Das Cannabis-Gesetz ist im März 2017 in Kraft getreten. Wie ist der Stand nach vier Monaten? Burkhard Blienert, der drogenpolitischer Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion, hat uns Antworten auf viele Fragen gegeben.
Leafly.de: Herr Blienert, das Gesetz „Cannabis als Medizin“ ist am 10. März in Kraft getreten. Nun ist es gute vier Monate alt. Sind Sie mit dem Gesetz zufrieden?
Burkhard Blienert: Erst einmal bin ich sehr glücklich über dieses Gesetz, obwohl es leider etwas spät gekommen ist. Ich hätte mir gewünscht, dass wir die Regelung schon früher umsetzen können. Aber es war auch ein langer Abstimmungsprozess mit vielen Gesprächen im Vorfeld. Letzten Endes haben die sich aber gelohnt: Dass wir das Gesetz im Bundestag einstimmig beschlossen haben, mit allen Parteien, freut mich sehr. Und ich bin auch sehr zufrieden darüber, dass wir die Therapiehoheit des Arztes im Gesetzestext verankern konnten.
Leafly.de: Hält das Gesetz denn in der Praxis, was es verspricht? Wie sind die Auswirkungen für die Patientinnen und Patienten?
Burkhard Blienert: Wir erhalten viel Feedback von Patienten und ich bin mir sehr wohl bewusst, dass es bei manchen Betroffenen Schwierigkeiten bei der Genehmigung ihrer Cannabis-Therapie gibt. Wir hören auch Klagen darüber, dass der Preis von Cannabis in der Apotheke sich verdoppelt hat. Das sind alles Probleme, die wir im Blick haben. Daher ist es mir auch sehr wichtig, dass wir uns nach der Bundestagswahl, egal wie sie ausgeht, sofort daran setzen und an einer Novellierung des Gesetzes arbeiten. Erfahrungsgemäß wird es eine Weile dauern, bis diese Novellierung steht – daher müssen wir sie auch sofort in der neuen Legislaturperiode angehen.
Leafly.de: Sie haben es ja gerade selbst erwähnt: Viele Patienten beschweren sich, dass die Krankenkassen ihre Anträge auf Kostenerstattung ablehnen …
Burkhard Blienert: Wir benötigen schnelle Lösungen für diejenigen Patienten, die von ihrer Krankenkasse einen abschlägigen Bescheid erhalten haben. Hier kann ich als Parlamentarier aber nur anmahnen – handeln muss das Bundesgesundheitsministerium. Noch einmal: Das neue „Cannabis-Gesetz“ ist ein riesiger Fortschritt, aber in der Umsetzung gibt es noch Probleme.
Leafly.de: Gerade der Punkt Therapiehoheit – dass keine bestimmten Indikationen im Gesetz genannt werden, sondern der Arzt frei entscheiden kann, ob Cannabis sinnvoll ist oder nicht – führen die Krankenkassen als Problem des Gesetzes an. Was sagen Sie dazu?
Burkhard Blienert: Die Therapiehoheit war uns enorm wichtig und wir sind froh, dass wir sie erreicht haben. Im Gesetz steht, dass der Arzt Therapiehoheit bei schwerwiegenden Erkrankungen hat – wir wollten die Entscheidungsmacht des Arztes nicht einengen. Das begründet sich auch mit der dünnen Studienlage. Und alle Parteien waren sehr glücklich über diese Formulierung. Aber in der Praxis zeigt sich leider jetzt, dass das Zusammenspiel zwischen Ärzten, Krankenkassen und dem MDK noch nicht so gut klappt. Da müssen wir noch nachbessern. Darüber hinaus sind sich viele Ärzte noch unsicher, wann eine Therapie mit Cannabis sinnvoll ist. Hier brauchen wir dringend Fortbildungen, damit die Ärzte sich auch sicher fühlen, Cannabis zu verschreiben.
Leafly.de: Denken Sie, dass das neue Gesetz ein Schritt in Richtung Legalisierung ist?
Burkhard Blienert: Nur indirekt. Die Einstimmigkeit im Bundestag war nur möglich, weil wir das Thema medizinisches Cannabis völlig getrennt haben vom Thema Legalisierung. Ich selbst spreche mich für Modellprojekte aus und eine Expertenkommission, die sich mit der Novellierung des BtMG auseinandersetzt. Es ist ja auch kein Geheimnis, dass die SPD sich vor meiner Zeit nicht klar zu dem Thema positioniert hat. Hier ist jetzt innerhalb der SPD eine Debatte angestoßen worden, die mich sehr freut und die uns der Entkriminalisierung ein großes Stück näher bringt. Das ist schon mal ein riesiger Schritt nach vorn.
Leafly.de: Herr Blienert, vielen Dank für dieses Gespräch.