Vor Kurzem berichtete Leafly.de über den Schmerzpatienten Günter Weiglein, der den Eigenanbau von Medizinalhanf erneut beantragt hat.
Die aktuelle Gesetzeslage
Um vorab die Frage zu klären, ob der Anbau von Cannabis allgemein erlaubt ist, bedarf es eines Blickes in das Gesetz, im hiesigen Fall das Betäubungsmittelgesetz, kurz BtMG. Dort ist Folgendes verankert
§ 29 Straftaten
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, […].
Das bedeutet grundsätzlich, dass Anbau, Herstellung, Handel, Einfuhr, Ausfuhr, Abgabe, Veräußerung, sonstiges Inverkehrbringen, Erwerb und Besitz von allen Pflanzenteilen des Cannabis nach §§ 29 ff. BtMG strafbar sind. Es sei denn: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erteilt eine Ausnahmegenehmigung.
Solch eine Ausnahmegenehmigung kann vom BfArM erteilt werden, wenn wissenschaftliche oder andere im öffentlichen Interesse liegende Zwecke gegeben sind.
Ausnahmegenehmigung für medizinisches Cannabis
Wie verhält sich das Ganze nun mit dem Eigenanbau für Medizinalhanf? Das zu beantworten, ist gar nicht so leicht, weshalb es eines kleinen Exkurses bedarf.
Im Jahre 2007 wurde die bis dahin erste Ausnahmegenehmigung zum medizinischen Gebrauch von Cannabis für eine Patientin erteilt, die an Multipler Sklerose erkrankte. Vorausgegangen war hierbei die Legitimation durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes im Jahr 2005, das in dieser Sicherstellung der notwendigen medizinischen Versorgung der Bevölkerung einen im öffentlichen Interesse liegenden Zweck im Sinne des § 3 Abs. 2 BtMG sah. Allerdings bezog sich die Genehmigung nur auf den Konsum, nicht den Anbau. Das Medizinalcannabis wurde über eine Apotheke aus den Niederlanden bezogen.
Erst am 11. Januar 2011 entschied das Verwaltungsgericht in Köln, dass die Versagung der Genehmigung zum Eigenanbau bei einem Patienten mit Multipler Sklerose nicht statthaft war. Damit war die Sachlage jedoch immer noch nicht eindeutig entschieden: Die beklagte Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte legte Berufung am Oberverwaltungsgericht ein, was diese allerdings zurückwies. Schließlich landete die Klage beim Bundesverwaltungsgericht.
Am 06. April 2016 entschied das Bundesverwaltungsgericht nach jahrelangem Rechtsstreit nun zugunsten des an MS erkrankten Patienten und verpflichtete damit zum ersten Mal das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, eine Ausnahmeerlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu erteilen. Da das Betäubungsmittel für die medizinische Versorgung notwendig sei und keine gleich wirksame und erschwingliche Therapiealternative zur Verfügung stehe.
Die ersten Genehmigungen erfolgten dann im September 2016. Doch die Phase des erlaubten Eigenanbaus vom medizinischen Cannabis war nur von kurzer Dauer.
Verbot des Eigenanbaus – Die Novellierung des BtMG
Wie wohl ein Großteil der Leserinnen und Leser von Leafly.de wissen, verabschiedete der Bundestag am 19. Januar 2017 einen Gesetzesentwurf des Bundesgesundheitsministeriums. Seit dem 10. März 2017 können bedürftige Schwerkranke kontrolliert angebautes Cannabis auf Rezept beziehen, wobei die Kosten von den Krankenkassen übernommen werden können.
Dieser grundsätzlich wichtige Vorstoß bedeutete zugleich jedoch auch das frühzeitige Aus des Eigenanbaus von Medizinalhanf. Denn im Gesetzentwurf wurde Folgendes festgelegt:
„Ein Eigenanbau von Cannabis durch Patientinnen und Patienten zur medizinischen Selbsttherapie birgt die Gefahr von mangelnden Qualitäts- und Sicherheitskontrollmöglichkeiten und ist aus gesundheitlicher und ordnungspolitischer Sicht nicht zielführend.“ (Drucksache 18/8965)
Damit wurde der Eigenanbau zum 10. März 2017 offiziell wieder verboten!
