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Erhöht Cannabiskonsum das Risiko für einen Schlaganfall?

Autor:
Dr. Christine Hutterer

Der Hirninfarkt ist die häufigste kardiovaskuläre Nebenwirkung des Cannabiskonsums. Die Gefahr für einen Schlaganfall hängt offenbar auch mit der Häufigkeit des Konsums zusammen. Gelegenheitskiffer haben ein deutlich geringeres Risiko als regelmäßige Konsumenten. Doch wie hoch ist das Risiko bei Cannabispatienten einen Schlaganfall zu erleiden?

Erhöht Cannabiskonsum das Risiko für einen Schlaganfall?

Wie entsteht ein Schlaganfall?

Ein Schlaganfall ist die Folge eine plötzlich (“schlagartig”) auftretenden Durchblutungsstörung im Gehirn. Dabei ist nicht das gesamte Gehirn betroffen, sondern nur einzelne Regionen. Durch die zu geringe oder komplett ausbleibende Durchblutung wird die betroffene Hirnregion nicht mehr (ausreichend) mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt.

Abhängig davon, wie lang eine solche Mangeldurchblutung anhält, können die Schäden im Gehirn und die Auswirkungen auf den Körper gering und reversibel (heilbar) oder auch bleibend mit schweren Folgen sein. Wenn Gewebe im Gehirn abstirbt, sind die Folgen auf jeden Fall bleibend.

Für einen Schlaganfall gibt es zwei mögliche Ursachen:

  1. Hirninfarkt (ischämischer Infarkt)
    Bei einem Hirninfarkt wird die Durchblutungsstörung des Gehirns durch ein verengtes oder verstopftes Blutgefäß ausgelöst. Die Regionen, die hinter der verengten oder verstopften Stelle liegen, werden nicht mehr mit Blut und Sauerstoff versorgt. Etwa 80-85 Prozent der Schlaganfälle sind ischämische Infarkte.
  2. Hirnblutung (hämorrhagischer Infarkt, intrazerebrale Blutung)
    Bei einer Hirnblutung platzt oder reißt ein Blutgefäß im Gehirn. Statt es weiter mit Blut zu versorgen, tritt das Blut frei ins Gewebe aus. Die Schädigung der Nerven entsteht nicht nur durch die Mangelversorgung, sondern zusätzlich durch den Druck, den die Einblutung auf die Hirnregionen ausüben. Etwa 10-15 Prozent der Schlaganfälle sind hämorrhagische Infarkte.

Eigentlich ist ein Schlaganfall eine Erkrankung älterer Menschen. Das liegt an den Faktoren, die das Risiko für die Entstehung eines Schlaganfalls erhöhen. Diese (siehe nächster Absatz) treten vorwiegend mit steigendem Alter auf. Dennoch gibt es auch vereinzelt Fälle bei jüngeren Menschen. Es gibt Hinweise, dass der Konsum von Cannabis besonders bei jüngeren, ansonsten gesunden Männern, das Schlaganfallrisiko erhöhen könnte. Mehr dazu erfahren Sie in diesem Artikel.

Welche Risikofaktoren sind bekannt?

Es gibt eine Reihe von Faktoren, die das Risiko erhöhen, einen Schlaganfall zu erleiden.

Diese sind:

  • Bluthochdruck: Zu hoher Blutdruck ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Störung der Blutversorgung im Gehirn
  • Rauchen
  • Übergewicht und Bewegungsmangel
  • Diabetes mellitus (Zuckererkrankung)
  • Vorhofflimmern und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Störungen des Fettstoffwechsels
  • Gerinnungsstörungen
  • Hohes Alter
  • Genetische bzw. familiäre Veranlagung (Disposition)

Liegen bei einer Person ein oder mehrere der genannten Faktoren vor, so erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für ein solches Ereignis. Werden Risikofaktoren abgebaut, z.B. über eine medikamentöse Einstellung des Blutdrucks, einen gesunden Lebensstil mit Gemüse- und Ballaststoffreicher Ernährung und regelmäßiger Bewegung, Reduktion des Körpergewichts usw., sinkt die Gefahr eines (ischämischen) Schlaganfalls.

Cannabis und Schlaganfallrisiko – was ist bekannt?

Die Vermutung, dass zwischen dem Konsum von Cannabis und einem Schlaganfall ein Zusammenhang bestehen könnte, kommt von der Beobachtung, dass besonders junge und ansonsten gesunde Männer in zeitlich enger Verbindung zum Konsum von Cannabis einen Schlaganfall erlitten haben. Da diese Erkrankung des Gehirns für junge, gesunde Männer sehr untypisch ist, ist man hellhörig geworden. In Frankreich hat man beispielsweise beobachtet, dass zwischen 2006 und 2010 zwei Prozent aller in Zusammenhang mit Cannabiskonsum gemeldeten medizinischen Zwischenfälle das Herz-Kreislauf-System betrafen.

Der Hirninfarkt (ischämischer Infarkt) ist, das weiß man inzwischen, die häufigste kardiovaskuläre Nebenwirkung des Cannabiskonsum. Die Gefahr für einen Schlaganfall hängt offenbar auch mit der Häufigkeit des Konsums zusammen. Gelegenheitskiffer haben ein deutlich geringeres Risiko (2,3-fach erhöht) als regelmäßige Konsumenten (4,7-fach erhöht). Daneben hat man beobachtet, dass das Risiko für einen Schlaganfall innerhalb der ersten Stunde nach dem Rauchen von Cannabis am stärksten, nämlich um das 4,8-fache, erhöht ist.

