Evidenz

Evidenzbasierte Medizin – eine Definition

Vielleicht nähern wir uns dem Thema Evidenz mit einer Definition. Die Cochrane Gesellschaft ist ein globales unabhängiges Netzwerk von klinischen Forschern, Ärzten, Methodikern, Angehörigen der Gesundheitsfachberufe und Patienten, das sich für bessere Gesundheit durch bessere Informationsmöglichkeiten einsetzt. Sie erklären evidenzbasierte Medizin folgendermaßen:

Evidenzbasierte Medizin (EbM) ist der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung individueller Patienten. Die Praxis der EbM bedeutet die Integration individueller klinischer Expertise mit der bestverfügbaren externen Evidenz aus systematischer Forschung.

Der Begriff Evidenz bezeichnet in der Medizin den empirisch (durch systematische Datenerhebung) erbrachten Nachweis des Nutzens einer diagnostischen oder therapeutischen Methode.

Es geht also in der evidenzbasierten Medizin darum, eine medizinische Entscheidung auf der Grundlage von wissenschaftlichen Informationen zu treffen. Das bedeutet aber auch, dass vorhandene oder fehlende Evidenz nicht in Stein gemeißelt ist: Kommen neue Daten hinzu, kann sich die Evidenz ändern. Außerdem bedeutet es, dass allgemeine Aussagen zur Evidenz einer bestimmten Therapie nicht für den eigenen Patienten passen müssen. Jeder Arzt hat die Möglichkeit, in wissenschaftlichen Daten und Veröffentlichungen nach Studien zu einer bestimmten Fragestellung zu suchen und die Ergebnisse selbst zu bewerten. Es gibt aber Kriterien, welche den Grad der Evidenz, das sogenannte Evidenzlevel, bestimmen und damit die Einschätzung beeinflussen.

Im Falle von Cannabis als Medizin (aber auch für alle anderen Methoden, Therapien oder diagnostischen Verfahren) wird gefordert, dass die Daten, die aus Studien erhoben werden, ein deutliches Bild darauf geben, dass Cannabis als Medizin bei einer bestimmten Erkrankung oder einem Symptom wirksam ist. Im besten Fall wäre eine Behandlung noch wirksamer als andere Methoden – dafür kann ebenfalls nach Evidenz gesucht werden.

Studie ist nicht gleich Studie

Ständig liest man von Studien zu irgendwas. Dabei bleibt unklar, dass die Durchführung von Studien zum Teil sehr unterschiedlich ist. Das Ziel einer Studie ist es, Medikamente, bestimmte Therapien, medizinische Eingriffe oder Medizinprodukte (Medikamente) auf ihre Wirksamkeit und Sicherheit zu überprüfen.

Die Art der Studie wird unterschieden in Beobachtungsstudie und Interventionsstudie.

  • Bei einer Beobachtungsstudie erhält eine Gruppe nicht aktiv eine bestimmte Therapie und eine andere nicht. Vielmehr “beobachtet” man eine oder mehrere Gruppen von Menschen und versucht Zusammenhänge zu bestimmten Ereignissen oder Medikamenten herzustellen.
  • Bei einer Interventionsstudie werden vorab zwei oder mehr Gruppen gebildet. Die Gruppen erhalten jeweils unterschiedliche Interventionen (Behandlungsformen, Dosierung, Placebo, …). Interventionsstudien sind aussagekräftiger als Beobachtungsstudien.
  • Eine Studie kann prospektiv (also in die Zukunft gerichtet) oder retrospektiv (in die Vergangenheit gerichtet) durchgeführt werden. Aussagekräftiger sind prospektive Studien.
  • Eine Studie kann randomisiert oder nicht randomisiert durchgeführt werden. Randomisierung bedeutet, dass die Studienteilnehmer per Zufall in eine Gruppe der Studie eingeteilt werden. So vermeidet man beispielsweise, dass man nur Studienteilnehmern die “neue” Therapie gibt, denen es noch besser geht. Das würde das Ergebnis verfälschen. Randomisierte Studien sind hochwertiger einzuschätzen.
  • Eine Studie einfach- oder doppelverblindet oder unverblindet durchgeführt werden. Verblindung bedeutet, dass die Patienten und/oder die Ärzte nicht wissen, welcher Studienteilnehmer welche Behandlung bekommt. Auch das verhindert die Verfälschung von Ergebnissen.

Das Design einer Studie hängt u.a. von der Fragestellung ab, die mit ihr beantwortet werden soll.