Die Ausnahme vom Verbot?
Trotz des Verbots besteht – zumindest theoretisch – die Möglichkeit, Cannabis zu medizinischen Zwecken selbst anzubauen. Für den Fall, dass die Krankenkasse die Kostenübernahme einer medizinischen Cannabistherapie ablehnt, ist es in Korrespondenz mit dem behandelnden Arzt, der die Therapie begleitet, möglich, Cannabisblüten verschrieben zu bekommen, die man wiederum aus der Apotheke bezieht. Doch auch in diesem Beispiel muss wieder eine Ausnahmegenehmigung beim BfArM beantragt werden.
Für den Antrag, Hanf als Medikament anbauen zu dürfen, müssen zusammengefasst folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Ärztlicher Bericht über die Diagnose und Symptome
- Eine Dokumentation über bislang erfolglose Therapieversuche
- Die Ablehnung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse
- Ärztliche Begleitung während der gesamten Therapie
- Antragsformular des BfArM zum Eigenanbau
- Nachweis über den Schutz vor Diebstahl des Medizinalhanfs
Nach meinem bisherigen Kenntnisstand wurde allerdings seit der Gesetzesnovellierung im März 2017 seitens des BfArM tatsächlich noch kein Antrag zum Eigenanbau von Medizinalhanf genehmigt.
Was passiert, wenn ich ohne Genehmigung anbaue?
Obgleich der Bemühungen der Bundesregierung, flächendeckend die Versorgung der Apotheken mit medizinischem Cannabis zu gewährleisten, kommt es immer wieder zu Engpässen. Gerade für die Patientinnen und Patienten in ländlichen Regionen ist dies mit weiten Anfahrtswegen und hohem Aufwand verbunden. Doch gerade das ist konträr zur gesundheitlichen Konstitution vieler Betroffenen.
In solch einer Situation befand sich auch ein Patient aus dem Bayreuther Raum, der deshalb beschloss, ohne die erforderliche Genehmigung durch das BfArM in seinem Gewächshaus mehrere Hanfpflanzen zur therapeutischen Behandlung seiner Fibromyalgie und Borreliose anzubauen.
Dies blieb jedoch nicht folgenlos: Der Anbau flog auf und die Staatsanwaltschaft ermittelte. Im Februar dieses Jahres erhielt der Beklagte dann den Bescheid, dass das Verfahren gegen ihn eingestellt wurde. Die Begründung lag unter anderem darin, dass es ihm aufgrund seiner schlechten Gesundheit nicht möglich war, anderweitig die therapeutische Behandlung aufrechtzuerhalten . Ebenso war es durch die geringe Menge an Pflanzen eindeutig, dass es sich hierbei um den Anbau zum Zwecke des Eigenbedarfs handelte. Dadurch stand das Verfahren nicht im Interesse der Öffentlichkeit und der Anbau blieb somit straffrei.
Dieses Beispiel ist allerdings kein Freibrief zum Eigenanbau! Jede Situation ist wie immer unter individuellen Gesichtspunkten zu betrachten. Darüber hinaus liegt es im Ermessen der Staatsanwaltschaft, Verfahren einzustellen.
Gerade in Großstädten wie Hamburg, München oder Berlin ist die Infrastruktur zur medizinischen Versorgung von Cannabis deutlich ausgeweiteter, weshalb vorerst nicht damit zu rechnen ist, dass es dort zu ähnlichen Rechtsprechungen käme.
Wie wird die Polizei aufmerksam?