Bisher gibt es noch keinen absolut eindeutigen Beweis dafür, dass Cannabis für die Schlaganfälle verantwortlich ist, doch der enge zeitliche Zusammenhang deutet sehr stark darauf hin. Zudem hat man beobachtet, dass Personen, die in zeitlichem Zusammenhang mit dem Cannabiskonsum einen Schlaganfall erlitten haben, bei erneutem Konsum wieder Symptome gezeigt haben.

Allerdings ist es noch immer schwierig, das schreiben viele Studienautoren, die Effekte eindeutig dem Cannabis zuzuschreiben, denn viele Konsumenten würden gleichzeitig (und auch in der Freizeit) Tabak rauchen oder andere Drogen und/oder Alkohol konsumieren. Von Tabak weiß man, dass er das Schlaganfallrisiko deutlich erhöht.

Warum besonders Männer betroffen sind, ist ebenfalls noch nicht geklärt. Beobachtungen zeigen aber, dass bei ihnen ein Schlaganfall fast fünfmal häufiger auftritt, als bei Frauen.

Die Tatsache, dass an sich herzgesunde Personen von einem Schlaganfall betroffen sein können, lässt vermuten, dass das Risiko für Personen mit weiteren Risikofaktoren oder Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems oder der Gefäße stark erhöht ist.

Im Gegensatz zu einem “klassischen” ischämischen Schlaganfall, bei dem eine Verengung bzw. ein Verschluss der Arterien zur Störung der Blutversorgung im Gehirn führt, beobachtet man bei einem “Cannabis-Schlaganfall” eine reversible Spastik (Verkrampfung) der Hirngefäße (reversible cerebrovascular spasm – RCVS). Typischerweise geht das mit schweren Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Lichtempfindlichkeit, Verwirrung, Schwindel und verschwommener Sicht einher.

Sollten Sie diese Symptome bei sich oder anderen feststellen, rufen Sie sofort den Notarzt unter 112!
Bei einem Schlaganfall geht es um jede Minute, ja Sekunde!
Je schneller eine Behandlung erfolgt, desto besser sind Aussichten!

Schlaganfallrisiko auch bei medizinischer Cannabisanwendung erhöht?

Die meisten beobachteten Fälle von Schlaganfällen nach dem Cannabiskonsum traten im Rahmen des Freizeitkonsums auf. Hier werden bewusst deutlich höhere Dosierungen gewählt, um einen Rauschzustand zu erfahren.

Viele Autoren ergänzen, dass vor allem die Zuordnung, was konsumiert wurde, nicht einfach ist. Von Cannabis gibt es auf dem Schwarzmarkt unzählige Arten mit unterschiedlicher Cannabinoidzusammensetzung. Während THC wohl für die Effekte auf das Herz-Kreislauf-System und die Blutgefäße vorrangig verantwortlich ist, kann CBD diese Effekte abmildern. Je nach Zusammensetzung ist das Risiko und die Wirkung möglicherweise verschieden. Zudem konsumieren Jugendliche und junge Erwachsene auch zunehmend synthetische Cannabinoide (z.B. “Spice”), welche eine um ein Vielfaches stärkere Wirkung als “natürliches” THC haben. Auch dadurch wird die Belastung für das Herz-Kreislauf-System deutlich erhöht.

Für Patienten, die Cannabis auf Rezept aufgrund von Erkrankungen einnehmen (möchten) stellt sich natürlich die Frage, ob sie durch die Einnahme das Risiko erhöhen, einen Schlaganfall zu erleiden. Eindeutige Antworten auf diese Frage gibt es noch nicht, da noch zu wenige Daten aus Studien vorliegen.

In einer Übersichtsarbeit wird jedoch erwähnt, dass die kardiovaskulären Komplikationen (Herzinfarkt, Schlaganfall, plötzlicher Herzstillstand) auch bei Anwendern von Cannabis für medizinische Zwecke beobachtet wurden. Ebenfalls unklar ist derzeit, ob bzw. welchen Einfluss die Art der Einnahme hat.

Rauchen, egal ob mit oder ohne Tabak, ist mit ungünstigen Wirkungen auf die Lunge und die Blutgefäße verbunden. Möglicherweise sieht die Lage bei der Einnahme von Cannabis-Extrakten anders aus. Die Hinweise und Erkenntnisse zeigen, dass es wichtig ist, auch – und besonders – bei der medizinischen Anwendung von Cannabis oder Cannbinoiden die Nebenwirkungen auf das Herz-Kreislauf-System genau zu untersuchen.

Im Vergleich zum Potential sind relativ wenige Personen von diesen schweren Nebenwirkungen betroffen. Eine Kosten-Nutzen-Abwägung sollte daher mit dem Arzt besprochen werden, besonders wenn Risikofaktoren für einen Schlaganfall vorliegen.

Cannabis in der Therapie des Schlaganfalls?

Dennoch sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es auch eine Reihe von Ansätzen und vielversprechenden Ergebnissen in der Behandlung von Patienten mit einem Schlaganfall gibt. Cannabinoide scheinen hier dennoch auch einen Nutzen zu haben.

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Hinweis: In diesem Artikel berichten wir über rezeptpflichtiges CBD oder auch Cannabidiol. Dieser Artikel macht zur möglichen Zweckbestimmung keinerlei Vorschlag. Nutzversprechen bleiben den Apothekern überlassen.

Quellen:

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