeinnützige Organisation, die Patienten mit Lip- und Lymphödem sowie Dercum Erkrankung unterstützt und informiert. Darüber hinaus bietet Christine als erfahrene Cannabis-Patientin anderen Betroffenen Unterstützung bei ihrem Cannabis-Antrag für die Krankenkasse. Aber auch wenn es um Widerspruch geht, hilft die ehemalige Krankenschwester. Hier geht es zu Christines Patientenakte auf Leafly.de

Und hier zum Spendenaufruf bei gofundme.

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