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Kostenübernahme: Gericht entscheidet für Patientin

Gesa-2019 Autor:
Gesa Riedewald

Eine Frau, die an schweren Depressionen leidet, hat sich vor dem Gericht die Kostenübernahme ihrer Cannabistherapie durch die Krankenkasse erkämpft. Übliche Antidepressiva halfen ihr nicht. Das Urteil ist bemerkenswert, weil die Frau an keinen weiteren Erkrankungen leidet. Das Gericht bestätigte, dass hier eine schwerwiegende Krankheit vorliegt. Außerdem unterstützt das Urteil den behandelnden Arzt.

Kostenübernahme: Gericht entscheidet für Patientin

In Hannover hat ein Rechtsanwalt für seine Mandantin, die an Depressionen leidet, die Kostenübernahme für eine Cannabistherapie erstritten. Weitere Erkrankungen hat die Patientin nicht. Das Sozialgericht Hannover hat in zwei Eilverfahren und in der Hauptsache nun zugunsten der Frau entschieden, sodass sie jetzt mit Medizinalcannabis (1,0 g/Tag) versorgt wird.

Chronische Depression: Antidepressiva helfen nicht

Die Cannabispatientin leidet seit etlichen Jahren an chronischer Depression. Die Erkrankung äußert sich bei ihr durch Weinen, massive Schlafstörungen und negative Gedankengänge – die teilweise sogar in Suizidgedanken gipfeln.

In den vergangenen Jahren hat die Frau mehrere stark wirkende Antidepressiva eingenommen – auch hochdosiert. Mirtazapin, Paroxetin, Fluoxetin und Trimipramin hat die Patientin ausprobiert. Der gewünschte Erfolg jedoch trat nicht ein. Stattdessen zeigten sich unangenehme Nebenwirkungen, wie extreme Müdigkeit, Kontrollverluste, Panikattacken und rauschähnliche Zustände. Teilweise verstärkten die Medikamente sogar die Symptome der Depression.

Da alle eingenommenen Medikamente nicht den gewünschten Erfolg brachten, hatte die Frau aus Niedersachsen eigentlich schon die Hoffnung auf Linderung ihrer Krankheitssymptome aufgegeben. Auch die Eigentherapie mit homöopathischen Mitteln brauchte keine wesentliche Besserung ihrer Leiden.

Neue Lebensqualität durch Cannabisblüten

Letztlich informierte sich die Frau über die Therapiemöglichkeiten mit Cannabinoiden. Durch Freunde bekam sie die Möglichkeit, Cannabis selber zu testen. Sie merkte schnell: Die psychischen Symptome gingen zurück, die Beschwerden wurden besser. Die Frau konnte wieder gut schlafen, verlor Gewicht und die Panikattacken verschwanden. Sie wurde wieder aktiv und konnte Sport treiben. Durch diese enorme Steigerung der Lebensqualität war es ihr darüber hinaus möglich, auf Alkohol zu verzichten. Die Depressionen wurden durch Cannabis deutlich reduziert und die lebensbedrohlichen Selbstmordgedanken verschwanden komplett.

Nach einiger Zeit der Eigentherapie sprach die Patientin mit ihrem behandelnden Arzt und präsentierte ihm ihre Erfolge. Der Mediziner hat bereits Erfahrung mit dem Einsatz von Cannabinoiden. Jedoch wollte er, bevor er eine ärztliche Meinung ausdrückt, Recherchen zum Thema Cannabistherapie bei psychischen Erkrankungen vornehmen. Vor dem Hintergrund der Krankheitsgeschichte der Frau und der unzumutbaren Nebenwirkungen, die Antidepressiva in diesem Fall hervorriefen, sah er die Therapie mit Cannabis als Medizin als gerechtfertigt und Erfolg versprechend an.

