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ECH will Zugang zu Medizinalhanf in UK verbessern

Gesa-2019 Autor:
Gesa Riedewald

Die Aktivistin Hannah Deacon hat für ihren Sohn Alfie eine spektakuläre Kampagne durchgeführt, die ihm am Ende nicht nur seine Versorgung mit Cannabisöl ermöglichte. Sie trug auch dazu bei, dass die Cannabisgesetze in Großbritannien geändert wurden. Jetzt kritisiert die Britin, dass sich in der Praxis die Situation für Patienten nicht verbessert hätte. Es werden keine Cannabis-Rezepte zulasten des staatlichen Gesundheitssystems NHS ausgestellt, obwohl dies seit 2018 möglich ist. Wir haben mit Hannah Deacon über die Situation der Cannabispatienten in England gesprochen.

ECH will Zugang zu Medizinalhanf in UK verbessern

Im letzten Herbst hat die britische Regierung Cannabis als Medizin legalisiert. Praktisch steht diese Therapieoption aber bisher nur sehr wenigen Patientinnen und Patienten zur Verfügung. Die Regelungen sind strikt und die Preise extrem hoch. Leafly.de hat im Februar bereits über diese Schwierigkeiten im Vereinigten Königreich berichtet. Nun setzt sich die ECH dafür ein, dass Patienten einen einfacheren Zugang zu Medizinalhanf bekommen.

Aktivistin Hannah Deacon will mit ECH Zugang zu Cannabis als Medizin verbessern

Hannah Deacon ist eine britische Aktivistin für den Zugang von Patienten zu Cannabis als Medizin. Im Namen ihres siebenjährigen Sohnes Alfie Dingley führte sie eine medienwirksame Kampagne durch, die letztes Jahr zur Änderung der gesetzlichen Regelungen beigetragen hat. Alfie war der erste Patient in Großbritannien, der eine dauerhafte Lizenz für medizinisches Cannabis erhielt (Leafly.de berichtete).

Der kleine Junge erlitt monatlich bis zu 500 lebensbedrohliche epileptische Anfälle. Nach einer erfolgreichen Behandlung mit Cannabisöl sind seine Anfälle kontrollierbar und er kann ein annähernd normales Leben führen.

Seine Mutter Hannah Deacon arbeitet jetzt für die ECH als Patientenbeauftragte. ECH ist die Unternehmensgruppe, die hinter der Gründung der ersten medizinischen Cannabisklinik in Großbritannien steht. Das Unternehmen setzt sich für die klinische Aufklärung und den Zugang von Patienten zu Beratungsangeboten ein, damit eine Behandlung mit Cannabis leichter zugänglich wird.

Leafly.de Interview: Kampf für Zugang zu Cannabis als Medizin

Wir von Leafly.de haben mit Hannah Deacon, Patient Advocacy Specialist, ECH, über ihre neue Aufgabe und über die Situation der Cannabispatienten in England gesprochen.

Leafly: Ihr Sohn Alfie war die erste Person in Großbritannien, die eine dauerhafte Lizenz für medizinisches Cannabis erhielt. Wie geht es Ihrem Sohn heute?

Hannah Deacon: Alfie hat eine extrem seltene Form der therapieresistenten Epilepsie namens PCDH19. Vor der Behandlung mit medizinischem Cannabis hatte er 500 Anfälle im Monat und wurde 48 Mal pro Jahr ins Krankenhaus eingeliefert, bevor wir nach Holland reisten. Er war auf Steroiden, die ihn gewalttätig machten. Studien zeigen, dass er eine Psychose hätte bekommen können. Obwohl er sich der einzigen verfügbaren Behandlung gegen seine Anfälle unterzog, litt er weiterhin an Anfällen und konnte selten zur Schule gehen. Nachdem er mit der Behandlung mit Vollextrakt-Cannabisöl begonnen hatte, verwandelte es ihn und unser Leben. Heute kann er jeden Tag zur Schule gehen, kann Fahrrad fahren und lernt auch schwimmen. Alfie sollte die Regel sein, nicht die Ausnahme. Deshalb führe ich weiterhin Kampagnen durch, bis jeder, der Zugang zu medizinischem Cannabis benötigt, es bekommen kann.

“Wir sind verzweifelt”

Leafly: Großbritannien hat im Herbst 2018 Cannabis für medizinische Zwecke zugelassen. Wie sieht die Situation für Cannabispatienten heute aus?

Hannah Deacon: Enttäuschend ist, dass es keinen Unterschied zu früher gibt. Als es im letzten Jahr zur Gesetzesänderung kam, war ich erfreut. So ging es auch den 16 anderen Familien, mit denen ich täglich zusammenarbeite, um ihnen zu helfen, ihren Traum vom Zugang zu medizinischem Cannabis zu verwirklichen. Aber jetzt, sechs Monate später, gab es nur eine Handvoll Rezeptausstellungen und die überwiegende Mehrheit sind Privatrezepte.

