Einfach wäre zu einfach
Christine erhielt im September 2015 die Diagnose Brustkrebs. Für jede betroffen Frau ist das ein Moment im Leben, der einen überrollt. Christines Leben veränderte sich dramatisch. Nach einer Operation erhielt die gelernte Krankenschwester aus Heide zwei Strahlentherapien. Doch der Krebs streute. Bereits im Juni 2016 entdeckten die Ärzte Metastasen in der Wirbelsäule und im Becken.
Brustkrebs (Mammakarzinom) ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Eine von acht Frauen erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Jüngere Frauen sind nur selten betroffen. Erst ab dem 40. und besonders ab dem 50. Lebensjahr steigt das Risiko, sinkt dann allerdings mit rund 70 Jahren wieder.
Was sind Metastasen?
Das Wort Metastase stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Übersiedlung“ oder „Wanderung“. Metastasen sind Tumorzellen, die sich ablösen und an anderer Stelle im Körper wieder auftreten.
Brustkrebs gilt heute als gut heilbar. Die Statistik zeigt allerdings auch, dass die Wahrscheinlichkeit von Metastasen-Bildung etwa 25 Prozent beträgt. Bei metastasiertem Brustkrebs bilden sich häufig Absiedlungen in den Knochen. Es können aber auch andere Organe wie Leber, Hirn oder Lunge betroffen sein. Metastasen zeigen sich vor allem durch Schmerzen in den betroffenen Körperbereichen.
Von Methadon zu Cannabis als Medizin
Ab Juli 2017 bekommt die Krebspatientin Christine Methadon als Schmerzmittel. Darüber hinaus wird Methadon eine antikarzinogene Wirkung nachgesagt, die den Verlauf der Erkrankung verlangsamen könnte. Aber Christine leidet immens unter den Nebenwirkungen des Methadons: Sie hat Kopfschmerzen, starke Verstopfung, Herzrhythmusstörungen und Schwindelgefühle. Auch Depressionen belasten sie stark. Daher steigt sie im Dezember 2018 von Methadon auf Cannabis als Medizin um.
Christine wendet Cannabisblüten mit einem Verdampfer an. Die Krankenkasse hat ihren Cannabis-Antrag problemlos genehmigt. “Ich habe allerdings auch sehr viele Befunde und meine Krankengeschichte in eigenen Worten – nur Fakten – in den Antrag gelegt”, erzählt uns Christine. Ihre Ärztin verschreibt ihr Argyle und Peace Naturals 16/1. Diese Cannabissorten verträgt die Krebspatientin sehr gut. Aber leider, wie so viele Cannabispatienten, hat auch Christine Erfahrungen mit Lieferengpässen machen müssen. Die ihr verschriebenen Sorten sind derzeit nicht verfügbar.
Daher ist die Krebspatientin auf Pedanios 18/1 und Orange No.1 umgestiegen. Diese Sorten verträgt Christine aber nicht so gut – und sie sind auch nicht so wirksam bei ihr:
“Pedanios ist für mich viel zu stark und Orange No.1 hat nicht so eine gute stimmungsaufhellende und schmerzreduzierend Wirkung. Deshalb habe ich daraus jetzt Butter, Kekse und Creme gemacht, weil sie dann wenigstens zum Teil wie gewünscht wirken.”
Lipo-Lymphödem
Brustkrebs ist nicht die einzige Erkrankung, mit der Christine zu kämpfen hat. Die Frau aus Schleswig-Holstein ist seit 2009 chronische Schmerzpatientin, nachdem sie mehrere Bandscheibenschäden erlitten hat. Darüber hinaus leidet sie an einem Lipo-Lymphödem und verschiedenen anderen Beschwerden.
Das Lipödem ist eine chronische Erkrankung, die nahezu ausschließlich bei Frauen auftritt. In Deutschland leiden schätzungsweise rund 4 Millionen Frauen an einem Lipödem. Es zeigt sich durch eine Fettverteilungsstörung, bei der sich vor allem an den Hüften, Po und Oberschenkeln Fettgewebe unkontrolliert anhäuft. Es können ab auch die Arme betroffen sein. Charakteristisch ist außerdem eine gesteigerte Druckschmerzhaftigkeit sowie häufig Spontanschmerzen.
Wenn irgendwann zu viel Fettgewebe auf das Lymphsystem drückt, kann sich zusätzlich ein sekundäres Lymphödem bilden. Der Lymphtransport funktioniert nicht mehr und die Lymphflüssigkeit staut sich. Dann lautet die Diagnose Lipo-Lymphödem. Das Lipo-Lymphödem zeigt sich durch geschwollene Fußrücken oder Handrücken.
Wie beim Lipödem können beim Lipo-Lymphödem lediglich die Symptome, nicht aber die Ursachen behandelt werden. Daher ist der Kontakt zu anderen Betroffenen sehr wertvoll. Selbsthilfegruppen bieten Unterstützung und Rat.
Christine bietet Hilfestellung
Trotz ihrer schweren Krebserkrankung setzt sich Christine für andere kranke Menschen ein. Sie arbeitet bei LiLy’s Voice Europe gUG als ehrenamtliche Geschäftsführerin und Patientenvertreterin. LiLy’s Voice ist eine europaweit tätige gemeinnützige Organisation, die Patienten mit Lip- und Lymphödem sowie Dercum Erkrankung unterstützt und informiert.
Darüber hinaus bietet Christine als erfahrene Cannabis-Patientin anderen Betroffenen Unterstützung bei ihrem Cannabis-Antrag für die Krankenkasse. Aber auch wenn es um Widerspruch geht, hilft die ehemalige Krankenschwester. Und sie stellt ihre persönlichen Erfahrungen mit den verschiedenen Cannabissorten zur Verfügung.
“Wenn ich irgendwie unterstützen kann, dann los, solange ich noch da bin. Es ist wichtig, denn es rettet Leben und Seelen.”
Patienteninfos
Name: Christine
Alter: 52
Wohnort: Schleswig-Holstein
Krankenkasse: Techniker Krankenkasse
Diagnose/n: metastasierter Brustkrebs, Lipo-Lymphödem, Bandscheibenschaden
Medikation: Cannabisblüten
Fachrichtung des verschreibenden Arztes: Allgemeinmedizinerin
Das Leafly.de Patienteninterview
Leafly: Seit wann wendest Du Cannabis als Medizin an?
Christine: Seit Dezember 2018
Leafly: Wie bist Du denn darauf gekommen?
Christine: Ich habe vorher 12 Monate Methadon als Schmerzmittel und wegen seiner antikarzinogenen Wirkung eingenommen, aber sehr stark unter den Nebenwirkungen gelitten. Deshalb habe ich mich entschieden, es mit Cannabisblüten zu versuchen. Dronabinol oder Cannabisextrakte möchte ich nicht. Dronabinol enthält ja nur THC. Vollspektrum-Extrakte möchte ich eigentlich auch nicht, da ich mit den Blüten einfach ein breiteres Spektrum an Einnahmemöglichkeiten zur Verfügung habe. Denn jede Einnahme hat ihre eigene Wirkungsverzögerung und auch ihre eigene Wirkdauer und somit kann ich auf unterschiedlichen Ebenen an meinen Schmerzen und meiner Psyche arbeiten.
Leafly: Wie war das erste Mal?
Christine: Da ich mit dem Vaporisator inhaliert habe und da nur 0,2 g in jeder Kapsel drin sind, war ich weder benommen noch irgendetwas. Ich spürte allerdings nach rund 10 Minuten bereits, dass meine Schmerzen weniger wurden.
Leafly: In welchen Momenten wendest Du es an?
Christine: Normalerweise inhaliere ich morgens eine Kapsel von CBD-reichen Cannabissorten und am Abend eine Kapsel von THC-reichen Cannabissorten. Gegen Mittag kann ich, wenn die Inhalation nicht ausreicht, auch mit Cannabisbutter auf einem Stück Brot nachdosieren. Da ich derzeit nicht über die richtigen Blüten verfüge, dosiere ich lokal über die selbst hergestellte Creme und am Abend über selbstgebackene Kekse.
Leafly: Hattest Du Schwierigkeiten mit der Krankenkasse?
Christine: Nein, das hat sofort mit dem Antrag funktioniert.
Leafly: Hast Du Angst vor einer Abhängigkeit?
Christine: Nein. Ich habe 12 Monate Methadon eingenommen und habe schwere Nebenwirkungen davon gehabt. Dort habe ich eine, wenn auch nur geringe, Abhängigkeit bemerkt. Das war nach dem Ausschleichen aber auch wieder relativ schnell weg, da ich nur eine sehr geringe Menge Methadon eingenommen habe. Ich spüre keinerlei Abhängigkeitssymptome bei Cannabis. Wenn ich es nicht benötige, kann ich es auch gut weglassen, ohne dass ich irgendwelche Entzugssymptome habe.
Leafly: War Dein Medikament einmal nicht lieferbar? Was hast Du dann gemacht?
Christine: Ja, leider. Argyle und Peace Naturals sind gar nicht lieferbar, seit Monaten. Das ist sehr schade, denn diese Sorten habe ich wirklich sehr gut vertragen.
Leafly: Geht es Dir gut? Bist Du jetzt glücklich?
Christine: Es würde mir deutlich besser gehen, wenn ich meine Cannabissorten haben könnte.
Wir bewundern Dein Engagement, liebe Christine. Wir wünschen Dir viel Kraft und alles erdenklich Gute für die Zukunft!
Link Christine:
https://www.instagram.com/living_with_metastatic_cancer/
https://www.facebook.com/livingwithmetastaticcancer
Erfahren Sie hier mehr über Brustkrebs und die Behandlungsmöglichkeiten.