Update vom 15.3.2019: “Das Problem ist das System in der Schweiz”
Franziska nimmt seit 2009 Cannabis als Schmerzmittel ein: “Es ist das Einzige, was mir hilft”, erzählt uns die junge Frau aus Zürich. Sie hat eine Sonderbewilligung vom Bundesamt für Gesundheit, die es ihr erlaubt, Cannabis-Tropfen aus der Apotheke zu kaufen. Diese kann sich Franziska aber nicht leisten. “Sie sind sehr teuer und für mich viel zu schwach.
Eine Flasche Cannabis-Tinktur (entspricht ca. 500 mg THC) kostet umgerechnet knapp unter 500 Euro. Die Unfallversicherung würde diese Kosten einmal pro Monat übernehmen, aber die Flasche würde für Franziska nur zwei Tage lang reichen. Daher nimmt die Schweizerin diese Tinktur nicht ein – sie ist einfach zu teuer. Die Cannabis-Tinktur aus der Apotheke würde im Monat über 7.000 Euro kosten. Und diese hohen Kosten übernimmt die Versicherung nicht. Daher ist Franziska darauf angewiesen, sich ihre Cannabis-Medizin auf illegalem Weg über den Schwarzmarkt zu besorgen.
Sie nimmt täglich fünf Kapseln mit Cannabis-Vollextrakt mit jeweils 50 mg THC ein. An einem schlechten Tag können es auch doppelt so viele sein. Außerdem vaporisiert Franziska Cannabisblüten. Diese sind allerdings in der Schweiz nicht legal erhältlich – auch nicht mit einer Sonderbewilligung, wie Franziska sie besitzt.
Patienten werden in Illegalität gedrängt
Franziska kritisiert, dass sich Cannabispatienten in der Schweiz noch immer illegal helfen müssen:
“Man weiß nicht was in den Produkten drin ist, die man konsumiert. Ich nehme Cannabis relativ hoch dosiert ein, ich schätze, so zwischen 300 bis 800 mg THC täglich. Ich habe keinerlei Nebenwirkungen mehr. Wenn man bedenkt, dass ich mehr als zehn Medikamente abgesetzt habe, ist das aber gar nicht so viel. Früher habe ich zum Teil 800 mg Wirkstoff pro Medikament eingenommen.”
Die querschnittsgelähmte Frau verbringt den Winter in Teneriffa. Dort kann sie ihre Cannabis-Produkte in einem Medical Social Club kaufen: “In Spanien belaufen sich meine monatlichen Kosten auf ca. 750 € oder ein bisschen mehr. Diese Kosten werden mir von der Unfallversicherung vergütet.”
Da Franziska einen großen Teil der Kosten für ihre Cannabis-Arzneimittel selbst tragen muss, geht sie sparsam damit um. Hinzu kommt, dass sie “in der Schweiz auch keine sichere Bezugsquelle” hat. Sie leidet unter dem “Beschaffungsstress” und geht auch deshalb zurückhaltend mit ihrem Vorrat um.
Cannabis-Vollextrakt und Cannabisblüten
Franziska nimmt einen Cannabis-Vollextrakt ein. CBD alleine hilft bei ihr nicht, sie benötigt auch hoch dosiertes THC gegen die Schmerzen und Krämpfe. “Zudem zeigt meine Erfahrung, dass es wichtig ist, die Wirkstoffe der ganzen Pflanze einzunehmen – Stichwort Entourage-Effekt”, erklärt uns die Schweizerin. Franziska hat darüber hinaus die Erfahrung gemacht, dass es für sie vorteilhaft ist, ab und zu die Cannabissorte zu wechseln:
“Wenn ich mich zu sehr an eine Cannabissorte gewöhne, dämpft es nach einer Weile die Schmerzen nicht mehr so gut. Wenn ich dann die Sorte wechsle, ist die Wirkung wieder besser. Ebenfalls habe ich gemerkt, dass der schmerzstillende Effekt bei mir besonders gut ist, wenn ich Cannabis zusammen mit Lebensmitteln einnehme. Es braucht aber fast drei Stunden, bis die Wirkung richtig einsetzt.”
