Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Cannabis als Medizin steigen rasant an. Das teilte der GKV-Spitzenverband auf Anfrage des Deutschen Ärzteblattes mit. Während die Kassen im Juni 2017 noch 2,31 Millionen Euro für cannabishaltige Fertigarzneimittel, Cannabis-Zubereitungen und -Blüten bezahlt haben, lagen die Kosten nur im Monat April 2018 bei etwa 5,36 Millionen Euro.
Mit Abstand die größte Steigerung ermittelte die GKV bei den unverarbeiteten Cannabisblüten. Hier hat sich der Bruttoumsatz zwischen Juni 2017 und April 2018 mehr als verfünffacht – von fast 412.000 Euro pro Monat auf 2,33 Millionen Euro.
Für cannabishaltige Zubereitungen bezahlen die Krankenkassen inzwischen doppelt so viel, wie noch im vergangenen Jahr. Die Kosten stiegen von 840 Tausend Euro im Juni 2017 auf 1,7 Millionen Euro im April 2018. Die Ausgaben für Canemes-Kapseln und Sativex lagen bei knapp 46 Tausend Euro und 1,3 Millionen Euro im April 2018.
Einsparungen nicht eingerechnet, nur Kosten aufgelistet
Was in die Aufstellung der Kosten der GKV allerdings nicht einfließt, sind die Einsparungen der Kassen dadurch, dass Patienten ihre Medikamente durch Cannabis ersetzen. Wer seine Behandlung auf Cannabis als Medizin umstellt, kann andere Medikamente wie beispielsweise Schmerzmittel geringer dosieren oder sogar ganz absetzen. Die Einsparungen, die hierdurch entstehen, müssten die Kassen eigentlich gegen die Kosten von Medizinalhanf und cannabishaltigen Arzneimittel gegenrechnen. Dazu liegen aber keine Daten vor.
Hohe Preise für Cannabis aus der Apotheke
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) will sich zur Explosion der Kosten durch Cannabis nicht äußern. Man wolle die Entwicklung weiter beobachten und abwarten, bis sich die Umsatzzahlen stabilisiert hätten, hieß es.
Den GKV-Spitzenverband überraschen die Ausgaben nicht. Bereits 2016 wies der Kassenverband darauf hin, dass es insbesondere im ersten Jahr nach Einführung des Cannabis-Gesetzes zu einer verstärkten Patienten-Versorgung mit Cannabis-Arzneimitteln kommen würde.
„Für den Fall, dass in diesem Zeitraum der gesteigerte Bedarf allein durch Importe gedeckt würde, könnte die erhöhte Nachfrage zu Versorgungsproblemen und unkalkulierbar steigenden Preisen führen“, warnte der GKV-Spitzenverband vor zwei Jahren.
Allerdings sind nicht vorrangig die Importeure für die hohen Preise von pharmazeutischem Cannabis verantwortlich. Diese kommen vor allem dadurch zustande, dass die Apotheken einen Aufschlag von 100 Prozent auf Cannabisblüten berechnen. Daher wird auch der zukünftige Anbau im Inland die Preise wohl nur bedingt reduzieren.
Der GKV-Spitzenverband und der Apothekerverband (ABDA) verhandeln bereits seit letztem Herbst über eine Reduzierung der Preise für Medizinalhanf. Bisher ist die lang ersehnte Einigung noch nicht in Sicht.
Neue Ausschreibung für Cannabisanbau in Deutschland
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) teilte mit, dass es bereits auf die aktuellen Entwicklungen reagiert habe: Eine neue Ausschreibung für den Anbau und den Kauf von Cannabis wurde veröffentlicht. Leafly.de berichtete. Die darin ausgeschriebenen Mengen haben sich von 6,6 Tonnen auf 10,4 Tonnen Cannabis erhöht.
Bisher liegen keine Zahlen dazu vor, wie viele Tonnen Cannabis pro Jahr bereits jetzt Apotheker an Patienten ausgehändigen. Weder der GKV-Spitzenverband, noch die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) oder das BfArM konnten die Frage beantworten. Da Experten davon ausgehen, dass die Zahl der Cannabispatienten weiter steigen wird, ist fraglich, ob die jetzt ausgeschriebenen 10,4 Tonnen den Bedarf decken werden.