In Berlin gibt es derzeit über 4.000 Inhaftierte, welche sich auf sieben Haftanstalten innerhalb und außerhalb der Stadt verteilen. Jeder Vierte von ihnen konsumiert Drogen wie Heroin, Kokain, Spice – vor allem aber Cannabis. Doch wie ist das möglich, wo Gefängnisse zu den bestbewachten Orten der Welt gehören? Die Antwort darauf ist diffizil, denn Drogen gelangen auf unterschiedlichsten Wegen zu den Inhaftierten in die JVA.
Die häufigsten Drogen in der JVA
In Berliner Gefängnissen werden jährlich ca. fünf Kilogramm Cannabis, Heroin und Kokain sichergestellt. Der größte Anteil entfällt dabei auf Cannabis. Da es sich dabei lediglich um das Hellfeld handelt, ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer etliche dutzend Kilogramm höher liegt.
Die größten Mengen wurden im Männer-Gefängnis Heidering eingezogen. Aber auch andere Rauschmittel wie das Opiate und synthetisch hergestellte Substanzen wie Amphetamine wurden Gefangenen abgenommen. Eine weitere teils synthetisch hergestellte und bei Inhaftierten beliebte Substanz ist Spice.
Spice ist die offizielle Bezeichnung für ein Rauschmittel, welches seit 2009 in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz fällt und hierzulande seitdem verboten ist. Es besteht aus synthetischen Cannabinoiden sowie verschiedenen getrockneten Pflanzenteilen. Verwendung findet Spice insbesondere dort, wo Cannabisprodukte nicht zugänglich sind. Aus diesem Grund ist Spice eine beliebte Alternative zu Cannabis in Berliner Haftanstalten.
Da es sich bei Spice jedoch um ein verbotenes Rauschmittel handelt und die Produktion illegal stattfindet, können die Konsumenten nie genau wissen, welche Stoffe tatsächlich enthalten sind und welche Dosierung die richtige ist.
Zwischenfälle mit Drogen sind Alltag in der JVA
Tatsache ist, Notfälle durch Drogen gehören zum Gefängnis-Alltag. Es geschieht nicht selten, dass Gefangene aufgrund von Überdosen kollabieren. So gab Martin Riemer, Leiter der Justizvollzugsanstalt Tegel, einem Medienbericht zufolge an:
„Es ist während der Arbeitszeit in einem Arbeitsbetrieb bei zwei Gefangenen festgestellt worden, dass es denen offensichtlich nicht gut ging, die kaum ansprechbar waren. Das ist dann ein medizinischer Notfall gewesen, der dazu geführt hat, dass von außen ein RTW eingefahren ist, ein Rettungstransportwagen, und in beiden Fällen hat sich herausgestellt, dass es offensichtlich eine Intoxikation durch Spice-Konsum gewesen ist.“
Solche Notfälle gebe es mehrmals im Monat.
Drogen gelangen auf verschiedene Wege in die JVA
Drogen ins Gefängnis zu bekommen, sei nach Berichten von ehemaligen Inhaftierten kein Problem.
„Es gibt verschiedene Wege. Durch Mitgefangene kommen natürlich nur kleine Mengen in die Sprechstunde oder über Betriebe, irgendwie mit Lkw, die reinfahren, dass der eine oder andere draußen was hat verstecken lassen, oder Urlauber, die sich das anal einführen. Diese Drogen bringen zum großen Teil natürlich auch viel Unruhe. Wenn jemand Drogen beschafft, er braucht ja das Geld dafür, egal wie, da wird auch mal der Mitgefangene beklaut. So Sachen laufen also auch. Oder, dass Angehörige draußen richtig genötigt werden: Du musst mir jetzt das und das mitbringen – sei es Geld oder Drogen“, heißt es in einer Gefängnis-Zeitschrift.
Auch die Drogenpäckchen, die immer wieder von außen über die Mauern reingeworfen werden, ärgere die Inhaftierten. Ihr eigener Freiraum beim Hofgang sei deswegen „erheblich verkleinert“ worden, durch rot-weiße Absperrbänder. Das sei besonders deshalb ärgerlich, weil die Päckchen auf diesem Weg kaum jemals die gewünschten Empfänger erreichten.
Justizminister äußert sich zur Problematik
Dirk Behrendt (Bündnis 90/Die Grünen), Justizsenator von Berlin, ist sich der Tatsache bewusst, dass Drogenkonsum im Haftalltag mitunter eine zentrale Rolle einnimmt. In einem Medienbericht differenziert er jedoch explizit zwischen Cannabis und anderen Rauschmitteln.