Bei der oralen Einnahme von Cannabis setzt die Wirkung allgemein später ein als beim Verdampfen. Dafür erhält der Körper einen konstanten Cannabinoid-Spiegel. Zur akuten Schmerzbekämpfung und bei spastischen Krämpfen nutzt Franziska hingegen den Vaporizer.
Die junge Frau ist weiterhin sehr engagiert und investiert viel Zeit in den Medical Cannabis Verein Schweiz, dessen Präsidentin sie ist. Inzwischen arbeitet sie mindestens zwei Tage pro Woche für den Verein. Sie gestaltet die Webseite und organisiert monatliche Patiententreffs in Zürich, Bern und Basel.
Ursprüngliche Patientenakte vom 24.10.17:
Am 17. Mai 2009 wollte Franziska, erfolgreiche Grafikerin einer Werbeagentur, mal wieder ihrem geliebten Hobby nachgehen. Der Gleitschirm lag bereit, sie lief los und stolperte. Ein falscher Schritt und sie brach sich den Hals. Ein operativer Eingriff war nötig, um ihr das Leben zu retten, doch die Schädigung der Halswirbel waren so gravierend, dass alle Gliedmaßen gelähmt waren: Franziska hatte die Kontrolle über ihren Körper verloren – man spricht von einer Tetraplegie.
Die üblichen Schmerzmittel und ihre Nebenwirkungen
Franziska konnte ab diesem Moment lediglich den Kopf bewegen. Ungefähr zwei bis drei Monate nach dem Unfall begannen Schmerzen und Spasmen ihren gesamten Körper zu peinigen. Um dem entgegenzuwirken, bekam sie zehn verschiedene Schmerzmittel: Morphine, Antidepressiva, Opiate, Benzodiazepine, Muskelrelanzien. Eben alles, was der Markt hergab, landete in ihrer Pillendose.
Die Nebenwirkungen ließen nicht lange auf sich warten: Magen- und Darmverätzungen, Unruhe und Depressionen. Die Opiate musste sie aufgrund einer Unverträglichkeit sofort wieder absetzen. Dies löste bei ihr eine Kettenreaktion aus, die in einen Abwärtsstrudel führte. Hinzu kam die Verarbeitung des Unfalls, der ihr komplettes Leben, ihre Pläne und ihre Zukunft in den Grundfesten erschüttert hatte.
Der Cannabis-Tipp
Eine gute Freundin von Franziska gab ihr bei einem Krankenhausbesuch im September 2009 den entscheidenden Tipp. Sie hatte im Internet gelesen, dass Cannabis, Schmerzen, Krämpfe und Spasmen lindern könne.
Franziska ließ sich auf einen Test ein. Und ihr Körper entspannte sich. Auch ihre mentale Verfassung verbesserte sich rasant. Franziska fasste wieder Mut.
Ärzte willigen ein, doch die monatlichen Kosten sind schwer zu tragen
Nachdem Franziska für sich herausfand, dass Cannabis ihr extrem gut half, unterstützten ihre Freunde sie zunächst sehr. Doch Franziska wollte mehr. Sie sah nicht ein, dass das einzige Mittel, das ihr half, nicht von der Unfallkasse getragen wurde. Sie sollte stattdessen weiterhin viele Schmerzmittel und Antidepressiva mit all den Nebenwirkungen nehmen.
So suchte Franziska sich einen Arzt, der ihr medizinisches Cannabis verschrieb. Damit war aber nur eine Hürde genommen, denn die Unfallkasse wollte lediglich ein Viertel des monatlichen Bedarfs decken.
Trotz der relativ guten Frührente konnte Franziska diese zusätzlichen Kosten von ca. 1.000 Franken (ca. 865 Euro) pro Monat nicht tragen, da sie zudem noch die Kosten für ihre beiden täglich benötigten Assistentinnen auf sich nehmen musste. Ohne diese menschliche Hilfe könnte sie nicht aktiv am Leben teilnehmen.
Franziska findet ihre eigene Lösung
So begann sich Franziska ins Thema hinein zu lesen. Hilfe fand sie im Medical Cannabis Verein Schweiz. Als der damalige Präsident starb, übernahm sie die Präsidentschaft. Der Verein und die erfahrenen Mitglieder halfen ihr, die Therapie richtig einzustellen.