Kriterien für Evidenz

Um Evidenz zu bestimmen werden als Grundlage also Studien verwendet. Die Art der Studiendurchführung gibt Hinweise darauf, wie gut die Ergebnisse sind (Randomisierung ja/nein, Verblindung ja/nein, Teilnehmerzahl usw.). Nach den Empfehlungen der Agency for Healthcare Research and Quality werden Studien in verschiedene Evidenzklassen von Ia bis IV eingeteilt.

Höhere Evidenzklassen bieten eine bessere wissenschaftliche Begründbarkeit für eine Therapieempfehlung. Die höchste Aussagefähigkeit haben zum Beispiel Studien der Evidenzklasse Ia. Das sind Meta-Analysen von randomisierten, kontrollierten Studien (Systematische Übersichtsarbeit).

Allerdings gibt es auch Limitierungen der evidenzbasierten Medizin. Manche Untersuchungen sind nicht mit einem Studiendesign mit hohem Evidenzniveau (z.B. Verblindung) durchführbar. Manche Sachverhalte können nur über Beobachtungsstudien herausgefunden werden. Um klare Ergebnisse zu bekommen, sind häufig große Zahlen an Studienteilnehmern notwendig.

Für manche Krankheitsbilder, Symptome oder Therapien finden sich aber nicht genügend Teilnehmer in einem vertretbaren Zeitraum oder lokal begrenzten Raum. Studien, bei denen kein positives Ergebnis gefunden wurde, werden seltener veröffentlicht als Studien mit guten Ergebnissen. So fehlt aber als Grundlage der Einschätzung ein wichtiger Aspekt.

Warum Evidenz für Patienten von Bedeutung ist

Die evidenzbasierte Medizin ist zu einem sehr wichtigen Qualitätsgarant in der Medizin geworden. Viele Patienten profitieren tagtäglich von einer Behandlung, die bestimmte wissenschaftliche Standards erfüllt und deren Wirksamkeit in guten Studien bewiesen wurde.

So tragen Studien mit großen Teilnehmerzahlen und einer hohen Evidenzklasse dazu bei, dass Therapieleitlinien für bestimmte Krankheiten entwickelt werden können. Den meisten Patienten kann mit dem leitliniengerechten Vorgehen geholfen werden.

Gerade Cannabispatienten wissen aber, dass häufig alle Standardtherapien nicht geholfen haben. Das gibt es natürlich auch immer wieder, denn jeder Mensch ist verschieden und reagiert unterschiedlich auf Medikamente oder Therapien.

Cannabis und Evidenz

Für Cannabis als Medizin gibt es in vielen Bereichen noch wenig Evidenz. Das ist Fakt. Dennoch wissen wir auch, dass viele Patienten von einer Behandlung profitieren. “Warum macht man denn dann nicht einfach mal gute Studien?”, werden Sie sich denken.

Die Idee ist gut, doch leider ist es nicht so einfach. Das fängt schon damit an, dass es zahlreiche unterschiedliche Cannabissorten gibt – wissenschaftlich korrekt müssten alle im gleichen Umfang an Patienten mit den gleichen Beschwerden in gleicher Dosierung getestet werden. Doch eine Therapie mit Cannabis ist sehr individuell! Jeder reagiert anders darauf. Bei manchen wirken die Blüten, bei anderen Extrakte, bei manchen gar nichts. Manche brauchen THC gegen ihre Beschwerden, andere vor allem CBD.

Seit einige Länder Cannabis für die medizinische Behandlung legalisieren, wird auch die Forschung intensiviert. In den kommenden Jahren werden viele viele Studien veröffentlicht werden – manche mit hoher, mancher mit geringer Evidenz. Doch selbst Studien mit geringer Evidenz sind nicht wertlos! Die Ergebnisse müssen immer in den richtigen Zusammenhang gesetzt werden, denn es wird niemals eine abschließende, unumstößliche Aussage über die genaue Wirksamkeit von Cannabis als Medizin geben.

Das ist vielleicht schade, aber auch keine Ausnahme! Auch bei allen anderen Medikamenten bedeutet hohe Evidenz nicht, dass jeder davon profitiert. Das fängt schon bei der Kopfschmerztablette an: Manchen hilft am besten Paracetamol, anderen Ibuprofen und wieder anderen Acetylsalicylsäure.

 

Hinweis: In diesem Artikel berichten wir über rezeptpflichtiges CBD oder auch Cannabidiol. Dieser Artikel macht zur möglichen Zweckbestimmung keinerlei Vorschlag. Nutzversprechen bleiben den Apothekern überlassen.

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