Eine große Zahl der Cannabispatientinnen und -patienten, die wir von Leafly.de interviewt haben, leiden an einer Depression. Cannabis als Medizin soll nur schwer Erkrankten zur Verfügung stehen. Und schwere, chronische oder sogar tödliche Erkrankungen bedeuten selbstverständlich eine große seelische Belastung für die Betroffenen. Daher ist es nicht erstaunlich, dass diese Krankheiten mit Depressionen oder depressiven Verstimmungen einhergehen.
Diagnose Depression
Was sind die Hauptsymptome?
- gedrückte Stimmung
- Interessenverlust
- Freudlosigkeit
- Antriebsarmut
- Tagesmüdigkeit
Als zusätzliche Symptome können auftreten:
- Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
- Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
- Schuldgefühle, Gefühl der Wertlosigkeit
- Negative Zukunftsgedanken
- Suizidgedanken oder Gedanken an Selbstverletzung
- Schlafstörungen
- Appetitlosigkeit
Schmerzen und Depression
Einige unserer Patientinnen und Patienten nutzen Medizinalcannabis gegen ihre Schmerzen sowie gegen ihre psychischen Symptome. Wer ständig unter Schmerzen leidet, ist meist von einer Depression nicht weit entfernt.
Pascal, Sven, Birgit und Matthias haben eine diagnostizierte Fibromyalgie. Cannabinoide helfen ihnen gegen das Schmerzsyndrom. Gleichzeitig hellen sie die Stimmung auf, lassen die Schmerzpatientinnen und -patienten zur Ruhe kommen und nachts besser schlafen.
Das Fibromyalgie-Syndrom tritt oft gemeinsam mit seelischen Beschwerden auf. Das können Nervosität, innere Unruhe, Niedergeschlagenheit oder Antriebsarmut sein. 30 Prozent der Betroffenen entwickeln eine Depression, aber auch Angststörungen sind nicht selten bei Fibromyalgie-Erkrankten.
Pascal: 22 Medikamente abgesetzt
Pascal leidet schon seit seiner Kindheit an Schmerzen und Depressionen. Im Laufe seines Lebens hat er viele Schmerz- und Schlafmittel sowie Antidepressiva ausprobiert. Auch eine Gesprächstherapie war dabei. Aber alle Medikamente konnten seine Schmerzen nur zu rund 25 Prozent reduzieren. Hinzu kamen schreckliche Nebenwirkungen wie Panikattacken und Grand mal-Anfälle.
Als Pascal im März 2017 zu einem neuen Arzt ging, empfahl der ihm Medizinalcannabis. Eigentlich war das undenkbar für den jungen Familienvater, aber er probierte es aus – und es half tatsächlich. Mit der Cannabinoid-Therapie konnte Pascal seine Schmerzen um 80 Prozent reduzieren.
Inzwischen hat der Mann aus dem Saarland dank Cannabis als Medizin 22 seiner 23 vorher eingenommen Medikamente absetzen können. Nach einer Zeit der Einstellung und des Ausprobierens hat Pascal die Cannabissorte gefunden, die ihm hilft und die er verträgt. Damit hat er seine Schmerzen und Beschwerden „gut im Griff“, wie er selbst sagt.
Birgit: “Ich fühle mich mehr im Reinen mit mir selbst”
Birgit ist Bibliothekarin, aber inzwischen nicht mehr berufstätig. Die Fibromyalgie-Patientin wurde immer depressiver. Und das, obwohl sie eine multimodale Schmerztherapie unternahm, die auch eine Verhaltens- und Psychotherapie einschließt. Dazu trieb sie der Krankheit angepasst Sport.
Als wir das erste Mal über die Berlinerin berichteten, nahm sie Sativex ein. Aber bereits damals war Birgit nicht vollkommen zufrieden mit dem Medikament. Inzwischen ist sie von Sativex auf ein Vollspektrum Cannabisextrakt umgestiegen. Dieser hilft ihr dabei, die Schmerzen wie auch ihre psychischen Symptome in den Griff zu bekommen:
“Mit dem Vollspektrum-Extrakt wird die psychische Komponente meiner Erkrankung besser bedient als bei Sativex. Ich bin gelassener und fühle mich mehr im Reinen mit mir selbst. Früher bedeuteten kleine Probleme häufig eine Katastrophe mich. Inzwischen ist meine Toleranz höher geworden.”
Matthias: “Tag für Tag tiefer in die Depression”
Bei Matthias bestimmten die Schmerzen das ganz Leben – obwohl der junge Mann erst 27 Jahre alt war, als wir ihn interviewten. Durch die Schmerzen entwickelte er eine Depression, lebte sozial isoliert und konnte nicht arbeiten. Die Spirale schien sich immer mehr nach unten zu drehen:
“Wahrscheinlich können sich das viele Menschen nicht vorstellen, wie der Schmerz das Leben beherrschen kann. Man will vorankommen, doch der Körper spielt nicht mit. Das macht einen täglich traurig. So taucht man Tag für Tag tiefer in eine Depression, was den Zustand nur verschlimmert.”
Mit Cannabis als Medizin hat der junge Mann eine Lösung gefunden, mit der es ihm gut geht.
ADHS und Depression
Depressionen und soziale Phobien können auch als Begleiterkrankungen von ADHS bei Erwachsenen auftreten. Das ist bei unseren interviewten Patienten Dennis, Steven und Marcus der Fall.
Die drei erwachsenen Männer leiden an dem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS). Lange Zeit hat man geglaubt, dass die Erkrankung nur bei Kindern und Jugendlichen auftritt. Tatsächlich aber leiden etwa 60 Prozent der Betroffenen bis ins Erwachsenenalter an ADHS. Allerdings nimmt dann die Hyperaktivität ab und andere Symptome treten in den Vordergrund.
