Nur einige Statistiken geben Anhaltspunkte, gewonnen aus den Verläufen vieler MS-Patienten. Anhaltspunkte und Statistiken sind aber keine Gewissheiten, zudem schubfreie Zeiten oder nur langsame Verschlechterungen keine Garantien für das nicht erneute „Aufflammen“ von Krankheitsaktivitäten sind.
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Es ist der „Ritt auf dem Pulverfass“. Das Leben hält eigene Wege bereit
Grundlegend ist festzustellen, dass bei Betroffenen verschiedene Funktionen des Nervensystems an verschiedenen Stellen im Körper gelöscht sind. Das bringt verschiedenartige Ausfallerscheinungen mit sich, bis hin zum völligen Versagen. Die „Software“ arbeitet nicht mehr richtig oder hat gänzlich den „Job“ aufgegeben. Dies wiederum führt zu Fehl- oder Nichtansteuerungen der „Hardware“.
Funktionsverlangsamungen bis hin zur völligen Lähmung der „Ausführungsorgane“, eben wegen Nichtansteuerung und damit die Unmöglichkeit der Befehlsweiterleitung. Das heisst dann: Behinderungen!
Dies können zum Teil äußerlich sofort erkennbare Einschränkungen, wie Gehbehinderung oder andere motorische Ausfälle, Sprachstörungen, und so weiter sein, oder „versteckte“ Behinderungen, wie Blasenstörungen, Missempfindungen, Störungen der Sexualfunktion – multipel eben! Der Begriff „Vielfalt“ fällt mir in diesem Zusammenhang schwer.
Geschwächte oder für die ursprüngliche Funktion nicht vorgesehene „Ausführungsorgane“ (zum Beispiel Muskelsysteme) werden von geschwächten und schnell überlasteten Nerven an-, nicht an- oder fehlgesteuert. Nicht mehr „original“ angesteuerte Ausführungsorgane verkümmern oder verkürzen sich (Muskeln). Dennoch versuchen viele Betroffene mit großen Willensanstrengungen nur noch schwer mögliche „Ausführungen“, wie Gehen, Stehen, Greifen und so weiter zu schaffen.
Das ALLES mündet oft in Haltungsstörungen, Überlastungen und schlussendlich SCHMERZ. Ergänzt durch die Wirkung der Erkrankung, auch allgemeine Schmerzzustände hervorzurufen, kann so ein unerträglicher SCHMERZ-MIX entstehen, der die Lebensqualität erheblich negativ beeinflussen kann. Zudem treten bei der MS auch häufig spastische Zustände auf.
Spätestens hier erscheinen Schmerzbehandlungen aller Art und „SCHMERZ-CHEMIE“ verschiedenster Art auf der Lebensbühne der Betroffenen
Die Behandlung mit medizinischem Cannabis ist eine Schmerzchemie, die sorgsam angewandt mir gute Erfolge bei der Verbesserung meiner Lebenssituation bringt. Dabei erscheint es mir wichtig, neben der Prüfung der allgemeinen Verträglichkeit, die individuelle Wirkung gut und geduldig auszutesten.
Da ich stark gehbehindert bin und meine Füße kaum oder kein „Feedback“ zur Bodenhaftung und Stellung im Raum an mein Koordinierungssystem zurück funken, brauche ich meine Augen und eine starke Konzentration bei jedweder Bewegung.
Gleichzeitig schränken mich aber auch starke Rückenschmerzen wegen jahrelanger Fehlhaltungen enorm ein.
Zwischen den Polen „Schmerz“ und „Kontrolle“ hatte ich eine für mich praktikable Dosierung des Sativex herauszufinden. Das hat Zeit benötigt und es gab einige Fehlversuche, doch davon an anderer Stelle. Aktuell nehme ich eine relativ schwache Dosierung ab Mittag und am Abend (geringe Bewegungsaktivitäten), an Wochenenden mehr und habe eine nicht mehr zu missende Schmerzlinderung erfahren.
Jochen Gutjahr