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Depression – noch immer ein Tabu

Gesa-2019 Autor:
Gesa Riedewald

Depression ist eine Volkskrankheit. Im schlimmsten Fall kann sie tödlich enden. Auch viele Cannabispatienten leiden – neben weiteren Erkrankungen – an einer depressiven Störung. Daher nehmen wir den Europäischen Depressionstag zum Anlass, dieses wichtige Thema in den Fokus zu rücken. Denn Depression darf kein Tabu mehr sein.

Depression – noch immer ein Tabu

Was haben Cara Delevingne, Jim Carrey und Sebastian Deisler gemeinsam? Jeder von ihnen kämpfte gegen eine schwere Depression. Und alle drei gingen damit in die Öffentlichkeit und machten ihre Erkrankung bekannt. Das ist nicht einfach – nicht in der Welt der Promis, aber oft auch nicht in unserem ganz alltäglichen Leben. Wer aber an einer Depression erkrankt und darüber offen und ohne Scham redet, trägt dazu bei, psychische Erkrankungen zu einem normalen Gesprächsthema für alle Betroffenen zu machen – berühmt oder nicht.

Über das Tabuthema sprechen – Europäischer Depressionstag

Am 1. Oktober war der Europäische Depressionstag. Seit 2004 setzen sich medizinische Fachkräfte und Organisationen aus 17 europäischen Ländern dafür ein, das Bewusstsein der Bevölkerung für die Erkrankung Depression zu stärken. Denn trotz medialer Berichterstattung ist sie noch immer ein Tabuthema.

350 Millionen Menschen leiden unter Depression

Depressionen zählen in unserer modernen Welt inzwischen zu den Volkskrankheiten. Schätzungen zufolge leiden weltweit circa 350 Millionen Menschen unter einer Depression. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird die Erkrankung bis zum Jahr 2020 global die zweithäufigste Volkskrankheit sein.

Eine depressive Episode kann jeden Menschen treffen – unabhängig von Alter oder Bildung. Die Betroffenen leiden meist unter gedrückter Stimmung und Antriebsschwäche. Alltägliche Aufgaben können zu einer unüberwindbaren Hürde werden. Die Patient*innen verlieren das Interesse an Dingen sowie die Fähigkeit, sich zu freuen. Häufig leiden sie unter schlechtem Schlaf. Teilweise auch unter dem Verlust von Appetit, Gewicht und Libido.

Wenn eine Depression unbehandelt bleibt, kann sie zu einer schwerwiegenden Erkrankung werden. 10 bis 15 Prozent aller schwer depressiv erkrankten Menschen sterben durch Suizid. Insgesamt erkranken in Deutschland jedes Jahr circa 5,3 Millionen Menschen an einer Depression – und die Erkrankung ist ein zunehmender Grund für Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung.

“Wir müssen Bewusstsein und Aufmerksamkeit schaffen”

Daher erklärte auch Prof. Dr. Dietrich, Ärztlicher Direktor der Burghof-Klinik in Rinteln und Vertreter der European Depression Association (EDA) in Deutschland, anlässlich des 16. Europäischen Depressionstages:

„Wir müssen noch mehr Bewusstsein und Aufmerksamkeit schaffen, damit die Erkrankung bei Betroffenen rechtzeitig erkannt wird. Das gelingt nur, wenn offen über Depressionen geredet wird und man ihr gemeinsam und entschlossen begegnet.“ Und weiter: „Depressionen können wirkungsvoll behandelt werden, insbesondere wenn sie frühzeitig erkannt werden. Das setzt voraus, dass die Betroffenen über ihre Erkrankung informiert sind und hierüber sprechen. Einer der ersten Ansprechpartner ist der Hausarzt“, führt Prof. Dietrich aus.

Was erschreckt: Lediglich ein Drittel der in Deutschland Erkrankten – so Expertenschätzungen – erhält professionelle Hilfe. Dies liegt vor allem an Unwissen, Vorurteilen und dem immer noch vorherrschenden Stigma psychischer Erkrankungen. Die EDA hat sich zum Ziel gesetzt, dies zu ändern.

Krankschreibungen wegen psychischer Probleme mehr als verdreifacht

Der aktuelle Psychoreport der DAK-Gesundheit zeigt, dass 2018 in Deutschland jede*r 18. Arbeitnehmer*in wegen einer psychischen Erkrankung im Job fehlte. Somit waren hochgerechnet 2,2 Millionen Menschen betroffen. Am häufigsten fehlten diese mit der Diagnose Depression. Die Zahl der Krankschreibungen wegen psychischer Probleme hat sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdreifacht.