Wir haben gehört, dass der NHS (Anm. d. Red: das staatliche Gesundheitssystem) eine Datenbank einrichtet, die die Anzahl der ausgestellten Rezepte anzeigt. Die sollte letzten Monat veröffentlicht werden, aber da die Zahlen so niedrig sind, werden sie die Daten nicht veröffentlichen. Einige Leute gehen davon aus, dass nicht einmal ein weiteres NHS-Rezept ausgestellt wurde. Wir dachten, unser Kampf sei vorbei, aber jetzt sind wir verzweifelt. Dies sind Menschen, die alle ihre Möglichkeiten ausgeschöpft haben, aber weiterhin keine Behandlung erhalten, die ihr Leben verändern könnte.

ECH: “Bestehende Einschränkungen müssen beseitigt werden”

Leafly: Was sollte Ihrer Meinung Großbritannien tun, um den Zugang der Patienten zu Cannabis als Medizin zu verbessern?

Hannah Deacon: NHS-Ärzte müssen anfangen, medizinisches Cannabis für diejenigen zu verschreiben, die es brauchen. Die Regierung hat sich die Hände in Unschuld gewaschen. Der Gesundheitsminister hat bereits darüber gesprochen, wie frustriert er ist, dass Ärzte die Behandlung nicht zur Verfügung stellen. Die Vorgaben sind jedoch widersprüchlich. Es besteht kein Konsens zwischen der Regierung, dem NHS und Fachverbänden wie dem Royal College of Physicians und der British Pediatric Neurology Association. Es ist keine Überraschung, dass viele mir sagen, dass sie jetzt zu viel Angst haben, um überhaupt etwas zu verschreiben, obwohl das Gesetz hinter ihnen steht.

Meiner Meinung nach muss die Regierung mehr tun, damit Ärzte verschreiben können. Und NICE sollte bei der Entwicklung der Leitlinien für medizinisches Cannabis in diesem Jahr die klinische Beratung stärken und vereinfachen sowie die bestehenden Einschränkungen beseitigen, die höchst restriktiv sind. Ich würde mir auch wünschen, dass Erfahrungswerte bei der Erstellung von Leitlinien für Ärzte berücksichtigt werden, da dies bei der Verwendung von medizinischem Cannabis sehr relevant ist.

(Anm. d. Red.: Das NICE, National Institute for Health and Care Excellence, ist eine nicht-öffentliche Einrichtung des Gesundheitsministeriums in Großbritannien. Das NICE veröffentlicht Leitlinien in verschiedenen Bereichen.)

“Ich werde nicht daneben stehen und zusehen”

Leafly: Wie verstehen Sie Ihre Aufgabe als Patient Advocacy Specialist? Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?

Hannah Deacon: Obwohl die Gesetzgebung rund um medizinisches Cannabis im vergangenen Jahr geändert wurde, hat sich bei Patienten, die dringend Hilfe benötigen, nichts wirklich geändert. Ich kam als Patient Advocacy Specialist zu ECH, um eine breitere Bewegung zu unterstützen, die dazu beiträgt, das zu ändern. Ich werde die medizinischen Cannabiskliniken in Manchester, London und Birmingham unterstützen. Ebenso wie die “Academy of Medical Cannabis”, eine Online-Bildungsplattform, damit sich Ärzte befähigt fühlen, medizinisches Cannabis zu verschreiben. Darüber hinaus werde ich das ECH-Team bei den Belangen von Patienten beraten, die sich in einem unglaublich komplexen System bewegen. Außerdem will ich dazu beitragen, dass die innovativen Behandlungen von ECH den Bedürfnissen von Patienten – wie meinem Sohn – entsprechen, denen bisher keine Therapie helfen konnte.

Ich möchte sicherstellen, dass Patienten, die medizinisches Cannabis benötigen und einen Rechtsanspruch darauf haben, Zugang dazu bekommen. Das ist mein Hauptziel. Und deshalb bleibe ich auch eine Kämpferin für die Sache des verschreibungspflichtigen medizinischen Cannabis und stehe zusammen mit den 16 anderen Familien, mit denen ich täglich zusammenarbeite, um ihnen zu helfen, ihren Traum vom Zugang zu medizinischem Cannabis für ihre schwerkranken Kinder zu verwirklichen. Ich weiß, wie sie leiden, und ich werde nicht daneben stehen und zusehen, wie dies geschieht, wenn ich es verhindern kann.

 

Das Interview haben wir in Englisch geführt und danach ins Deutsche übersetzt.

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