Krankenkasse lehnte Kostenübernahme ab

Die Krankenkasse jedoch teilte die Ansicht des behandelnden Arztes nicht und lehnte den Antrag auf Kostenübernahme der Cannabistherapie ab. Die Patientin hätte die erheblichen Kosten der Behandlung jedoch nicht aus eigener Tasche bezahlen können. Nach der endgültigen Ablehnung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse erhob die Frau Klage.

Es war ein langer Weg, aber am Ende hatte die Patientin Erfolg: Nach insgesamt drei gerichtlichen Entscheidungen, davon zwei Eilverfahren, gab das Sozialgericht Hannover der Frau Recht – so hat sie sich ihre Kostenübernahme erstritten.

Gericht entscheidet pro Patientin

Das Gericht begründet seine Entscheidungen im Wesentlichen damit, dass die gesetzlich vorgesehene Fiktionswirkung eingetreten ist. Was bedeutet das? Die Krankenkasse muss über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang entscheiden. Wird ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) eingeholt, verlängert sich diese Frist auf fünf Wochen nach Antragseingang. Wird diese Frist ohne einen hinreichenden Grund nicht eingehalten, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V).

Darüber hinaus erkennt das Gericht an, dass bei der Klägerin eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt. Ihre schweren psychischen Leiden waren durch den behandelnden Arzt und sogar den MDK bestätigt worden. Außerdem folgt das Gericht dem Arzt in seiner Argumentation, dass bestehende Standardtherapien ausgeschöpft sind. Die durchgeführte Behandlung mit Psychopharmaka war offensichtlich nicht erfolgreich.

Gericht bestätigt Depression als schwerwiegende Erkrankung

Der Anwalt der Cannabispatientin, der sie vor Gericht vertreten hat, freut sich über die Entscheidungen des Sozialgerichtes Hannover. „Selbstverständlich muss in dieser Sache Berücksichtigung finden, dass die Entscheidung im Wesentlichen auf der Fiktionswirkung des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V basiert, also auf der verzögerten Bearbeitung des Antrags auf Kostenübernahme der Cannabistherapie durch die Krankenkasse“, erklärt Rechtsanwalt Martin Rokahr. Das positive Urteil ist für ihn aber auch grundsätzlich für die Kostenübernahme bei Cannabistherapien relevant:

„Vor allem in der Hauptsacheentscheidung finden sich richtige und meiner Meinung nach ganz grundsätzliche Erwägungen hinsichtlich der Kostenübernahmefähigkeit einer Cannabistherapie bei „nur“ psychischen Erkrankungen. Das Sozialgericht Hannover bestätigt das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung im Sinne des SGB V bei Depressionen als Voraussetzung für die Kostenübernahme der Therapie. Des Weiteren wird in der Hauptsacheentscheidung auch noch der Rücken der behandelnden Ärzte gestärkt, indem das Gericht aufgrund der Angaben des behandelnden Arztes ebenfalls vom Therapieerfolg der Cannabistherapie im vorliegenden Fall überzeugt ist und dies so auch begründet.“

Patientin kommt aus Illegalität heraus

Rechtsanwalt Martin Rokahr berichtet uns von Leafly.de, dass er weiterhin mit seiner Mandantin im Kontakt steht. Die jahrelangen Belastungen durch die Symptome sind jetzt auf ein Minimum gesunken – dadurch hat sich ihre Lebensqualität deutlich verbessert.

„Daneben weiß ich auch, dass ihr nach eigenen Angaben nun ein erheblicher Druck genommen wurde. Selbstverständlich geht es hierbei vorwiegend um die ansonsten nicht mögliche Finanzierung der Therapie aus eigenen Mitteln, sondern auch darum, dass die Therapie meiner Mandantin mit Cannabinoiden nun aus der Illegalität herausgenommen worden ist und sie dementsprechend durch die Medikamenteneinnahme keine strafrechtliche Verfolgung mehr zu erwarten hat.“

Kontakt:

RA Martin Rokahr
Kanzlei Kälble & Kollegen
Königstraße 50 a
30175 Hannover

Webseite

info@kanzlei-kaelble.de

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