2017 erreichten die Krankschreibungen aufgrund von psychischen Leiden mit 250 Fehltagen pro 100 Versicherte einen Höchststand. 2018 gingen sie erstmals leicht um 5,6 Prozent zurück. Seelenleiden lagen damit im vergangenen Jahr bundesweit auf dem dritten Platz der Krankheitsarten.

Der DAK-Psychoreport ist eine Langzeit-Analyse, für die das IGES Institut die anonymisierten Daten von rund 2,5 Millionen erwerbstätigen Versicherten ausgewertet hat.

Nicht mehr Erkrankungen – bessere Diagnose

Aber was sagen uns diese Zahlen? Nach Angaben der DAK heißt das Ergebnis des Psychoreports nicht zwingend, dass es in der Bevölkerung einen Anstieg psychischer Erkrankungen gibt. DAK-Vorstandschef Andreas Storm ist vielmehr der Meinung, dass die Entwicklung auf einen offeneren Umgang mit psychischen Problemen zurückgehe:

„Vor allem beim Arzt-Patienten-Gespräch sind psychische Probleme heutzutage kein Tabu mehr“, so Storm. „Deshalb wird auch bei Krankschreibungen offener damit umgegangen.“

Werden also Depressionen und andere psychische Erkrankungen heute einfach besser erkannt als früher? Ist das der Grund für die gestiegenen Zahlen? Diese Einschätzung teilen nicht alle. „Arbeitsstress macht krank. Viele Beschäftigte können ein trauriges Lied davon singen. Das darf nicht heruntergespielt werden“, so Jutta Krellmann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, gegenüber dem Spiegel. Für die Politikerin steht fest, dass eine gestiegene Arbeitsbelastung die Ursache für die hohen Krankschreibungszahlen ist.

Frauen häufiger betroffen

Der DAK-Psychoreport zeigt außerdem, dass Frauen deutlich häufiger wegen Seelenleiden krankgeschrieben werden als Männer. Darüber hinaus nehmen die Fehltage wegen psychischer Leiden mit dem Alter kontinuierlich zu.

Eine andere Studie aus diesem Jahr belegt, dass mehr als ein Drittel aller Arbeitnehmer (37 Prozent), die vorzeitig aus dem Beruf ausscheiden, dies aufgrund einer psychischen Krankheit wie Burn-out, Depression oder Angststörungen tun. Das ist ein Anstieg von knapp 40 Prozent zum Jahr 2009. Die Daten stammen aus einer Studie des bayerischen Versicherers Swiss Life.

Auch diese Untersuchung zeigt, dass Frauen häufiger betroffen sind als Männer: Knapp die Hälfte (44 Prozent) aller Frauen werden wegen eines psychischen Leidens berufsunfähig, bei Männern sind es nur 28 Prozent.

Cannabinoide und Depression

Zahlreiche Untersuchungen haben die stimmungsaufhellende, antidepressive und entspannende Wirkung von Cannabis gezeigt. Dabei können die Cannabinoide Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) oder Cannabidiol (CBD) nicht nur die Stimmung positiv beeinflussen, sie können auch bei Ängsten helfen.

Darüber hinaus können Cannabinoide Schmerzen lindern – was auch für viele Menschen mit einer depressiven Erkrankung relevant ist. Studien haben gezeigt, dass Menschen mit chronischen oder entzündlichen Schmerzen fast fünfmal anfälliger für eine Depression oder Angststörung sind, verglichen mit der Durchschnittsbevölkerung. Zudem sprechen Schmerzpatienten, die gleichzeitig depressiv sind, schlechter oder gar nicht auf eine Behandlung mit Medikamenten wie Antidepressiva an.

Hier können Sie mehr zu Depressionen und Medizinalcannabis lesen.

In zahlreichen Studien berichten Patienten, die Cannabis als Medizin gegen Schmerzen eingenommen haben, dass sie ebenfalls von der stimmungsaufhellenden Wirkung der Arznei profitieren.

Auch eine große Zahl der Cannabispatienten, die wir von Leafly.de interviewt haben, nutzen Medizinalcannabis gegen Schmerzen und Depressionen. Zum Beispiel Pascal und Sven, die beide an Fibromyalgie leiden. Darüber hinaus können Depressionen und soziale Phobien auch als Begleiterkrankungen von ADHS bei Erwachsenen auftreten. Das ist bei unseren interviewten Patienten Dennis und Steven der Fall.

Quellen:

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