Im Jahresbericht 2018 bringt das Internationales Narcotics Control Board (INCB), also der Internationale Suchtstoffkontrollrat, seine Besorgnis über die gesetzgeberischen Entwicklungen bei der nichtmedizinischen Verwendung von Cannabis zum Ausdruck. Diese widersprechen den Drogenkontrollabkommen und stellen ein Gesundheitsrisiko dar. Gleichzeitig warnt der INCB vor Gefahren durch unzureichend kontrollierte medizinische Cannabisprogramme, die negative Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben und die nichtmedizinische Verwendung von Cannabis erhöhen können.
Risiken und Vorteile der medizinischen Verwendung von Cannabis
Der Bericht befasst sich eingehend mit den Risiken und Vorteilen der medizinischen und wissenschaftlichen Verwendung von Cannabis und Cannabinoiden sowie den Auswirkungen der Verwendung für Freizeitzweck. So stellte der INCB fest, dass schlecht regulierte medizinische Cannabisprogramme, die nicht den Drogenkontrollkonventionen entsprechen, zum nichtmedizinischen Gebrauch führen und die öffentliche Gesundheit beeinträchtigen können.
„Der Fokus unseres Berichts auf die Verwendung von Cannabis und Cannabinoiden kommt zum richtigen Zeitpunkt. Die jüngsten gesetzlichen Entwicklungen in verschiedenen Ländern betreffen die medizinische und nichtmedizinische Verwendung. Es bestehen zahlreiche Missverständnisse hinsichtlich der Sicherheit, der Regulierung und der Abgabe von Cannabis. Insbesondere wenn der Gebrauch für Freizeitzwecke legalisiert ist oder medizinische Cannabis-Programme erweitert werden. Die Funktionsweise des internationalen Drogenkontrollsystems ist begrenzt. Es wurde von den Staaten entwickelt, um die öffentliche Gesundheit zu schützen. Und zwar, indem es Drogenmissbrauch verhindert und gleichzeitig den Zugang zu wichtigen Medikamenten gewährleistet“, erklärte INCB-Präsident Viroj Sumyai.
Veränderungen in der Wahrnehmung von Risiken
Darüber hinaus heißt es in dem Bericht, dass die Wahrnehmung des Cannabisrisikos durch schlecht regulierte medizinische Cannabinoidprogramme geschwächt sei. Dies könnte zur Legalisierung des nichtmedizinischen Cannabiskonsums beigetragen haben. Der Präsident warnt davor, die Besorgnis der Öffentlichkeit über die Gefahren des Cannabiskonsums zu verringern.
Der INCB hält an einem konstruktiven Dialog mit den Regierungen der Länder fest, in denen die Verwendung von Cannabis in der Freizeit erlaubt ist. Fehlende Verfügbarkeit von Schmerzmitteln und anderen wichtigen Medikamenten sind nach wie vor ein wichtiges Anliegen.
INCB: Jeder Mensch muss Zugang zu Schmerzmitteln haben
Darüber hinaus fordert der INCB die Regierungen auf, das unnötige Leid von Menschen, die keinen Zugang zu Schmerzmitteln haben, zu beenden. Gleichzeitig warnt er jedoch auch vor dem Überangebot an kontrollierten Medikamenten, das über die Bedürfnisse der Patienten hinausgeht und Missbrauchsrisiko darstellt.
„Die Menschen leiden unnötig unter Schmerzen und werden ohne Narkose operiert, weil in einigen Teilen der Welt kein Zugang zu kontrollierten Medikamenten besteht. An anderen Orten führt der unkontrollierte Zugang zu Missbrauch. Wir müssen einen gleichmäßigeren Zugang zu diesen Schmerzmitteln gewährleisten,“ so Sumyai.
INCB fordert mehr Unterstützung für Afghanistan
Die Herausforderungen bei der Drogenkontrolle in Afghanistan werden in dem Bericht hervorgehoben. Denn die illegale Opiumproduktion ist bis 2017 erheblich angestiegen. Der Vorstand des INCB hat die Entwicklungen in enger Zusammenarbeit mit der afghanischen Regierung überprüft.
„Wenn die Bemühungen zur Bewältigung des Drogenproblems nicht effektiv sind, können Armut, Aufstände und Terrorismus die Oberhand gewinnen“, so Sumyai.
Der Vorstand des INCB fordert die internationale Gemeinschaft und die Vereinten Nationen auf, dringend weitere Hilfe zu leisten. Man müsse Afghanistan bei der Bewältigung dieser Herausforderungen unterstützen.
Probleme bei der Drogenkontrolle
Regionale Höhepunkte in dem Bericht werfen Licht auf die spezifischen Probleme der Drogenkontrolle, mit denen verschiedene Teile der Welt zu kämpfen haben. In ganz Nordamerika hat sich die Politik und Gesetzgebung zu Cannabis kontinuierlich verändert. In Kanada trat im Oktober 2018 das Cannabis Act in Kraft, das den legalen Zugang zu Cannabis für nichtmedizinische Zwecke und die Kontrolle und Regulierung seiner Produktion, des Vertriebs, des Verkaufs und des Besitzes ermöglicht.
Im selben Monat entschied der Oberste Gerichtshof von Mexiko, dass das Verbot der Verwendung von Cannabis für nichtmedizinische Zwecke verfassungswidrig sei. In verschiedenen Bundesstaaten der USA kam es zu Gesetzesänderungen in Bezug auf die nichtmedizinische Verwendung von Cannabis.
Die Opioid-Überdosis-Epidemie hat sich in den Vereinigten Staaten verringert, wobei es dennoch zu über 70.000 Todesfälle durch Überdosierung kam. Die Kokainherstellung in Südamerika nahm zu und scheint sich auf Europa und Nordamerika auszuwirken. 2017 entdeckte man zum ersten Mal 51 neue psychoaktive Substanzen auf dem europäischen Markt. Durch neue Rechtsvorschriften der Europäischen Union werden die Verfahren für die Kontrolle neuer Substanzen beschleunigt.
Weiter heißt es, dass Instabilität und bewaffnete Konflikte im gesamten Nahen Osten den Handel mit Betäubungsmitteln und psychoaktiven Substanzen in der Region erleichtert. Der Handel und der Missbrauch von Methamphetamin haben in Ost- und Südostasien ein alarmierendes Ausmaß erreicht. In Südasien kam es zur Beschlagnahmung von Drogen in beispielloser Menge. Der INCB ist insofern besorgt, dass mehrere Länder noch nicht an den internationalen Übereinkommen zur Drogenkontrolle beteiligt sind.
Designerdrogen stellen eine Herausforderung dar
Nichtterminierte Chemikalien stellen laut INCB „eine bedeutende Herausforderung dar“. So schlägt der INCB vor, dass es weitere internationale politische Diskussionen geben muss. Man müsse einen Weg finden, um „Designerdrogen“ und neue psychoaktive Substanzen anzusprechen. Gleichzeitig müsse man verhindern, dass diese potenziell schädlichen Substanzen Menschen erreichen.
INCB feiert 50-jähriges Bestehen
Mit dem Jahresbericht 2018 feiert der INCB sein 50-jähriges Bestehen. Der Ausschuss wurde 1961 durch das Einheitliche Übereinkommen über Suchtdrogen (Narcotic Drugs) gegründet. Es handelt sich um ein unabhängiges gerichtsähnliches Gremium, das von den Ländern mit der Überwachung und Unterstützung der Umsetzung der drei internationalen Übereinkommen zur Drogenkontrolle beauftragt wird.
Der Vorstand arbeitet eng mit der Weltgesundheitsorganisation und dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen und Kriminalität zusammen. Die Konventionen wurzeln im Ziel, die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschheit zu schützen, einschließlich der vollen Wahrnehmung der Menschenrechte.
Es erfolgt eine nachdrückliche Auforderung an die Staaten, wirksame Strategien zur Verhinderung des Drogenkonsums und zur Bereitstellung von Dienstleistungen für Behandlung, Rehabilitation und soziale Wiedereingliederung zu entwickeln.
„Die heutigen Herausforderungen der Drogenkontrolle mögen abschreckend erscheinen. Aber diese Herausforderungen wurden durch kooperative Bemühungen und politischen Willen erfolgreich gemeistert“ erklärte Sumyai.