„Mir machen immer Drogen am meisten Sorgen, die die Leute in ihrer Kontrollfähigkeit derart einschränken, dass sie womöglich übergriffig werden gegenüber meinen Mitarbeitern. Das ist jetzt bei Cannabis eher nicht der Fall, das ist gerade in diesem synthetischen Bereich häufiger, vor allem, wenn die Leute das auch nicht wirklich einschätzen können, wie das auf sie wirkt.“
Bei Kontrollen würden vor allem Cannabis und Kokain sichergestellt, sagt der Grünen-Politiker und frühere Richter. Den Drogenkonsum im Gefängnis zu bekämpfen sei zwar ein erklärtes Ziel. Doch auch er glaube nicht daran, die Einfuhr komplett stoppen zu können. Unter anderem, weil man nicht zu radikalen Maßnahmen greifen möchte, wie zu regelmäßigen Kontrollen von Körperöffnungen bei Häftlingen oder Mitarbeitern, die täglich von draußen in das Gefängnis kommen.
„Natürlich ist das beim Drogenschmuggel relevant. Das wird in der Mundhöhle eingeschmuggelt, das wird in der Vagina eingeschmuggelt und das wird im After eingeschmuggelt, da brauchen wir gar nicht drumrum reden. Oder sie klemmen sich das unter die Achseln und hoffen, dass das dann keiner findet. Und dann wird das eben kontrolliert, da werden auch die Körperöffnungen kontrolliert, aber da gibt es menschenrechtliche Grenzen, die wir dann auch wahren wollen und werden.“
Medizinalcannabis in der JVA
In einem persönlichen Gespräch mit einer Krankenschwester, welche seit einigen Jahren im Berliner Justizvollzugskrankenhaus tätig ist, wurde auch die derzeitige Bedeutung von Cannabis zur therapeutischen Anwendung näher beleuchtet.
Hauptsächlich beziehe sich der Fokus im Umgang mit Rauschmitteln wie Heroin, Spice oder Cannabis für die Berliner Krankenschwester im Berufsalltag des JVK auf den Entzug der Inhaftierten und weniger auf das Verabreichen von Medizinalcannabis.
So wurde mir im Gespräch unter anderem berichtet, dass Drogenersatzmittel vorwiegend bei Heroin zum Einsatz kommen. Die Substitution erfolgt dabei mit den Medikamenten Polamidon sowie Methaliq in flüssiger Form. Weitere Substitute seien Suboxone als Filmtabletten bzw. Substitol in Kapseln. Leiden die Inhaftierten an starken Schlafstörungen aufgrund des Entzugs, erhalten diese im Einzelfall Antidepressiva für einen Zeitraum von ungefähr vierzehn Tagen, um die Nächte besser zu überstehen.
Cannabis werde in der Regel nicht substituiert. Ausnahmen bilden Patienten mit besonders schweren Entzugserscheinungen. Bei diesen gebe es sogenannte Ausschleichschemen mit Diazepam.
Als Medizin findet Cannabis im JVK Berlin bislang nur im Bereich der Krebstherapie Anwendung. Dort werde es palliativ in Tropfenform bei austherapierten Patienten zur Linderung von Schmerzen verabreicht.
Weitere therapeutische Anwendungen waren bisher noch nicht vorgesehen, doch es kann sein, dass sich dies in näherer Zukunft ändern könne. Konkrete Pläne dafür gebe es derzeit jedoch noch nicht.
Ein Blick in die Zukunft
Es erscheint merkwürdig, dass Cannabis auf der einen Seite eine immanente Rolle für die Gefangenen der Berliner Haftanstalten spielt und der Umgang damit quasi fest im Alltag verankert ist. Zugleich jedoch findet auf der anderen Seite Medizinalcannabis derzeit nur im Bereich der Schwerstkranken Anwendung.
In Anbetracht der vielseitigen therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten von Cannabis ist es vielleicht aber auch nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die langsam mahlenden Mühlen der Justiz der aktuellen Gesetzeslage anpassen und Cannabis breitgefächerte Anwendungsbereiche im Berliner JVK findet.
Ich hoffe, Euch mit der Kolumne einen interessanten Einblick hinter die sonst so undurchsichtigen Mauern der Justizvollzugsanstalten gewährt zu haben.
Bis dahin und bleibt mir gesund!
Euer Kommissar
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Quellen: