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Kopfschmerzen und Cannabis

Autor:
Dr. Christine Hutterer

Kopfschmerz ist nicht gleich Kopfschmerz. Es gibt mehr als 180 verschiedene Arten. Manchmal sitzen die Kopfschmerzen hinter der Stirn, manchmal am Hinterkopf. Manchmal ist nur eine Seite des Kopfes betroffen, sie pochen, stechen, drücken oder klopfen usw. So ist es nicht überraschend, dass es nicht “das eine” Mittel gegen Kopfschmerzen gibt. Genauso wenig kann die Frage beantwortet werden, ob oder wie gut Cannabis bzw. bestimmte Cannabinoide allgemein bei Kopfschmerzen wirken. Eine differenzierte Betrachtung der einzelnen (wichtigsten) Arten von Kopfschmerzen ist nötig.

Kopfschmerzen und Cannabis

THC (Tetrahydrocannabinol) und Cannabidiol (CBD) sind die bekanntesten Phytocannabinoide aus der Cannabispflanze. Verschiedenen Untersuchungen und Erfahrungsberichten ist zu entnehmen, dass Medizinalcannabis eine alternative Behandlungsoption bei verschiedenen Kopfschmerzarten, vor allem mit chronischem Verlauf, sein kann.

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Die häufigsten Arten von Kopfschmerzen sind der Spannungskopfschmerz, die Migräne und der Cluster-Kopfschmerz. Die Einordnung der Kopfschmerzen ist wichtig, um eine passende medizinische Therapie zu finden.

Dazu erfragt der Arzt in einem Anamnesegespräch die Lokalisation des Schmerzes, seine Dauer, Häufigkeit/Regelmäßigkeit, den Schmerzcharakter (dumpf-drückend, stechend, pulsierend), ob eine familiäre Komponente vorliegt und mögliche Begleitsymptome. Dabei kann die Zuordnung für den Arzt deutlich vereinfacht werden, wenn Patienten ein Kopfschmerztagebuch führen.

Unterschiedliche Schmerzen erfordern unterschiedliche Therapien

Ein akuter Kopfschmerz kann und muss medizinisch anders behandelt werden, als ständige Kopfschmerzen oder eine chronische Migräne.

Für unregelmäßig auftretende, leichte bis mäßige Kopfschmerzen gibt es eine Reihe guter Therapien bis hin zu Entspannungsmethoden und Verhaltenstherapien sowie Medikamente (Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Ibuprofen). Die Frage, ob und in welcher Weise Cannabinoide oder der medizinische Cannabiskonsum bei Kopfschmerzen helfen können, bezieht sich vor allem auf die schweren, sehr schmerzhaften und das Leben einschränkenden Kopfschmerzarten.

Für die Behandlung von neuropathischen Schmerzen (Nervenschmerzen), Muskelspastiken und Übelkeit gab es im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen mit medizinischem Cannabis gute Erfolge. Diese drei Beschwerden hängen vom Entstehungsweg her mit Kopfschmerzen zusammen.

Daher könnten die günstigen Wirkungen auch bei Kopfschmerzpatienten wirken. Beispielsweise die Wirkung gegen Übelkeit bei Patienten unter Chemotherapie könnte auch bei Migräne-bedingter Übelkeit vorhanden sein.

Welche Rolle spielt das Endocannabinoid-System?

Man weiß inzwischen sicher, dass das Endocannabinoidsystem an der zentralen Schmerzverarbeitung des Körpers beteiligt ist. Dazu ist das Zusammenspiel aus Endocannabinoiden, Endocannabinoid-Rezeptoren und Enzymen, die Endocannabinoide im Körper bilden und auch wieder abbauen, verantwortlich.

Eine mögliche Ursache von Schmerzen ist, dass das Endocannabinoid-System des Körpers zeitweise oder dauerhaft aus dem Gleichgewicht geraten ist und die Interaktion der Partner nicht mehr reibungslos funktioniert.

Viele Untersuchungen zeigen, dass Phytocannabinoide und synthetische Cannabinoide gegen neuropathische Schmerzen wirksam sein können. Dabei entstehen neuropathische Schmerzen durch die Schädigung von Nerven.

Kopfschmerzen sind nur selten die Folge einer Nervenschädigung – und wenn, dann sind sie dauerhaft und treten nicht nur gelegentlich auf. Nichtsdestotrotz ist das Endocannabinoidsystem an der Entstehung von Schmerzzuständen beteiligt. Wie groß der Anteil im Vergleich zu anderen Faktoren ist, ist noch Gegenstand der Forschung.

Medizinisches Cannabis bei Cluster-Kopfschmerzen

Cluster-Kopfschmerzen sind schwere, einseitige, meist stechende Schmerzen, die zwischen 10 Minuten und 3 Stunden andauern, aber innerhalb der folgenden Tage mehrfach wiederkehren können. Man vermutet, dass Cluster-Kopfschmerzen, ebenso wie Migräne, im Gehirn ausgelöst werden. Der Hypothalamus, der Hirnstamm und möglicherweise der Cortex (Großhirnrinde) kommen für Clusterkopfschmerzen in Frage.

Eine Befragung von 139 Patienten mit Cluster-Kopfschmerzen ergab, dass etwa jeder Vierte von günstigen Effekten berichtete. Die Wirkung reichte von sehr guter Wirkung bis zu einer Schmerzlinderung um die Hälfte. Allerdings beschrieben auch 22,4 Prozent der Patienten, dass durch Cannabis die Clusterkopfschmerz Attacken schlimmer wurden. Man vermutet, dass das mit der Verengung der Blutgefäße durch das Cannabis in Zusammenhang steht. Durch Cannabis verengen sich die Gefäße und der Blutdruck steigt. Clusterkopfschmerz Patienten reagieren auf diese Veränderungen zum Teil sehr empfindlich.

Einige Patienten bestätigen, dass Cannabissorten mit einem hohen THC-Gehalt (THC = Delta-9-Tetrahydrocannabinol) die Clusterkopfschmerzen verschlimmerten. Demgegenüber berichteten US-Forscher im Rahmen einer Studie aus dem Jahr 2009, dass Betroffene ihre Schmerzzustände mit Dronabinol lindern konnten. Dies wird darauf zurückgeführt, dass der positive Effekt mit einer hohen Konzentration von Cannabinoid-Rezeptoren im Hypothalamus zusammenhängen könnte.

Es ist unklar, warum Cannabis bei einigen Betroffenen schmerzlindernd wirkt und bei anderen Patienten die Clusterkopfschmerzen verschlimmern. Hier bedarf es noch einer intensiveren Forschung, um die genauen Vorgänge zu klären. Patienten müssten hier verschiedene Cannabissorten mit unterschiedlichen Cannabidiol (CBD) und THC Konzentrationen ausprobieren. Berichten zufolge erfahren einige Cannabis-Patienten eine Linderung, wenn der CBD Gehalt hoch und der THC niedrig ist. Wiederum andere berichten über eine positive Wirkung, wenn der THC Gehalt hoch und der CBD Gehalt niedrig ist. Eine Alternative zu medizinischem Cannabis wäre CBD-Öl. Dabei ist CBD-Öl ohne Rezept käuflich. Ein Vorteil ist hier, dass CBD keine berauschende Wirkung entfaltet.

Wie wirkt Cannabis bei Migräne?

Migräne ist definiert als ein 4 bis 72 Stunden anhaltender, typischerweise einseitiger und pulsierender Kopfschmerz. Die Stärke kann von mäßig bis schwer variieren. Eine Migräne geht häufig mit den Symptomen Licht- und/oder Geräuschempfindlichkeit einher.