Bei einem Spanienaufenthalt knüpfte sie Kontakte zu den dort ansässigen Cannabis-Clubs. Dort hatte sie die Möglichkeit die richtige Dosierung herauszufinden, da sie bei diesen Produkten immer genau wusste, wie viel darin enthalten ist. Das dringend benötigte Vollextrakt-Cannabis-Öl war dort sehr viel günstiger als in der Schweiz.
Seitdem schreibt und engagiert sich Franziska liebevoll für die Cannabispatienten in der Schweiz. Auf ihrer Webseite informiert sie über die verschiedenen Präparate und Anwendungsgebiete, neue Gesetzestexte und deren Interpretationen und macht auf Patientenvereinigungen aufmerksam. Franziska verdient jegliche Bewunderung. Trotz der großen Hürden in ihrem Leben meistert sie dies mit großem Mut, Willen und Engagement. Sie gibt nicht auf – seit acht Jahren!
Franziska ist ein sehr positiver Mensch. Ihrer ehemaligen Tätigkeit als Grafikerin kommt sie auf ihre Art noch immer nach. Sie läßt sich durch die extremen Bewegungseinschränkungen nicht bremsen und malt wunderschöne Bilder, die sie auf ihrer eigenen Seite präsentiert.
Liebe Franzi, Du bist eine wahre Heldin!
Patienteninfos:
Name: Franziska Quadri
Alter: 42
Wohnort/Bundesland: Zürich, CH
Krankenkasse: Unfallversicherung
Anamnese: Tetraplegikerin – schmerzhafte Lähmung der Gliedmaßen mit Spasmen, Depressionen
Medikation: 40 mg Lioresal (1/0/1/2), 40 mg THC (10/10/10/10), 100 mg CBD (20/20/20/40)
Das Leafly.de Patienteninterview
Leafly.de: Seit wann wendest Du medizinisches Cannabis an?
Franzi: Seit September 2009
Leafly.de: Wie bist Du denn darauf gekommen?
Franzi: Eine gute Freundin, hat im Internet darüber gelesen. Daraufhin haben wir uns zusammengesetzt und es getestet. Und siehe da: es funktionierte.
Leafly.de: In welchen Momenten wendest Du es an?
Franzi: Als Dauermedikation gegen meine Schmerzen, Spasmen, Krämpfe und Depressionen
Leafly.de: Welchen Wirkstoff hat das Präparat und in welcher Dosierung nimmst Du es?
Franzi: Von der Cannabistinktur morgens, mittags und abends je THC 10mg und CBD 20mg. Nachts THC 10mg und CBD 40 mg. Zusätzlich wurde mir 40mg Lioresal über den Tag verteilt verschrieben. Ich nehme aber noch zusätzlich meine illegalen Tropfen und verdampfe Cannabisblüten. Alles in allem habe ich bestimmt 200 mg THC und 200 mg CBD am Tag. Vielleicht auch mehr.
Leafly.de: Gibt es Schwierigkeiten mit der Krankenkasse?
Franzi: Ja. Durch den Unfall werde ich von der Unfallkrankenkasse betreut. Sie trägt lediglich einen Teil der Kosten. Im Prinzip kann man sagen, dass sie den Bedarf der Medikamente von einer Woche pro Monat trägt.
Leafly.de: Hast Du Angst vor einer Abhängigkeit?
Franzi: Absolut nicht. Es war sehr viel schlimmer mit den Präparaten, die ich vorher nehmen musste. Die hatten eine schwere Abhängigkeit zur Folge, deren Entzugserscheinungen ich mit dem Cannabis sehr lange bekämpfen musste. Inzwischen kann man sagen, dass ich es überwunden habe.
Links Franziska:
http://franziskaquadri.ch/
https://www.youtube.com/watch?v=9SrSnKc-V8o
https://www.srf.ch/sendungen/dok/eine-tetraplegikerin-und-ihr-kampf-um-ein-selbstaendiges-leben
http://www.behindertenseelsorge.ch/videos-zur-inklusion-1/tetraplegikerin-franziska-quadri-mein-koerper-mein-schmerz
http://www.medcan.ch/
Hinweis: In diesem Artikel berichten wir über rezeptpflichtiges CBD oder auch Cannabidiol. Dieser Artikel macht zur möglichen Zweckbestimmung keinerlei Vorschlag. Nutzversprechen bleiben den Apothekern überlassen.