Wie im obigen Fall geschildert, entdeckte die Polizei die Cannabisplantage des Patienten. Wodurch das geschah, kann unterschiedliche Gründe haben. Allgemein gesprochen gibt es meiner beruflichen Erfahrung nach allerdings immer wieder ähnliche Anhaltspunkte:
- Informationen durch Strom- bzw. Wasserversorger bei auffällig hohem Verbrauch
- Nachbarn, die z.B. einen merkwürdigen Geruch im Wohnhaus oder allgemein „verdächtiges Verhalten“ (beisp. verlassen nur nachts die Wohnung) wahrnahmen
- Ankauf von für den Anbau benötigtem Zubehör in großen Mengen
- Zufallsfund
Einer von vielen Erfahrungsberichten
Gerade zum Thema Zufallsfund möchte ich eine kleine Posse aus meinem persönlichen Berufsalltag mit euch teilen.
In einem Mehrfamilienhaus wurde ein Einbruchsversuch gemeldet. Vor Ort stellte sich heraus, dass gleich mehrere Wohnungen betroffen waren, wobei in einer Wohnung der Mieter jedoch nicht angetroffen werden konnte. In solch einem Fall kümmert sich die Polizei um die Sicherung der Wohnung. Dabei ist es so, dass die Räumlichkeiten der betroffenen Wohnung nach Wohnungsfremden – zum Beispiel den Einbrechern – abgesucht werden. Und genau bei dieser Absuche sind wir dann auf eine „Indoor-Plantage“ mit ca. einhundert Cannabispflanzen gestoßen, inklusive Zeitschaltuhr, Bewässerungssystem, Temperaturregler, Belüftungsanlage und so weiter. Meine Aufgabe bestand dann darin, sämtliche Pflanzen „abzuernten“, zu verpacken und zu asservieren.
Noch während meine KollegInnen und ich vor Ort mit diesen Maßnahmen beschäftigt waren, erschien der Mieter, dem dann eröffnet werden musste, dass er Beschuldigter bzgl. des illegalen Cannabisanbaus und zugleich Opfer eines Einbruchs sei. Ich kann euch sagen, dass das auf beiden Seiten für eine recht unbehagliche Atmosphäre sorgte.
Er hatte jedoch Glück im Unglück: Zum Zeitpunkt der Beschlagnahme waren die Pflanzen noch so jung, dass sie keine Blüten trugen. Daher musste er sich nur für den Anbau zum Eigenbedarf und nicht für den Handel verantworten.
Ein paar Abschlussworte
Zum Ende meiner Kolumne möchte ich meine ganz persönliche Meinung zu diesem Thema mit euch teilen. Als einzelne Person und nicht repräsentativ für meinen Berufsstand. Ich vertrete die Auffassung, dass schwerkranken Menschen und erst recht Patientinnen und Patienten im palliativen Bereich der Zugang zu therapeutischen Mitteln, die ihrer Genesung zuträglich sind oder zumindest eine Linderung verschaffen, weiter erleichtert werden sollte. Es kann nicht im öffentlichen Interesse sein, Menschen strafrechtlich zu verfolgen, die von der medizinischen Versorgung abgeschnitten sind und sich daher mit dem Anbau zum Eigenbedarf aus ihrer Not heraus selbst zu helfen versuchen. Daher sehe ich hier dringenden Nachbesserungsbedarf auf gesetzlicher Ebene. Wie wahrscheinlich dies in naher Zukunft sein mag, könnt ihr hier nachlesen (Leafly.de).
So, damit komme ich zum Abschluss des heutigen Themas.
Ich hoffe, euch ein paar nützliche Infos mit auf den Weg gegeben zu haben. Falls ihr mehr Interesse an Geschichten und Berichten aus meinem Berufsalltag hegt bzw. erfahren möchtet, wie die Polizei anderer Länder mit dem Thema Eigenanbau verfährt, so schreibt es gern in die Kommentare.
Bis dahin wünsche ich euch alles Gute und stets einen grünen Daumen!
Quellen: