Eingangs ist mir wichtig festzustellen, dass ich fast drei Jahrzehnte mit meiner „Multiplen Sklerose“ nicht allein bin, dass mir Hilfe zuteil wurde und wird und dass ich dafür dankbar bin.
Eingangs ist mir aber auch wichtig zu erwähnen, dass ich mir seit Langem eine stärker auf den/die Betroffene(n) bezogene Betrachtung und Behandlung verschiedener Fachdisziplinen gemeinsam wünsche.
Multiple Sklerose, und es klingt fast etwas abgedroschen, wird als Erkrankung mit den „tausend Gesichtern“ bezeichnet. Gemeint ist, dass die schwere Erkrankung eine große Palette von Symptomen mit sich bringen kann, will sagen, es gibt keine Eindeutigkeiten, keine Sicherheiten, kaum gesicherte Verlaufsformen und Prognosen – es gibt nur die Statistik. Statistik heißt aber eben auch, dass der „See“ mit einer durchschnittlichen Tiefe von einem Meter an einigen Stellen auch zehn Meter tief sein kann. Für Nichtschwimmer eher ein unsicheres Terrain.
Unsicher oder mit geringem Engagement erscheinen häufig auch Hilfshinweise, Umgangsregeln und Behandlungsvorschläge für MS-Betroffene. Hinweise von Laien und Fachleuten, geschuldet einerseits der Vielfalt der möglichen Wirkungen der MS und andererseits dem Rückzug auf sicheres Terrain. Das führt aus der Sicht von Betroffenen fatalerweise manchmal zu großen Problemen bei der Behandlung.
„Meine MS“ ist seit einiger Zeit überwiegend stabil. Die Schübe treten entsprechend meines bisherigen Musters noch immer auf, d.h. Frühjahrs und Herbstattacke, sie sind aber von fast zu vernachlässigender Intensität. Das hat sich in den letzten Jahren so entwickelt. Es ist neurologisch etwas „Ruhe eingezogen“.
Eine der Folgen meiner MS ist jedoch eine stark rechts betonte Schwäche im Bein und seit Jahren zunehmend extreme Schmerzen. Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich, in der Hüfte, im rechten Bein, d.h. Knie bis zum Fuß. Das ist seit Langem kein Spaß und führte und führt zu einem immer schlechteren Gangbild, erfordert die Benutzung von Gehhilfen und die Einnahme von starken Schmerzmitteln. Dennoch versuche ich selbständig von „A“ nach „B“ zu kommen, verbunden mit einer stetigen Verschlechterung des Gangbildes bei jedem Schritt und der zunehmen regelmäßigen Einnahme von zunehmend stärkeren Schmerzmitteln.
Meine MS hat also auch ein neurologisch verursachtes orthopädisches Problem mit sich gebracht. Wegen physiologisch äußerst abenteuerlicher Bewegungsabläufe krümmte sich über die Zeit auch die Wirbelsäule. Ich „laufe“ seit über fünfundzwanzig Jahren mit völlig ungenügenden Haltungsnoten.
Da aus innewohnender Logik meine behandelnde Fachärztin eine Neurologin ist, stellt sie auch die Anträge für medizinische Rehabilitationsmaßnahmen. Die genehmigenden Einrichtungen erhalten also einen Antrag einer Neurologin für einen MS-Patienten. Die Grunderkrankung und Genehmigungsbasis für Maßnahmen ist immer „Multiple Sklerose“, ob ich übertrieben ausgedrückt Schluckbeschwerden, Grippe oder eben orthopädische Probleme habe.
Die „tausend Gesichter“ liefern die Basis für Einweisungen, also immer auf der Grundlage der MS.
Das ist fatal und für Betroffene ein häufiger Kampfplatz, Kampf um die richtige Fachklinik, die richtigen Spezialisten und eben eine zielführende und im Übrigen kostensparende Behandlung.
Davon „kann ich ein Lied singen“ und dennoch ist es gut zu wissen, dass Hartnäckigkeit – oder freundlicher ausgedrückt – die Mitwirkungspflicht des Betroffenen – Erfolg bringen kann.
JOCHEN
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