Typische Symptome für das adulte ADHS sind innere Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten, exzessives Reden und sprunghaftes Verhalten. Fast alle erwachsenen ADHS-Patienten fühlen sich ruhelos und getrieben. Typischerweise tritt bei den Betroffenen eine deprimierte Stimmung auf, die als Unzufriedenheit oder Langeweile beschrieben wird.
Den Alltag meistern
Dennis leidet an ADHS und einer sozialen Phobie. Mit Medizinalcannabis ist er im Alltag viel weniger eingeschränkt. Er hat seine Symptome sogar so weit im Griff, dass er wieder arbeiten kann – was ihm ohne Cannabis als Medizin nicht möglich ist. Da seine Krankenkasse die Behandlung allerdings nicht bezahlen will, befindet sich der junge Mann zurzeit im Rechtsstreit mit der Kasse.
Steven leidet an ADHS, Depressionen und vielen weiteren Erkrankungen. Mit Cannabis als Medizin geht es ihm gut. Leider kann er sich sein Medikament aber nicht ständig leisten. Da er es selbst bezahlen muss, ist er inzwischen in eine schwere finanzielle Notlage geraten und lebt im Männerwohnheim.
Auch Marcus wurde mit Antidepressiva behandelt, die aber sehr unangenehme Nebenwirkungen mit sich brachten. Allerdings war er ohne die Medikamente psychisch labil. Dann erhielt Marcus das Mundspray Sativex auf Privatrezept. Die Wirkung war zwar gering, aber er wusste, dass eine Cannabinoid-Therapie das Richtige für ihn ist. Er musste sich auf einen sehr weiten Weg begeben, von Arztpraxis zu Arztpraxis und auch mit seiner Krankenkasse lange Kämpfe ausfechten. Aber am Ende erhielt er Cannabis auf Rezept.
Autismus und Depression
Niko und Laurin leiden an Autismus und Depressionen. Bei Menschen mit Autismus werden häufig noch andere Diagnosen gestellt: ADHS, Epilepsie, Angststörung oder Depression. Ein Großteil der Autismus-Betroffenen hat auch eine psychische Störung. Angststörungen und Depressionen sind hier am häufigsten.
Dass Autismus und Depression oft zusammentreffen ist nicht erstaunlich, wenn wir bedenken, was autistische Menschen erleben: Das Gefühl, nicht akzeptiert zu werden, anders zu sein, ausgegrenzt zu werden, begleitet viele Betroffene ihr Leben lang. In solch belastenden Situation reagieren viele Menschen mit psychischen Störungen.
Medikamente, Nebenwirkungen, Medikamente
Bei Niko ist der Autismus eher mild ausgeprägt. Nach der Schulzeit entwickelte er Migräne und eine Depression. Allerdings litt er sehr stark unter den Nebenwirkungen der Medikamente. Ein paar Jahre später kam Epilepsie dazu. Die Medikamente wurden immer mehr und die Nebenwirkungen unerträglicher – bis Niko zusammenbrach.
Mehrmals ließ er sich in eine Klinik einweisen. Er war an einem Tiefpunkt in seinem Leben angekommen. Dann verschrieb ihm eine Psychiaterin Medizinalcannabis. Nach und nach verschwanden seine diversen Symptome und innerhalb eines Jahres konnte er seine anderen Medikamente absetzen. Niko arbeitet inzwischen in der IT-Branche und hat nur noch wenige Beschwerden.
Hier können Sie mehr zu Depressionen und Medizinalcannabis lesen.
Das Leben in den Griff bekommen
Laurin war schon als Kleinkind auffällig. In der Schule konnte er sich nicht einfügen, war unkonzentriert und konnte nicht still sitzen. Der Arzt diagnostizierte ADHS, was mit Medikamenten behandelt wurde. Allerdings entwickelte Laurin in den nächsten Jahren eine schwere Depression.
Er zog sich immer mehr in sich zurück, verletzte sich selbst. Weil er soziale Kontakte miet, keine berufliche Perspektive hatte und zunehmend passiv wurde, bewältigte er auch seinen Alltag immer schlechter. Mehrmals brach er zusammen, hatte Suizidgedanken und machte mehrere Therapien – ambulant und stationär. Schließlich stellten die Ärzte einen atypischen Autismus fest.
Als Laurin Cannabis als Medizin versuchte, war er verblüfft von dem Effekt: Er hatte klare Gedanken, die sich nicht mehr ständig um sich selbst drehten und seine Stimmung wurde positiv. Darüber hinaus konnte er nach Jahrzehnten endlich wieder normal schlafen und essen. Der junge Mann empfand Lebensfreude, Interesse und Aufmerksamkeit.
Krebs und Depression
Wer eine Krebsdiagnose erhält, fühlt Angst oder Verzweiflung. Depressive Symptome treten häufig gemeinsam mit einer Krebserkrankung auf. Was passiert jetzt mit mir? Wie soll die Zukunft werden? Das sind Fragen, die Krebspatientinnen und -patienten quälen.
In Krebs: eine Zusammenfassung unserer Patientenakten haben wir bereits über die tapferen Menschen mit Krebs berichtet, die bei Leafly.de erzählt haben, wie ihnen Cannabis als Medizin dabei hilft, mit ihrer Krankheit umzugehen. Auch darüber, wie Cannabinoide sie bei ihren depressiven Symptomen unterstützen, wird hier berichtet.
Hier finden Betroffene Hilfe und Informationen:
Fibromyalgie-Liga Deutschland e.V.