Die Vorgänge, die zur Entstehung einer Migräne führen, sind noch nicht vollständig aufgeklärt. Neben bereits bekannten Faktoren ist in der jüngeren Vergangenheit das Endocannabinoidsystem in den Fokus gerückt. Klinische und experimentelle Daten lassen vermuten, dass eine Fehlregulation im ECS bzw. ein Mangel an Endocannabinoiden (körpereigenen Cannabinoiden) Auslöser für Migräne sein kann.

Beispielsweise sind bei einer Gruppe von Patienten mit chronischer Migräne die Mengen des Endocannabinoids Anandamid verringert. Normalerweise wird Anandamid nach Bedarf im Körper hergestellt. Nach getaner Arbeit erfolgt der Abbau durch das Enzym FAAH (fatty acid amide hydrolase). Die Beobachtung, dass Migräne-Patienten zu wenig Anandamid haben, sagt noch nichts darüber aus, wie dieser Mangel zustande kommt.

Es könnte sein, dass zu wenig Anandamid hergestellt wird. Es könnte aber auch sein, dass FAAH zu aktiv ist und das Anandamid zu schnell abbaut. Daher versucht man beispielsweise, das Enzym FAAH zu blockieren, damit es die Spaltung des Anandamids nicht mehr durchführen kann.

An diesen Prozessen forscht man intensiv. Wichtig ist herauszufinden, ob die Inhibition von FAAH unerwünschte Nebenwirkungen hat. Denn FAAH spaltet nicht ausschließlich Anandamid, sondern auch zahlreiche andere Moleküle. Untersuchungen zeigen, dass FAAH-Inhibition Schmerzzustände lindert und Entzündungen abschwächt. Allerdings ist noch unklar, ob das auch bei Migräne-Kopfschmerzen funktioniert.

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Klinische Studien fehlen noch

Zugegebenermaßen existieren noch kaum klinische Studien, die eine klare Evidenz für eine Cannabis-Behandlung bei der Migräne beweisen.

Allerdings gibt es eine Vielzahl von Patientenbeobachtungen, die eine gute Wirksamkeit bei einem Teil der Migräne-Patienten zeigen:

  • Je nach Befragung gaben zwischen 5 Prozent und 8,4 Prozent der Cannabis-Patienten an, Cannabis zur Behandlung ihrer Migräne einzunehmen.
  • 40,7 Prozent berichteten von einer Besserung bei Kopfschmerzen und Migräne.
  • Eine retrospektive Untersuchung ergab, dass 85,1 Prozent von Migräne-Patienten durch den Cannabis-Konsum einen Rückgang der Migräneattacken bemerkten.
  • 11,6 Prozent berichteten von schmerzlindernden Effekten.
  • Auch die Zahl der Besuche beim Arzt aufgrund der Migräne reduzierte sich deutlich.

Leider fehlen noch gute randomisierte und placebo-kontrollierte Studien, um die tatsächlichen Wirkungen besser beurteilen zu können. Denn so schön die genannten Ergebnisse sind, werden Patienten “nur” befragt oder sie berichten über eine Therapie, von der sie wissen, was sie erhalten haben, ist die Gefahr von Placebo-Effekten sehr groß.

Dennoch sind sicherlich nicht alle positiven Effekte “eingebildet”. Vielmehr sollten Untersuchungen zeigen, für welche Patienten eine Cannabis-Therapie bei Migräne geeignet ist und welche Cannabis-Medikamente sinnvoll sind.

Cannabinoide bei Spannungskopfschmerzen

Diese Kopfschmerzform kann selten oder häufig auftreten. Sie kann aber auch in chronische Schmerzen übergehen. Typischerweise ist der Schmerzzustand auf beiden Kopfhälften und fühlt sich an, als wird der Kopf eingeengt. Die Intensität ist schwach bis mäßig und der Schmerzzustand kann von wenigen Minuten bis zu mehreren Tagen andauern. Sie können im Gehirn entstehen, aber auch durch Verspannungen im Muskel- und Fasziengeweben als Reaktion auf Stress ausgelöst werden.

Die Datenlage zu Cannabis ist sehr dünn. Es gibt keine speziellen Studien hierzu. Eine Vermutung besteht darin, dass die spasmolytische Wirkung von Cannabis (Wirkung gegen Muskelspasmen) möglicherweise auf den Spannungskopfschmerz übertragen werden könnte. Der Gedanke dahinter ist, dass diese Kopfschmerzart häufig durch muskuläre Verspannungen und Stress getriggert werden und die entspannende Wirkung von Cannabis hier hilfreich sein könnte.

Cannabinoide bei medikamenteninduzierten Kopfschmerzen

Diese Kopfschmerzart entsteht durch die langfristige Verwendung bestimmter Medikamente. Interessanterweise können auch Medikamente, die ursprünglich gegen eine Kopfschmerzform eingenommen werden, nach längerer Einnahmedauer wiederum zu Kopfschmerzen führen. diese Schmerzzustände sind meist chronisch und treten an mehr als 15 Tagen pro Monat auf.

Im Rahmen einer Studie ließen sich Patienten mit Nabilon, einem synthetisch hergestellten THC-Wirkstoff, behandeln. Eine andere Gruppe erhielt Ibuprofen. Dabei zeigten beide Wirkstoffe Verbesserungen im Vergleich zur Anfangssituation. Unter Nabilon nahm die Einnahmer anderer Schmerzmittel deutlich stärker ab und auch die Schmerzenzustände waren größer. Die Patienten berichteten von einer deutlich gestiegenen Lebensqualität und einer positiven Wirkung gegenüber Ibuprofen.

Diese Studie zeigt klar das Potential von Cannabinoiden in der Behandlung dieser Kopfschmerzform. Einschränkend ist jedoch zu sagen, dass die Studie mit 26 Patienten relativ klein und die Dauer der Anwendung (8 Wochen) relativ kurz war. Eine allgemein Therapieempfehlung lässt sich daher nicht ableiten.

Anwendungsarten von Cannabinoiden

Seit März 2017 sind cannabisbasierte Arzneimittel und medizinische Cannabisblüten auf Rezept (Betäubungsmittel Rezept) erhältlich. Jeder Arzt, außer Tierärzte, dürfen Cannabis als Medizin verschreiben. Und das nicht nur bei verschiedenen Kopfschmerzarten, sondern auch bei vielen anderen Krankheiten. In der Regel hat Medizinalcannabis weniger Nebenwirkungen als herkömmliche Medikamente.

Cannabis als Medizin kann auf verschiedene Weisen eingenommen werden. Auch die Art der Einnahme kann beeinflussen, wie wirksam die Behandlung ist.

Rauchen von Cannabisblüten führt zu einem schnellen Wirkeintritt. Doch das Rauchen, meist noch in Kombination von Tabak, kann ebenfalls die Entstehung von Kopfschmerzzuständen begünstigen. Daher sind andere Einnahmearten zu empfehlen.

Wenn die Einnahme einer bestimmten Blütensorte notwendig ist, sollte ein für medizinischen Anwendung zugelassener Vaporisator verwendet werden. Ist das nicht nötig, bieten standardisierte Cannabis-Vollextrakte oder synthetische Cannabinoide eine gute Möglichkeit. Weiterer Vorteil dieser Anwendung ist die gute Dosierbarkeit.

Kopfschmerzen durch Cannabis

Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt ist allerdings, dass auch durch den Konsum von Cannabis verschiedene Kopfschmerzarten entstehen können. Cannabis wirkt verengend auf die Blutgefäße im Körper und im Gehirn und sorgt auf diese Weise dafür, dass der Blutdruck steigt. Beim Cannabis-Entzug bei abhängigen Personen können ebenfalls Kopfschmerzzustände auftreten.

 

Hinweis: In diesem Artikel berichten wir über rezeptpflichtiges CBD oder auch Cannabidiol. Dieser Artikel macht zur möglichen Zweckbestimmung keinerlei Vorschlag. Nutzversprechen bleiben den Apothekern überlassen.

Quellen:

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