Die Schmerzen bleiben – trotz Operation
“Als ich mit starken Schmerzen im Januar 2000 zu einem Orthopäden gegangen bin, wusste ich nicht, dass mein Leidensweg jetzt erst beginnen sollte …”
Nach zahlreichen Untersuchungen wurde bei Heike Wirbelgleiten oder Spondylolisthesis diagnostiziert. Bei dieser Erkrankung gleitet ein Wirbelkörper über dem nächst tieferen Wirbel. Durch das Wirbelgleiten kann das Rückenmark eingeklemmt werden, was zu Schmerzen und Funktionsausfällen der Nerven führt. Die Bewegungen sind eingeschränkt. Als Folgen der Spondylolisthesis können Lähmungen, Taubheitsgefühle, Gefühlsstörungen sowie Arthrose auftreten. Wenn die Bandscheibe stark abgenutzt wird, kann es zum Bandscheibenvorfall kommen.
Heikes Wirbelgleiten wurde zunächst mit Schmerzmitteln und Physiotherapie behandelt. Da die Schmerzen aber immer stärker wurden, entschieden sich die Ärzte 2003 zu einer Operation: Der untere Teil von Heikes Wirbelsäule wurde versteift. Durch diesen Eingriff wurden die Rückenschmerzen zunächst besser, aber die Schmerzen in Armen und Beinen verstärkten sich sogar.
Magnesiummangel und Restless-Legs-Syndrom
Verschiedene Ärzte waren der Meinung, Heike leide an Magnesiummangel. Es folgten acht Jahre, in denen die Frau aus Rheinland-Pfalz mit Medikamenten auf Magnesiummangel behandelt wurde – später stellte sich dies als Fehldiagnose raus.
Heike litt weiterhin an starken Schmerzen – obwohl sie Opioide einnahm. Inzwischen glaubten die Ärzte, dass die Beschwerden psychische Ursachen hätten. Bis ein Neurologe, der den Schmerzen auf den Grund gehen wollte, um Heikes Einverständnis bat, ihr Nervenwasser zu entnehmen. “Ich war so glücklich, dass mich endlich jemand ernst nahm!” Der Mediziner diagnostizierte das Restless-Legs-Syndrom und eine Langzeitschädigung durch Medikamente.
Das Restless-Legs-Syndrom (RLS) ist eine neurologische Erkrankung, die etwa drei bis zehn Prozent der Deutschen betrifft. Dabei kommt RLS wesentlich häufiger bei Frauen als bei Männern vor. Viele Betroffene müssen medikamentös behandelt werden. Charakteristisch für das Restless-Legs-Syndrom sind die unruhigen Beine. Die Betroffenen verspüren einen starken Drang, ihre Beine zu bewegen. Hinzu kommen Kribbeln, Ziehen und Schmerzen in den Beinen, bis hin zu krampfähnlichen Beschwerden.
Diagnose Fibromyalgie
“Als dann später noch die Diagnose Fibromyalgie dazu kam und ich nach 13 Jahren trotz Morphium nicht schmerzfrei war, hat mein Hausarzt mit mir den Antrag auf medizinisches Cannabis gestellt”, erzählt uns die heute 57-Jährige.
Das Fibromyalgie-Syndrom ist durch eine Vielzahl von Krankheitssymptomen gekennzeichnet ist. Bei jedem Patienten herrscht eine andere Kombination vor. Fibromyalgie steht für „Faser-Muskel-Schmerz“. Die charakteristischen Symptome sind allgemeine Muskel- und Bindegewebsschmerzen sowie Druckschmerz über bestimmten Schmerzpunkten („Tender Points“). Begleitet wird die Erkrankung von körperlichen als auch psychischen Symptomen, wie beispielsweise Morgensteifigkeit, Wetterfühligkeit, Müdigkeit, Schlafstörungen, Antriebsschwäche und Konzentrationsschwierigkeiten.
Cannabis als Medizin bringt Besserung der Symptome
Der Krankenkassen-Antrag, den der Hausarzt einreicht, wird abgelehnt, wie auch der Widerspruch. Daraufhin stellt der Hausarzt Privatrezepte für Cannabisblüten aus. “Da die Blüten mir halfen, wollte ich nicht aufhören zu kämpfen”, so die Rheinland-Pfälzerin.
Rund ein Jahr später ist sie erneut Patientin in einer stationären Schmerztherapie eines Krankenhauses. Die Chefärztin ist offen für Cannabis als Medizin und stellt den Antrag auf Cannabis-Therapie bei der Krankenkasse. “Ich war so glücklich”, erzählt Heike. Nach nur drei Wochen kam die schriftliche Zusage der Kasse. Zur Verwunderung der Ärztin allerdings nicht für Cannabisblüten, wie beantragt, sondern für Dronabinol.
“Das sind zwar keine Blüten, aus denen ich auch Salbe machen könnte, aber mittlerweile war ich so müde vom Kämpfen, dass ich erstmal zufrieden war, da mir das Dronabinol auch besser half als das Morphium.”
Heike sucht noch nach ihrem idealen Cannabis-Medikament
Heute nimmt Heike Dronabinol als Dauermedikation ein. Schmerzspitzen hat sie immer noch, die fängt sie mit Morphin ab. Früher hatte sie Schmerzen von 8 bis 10 auf der Schmerzskala, heute liegt sie bei 4 bis 5. Schmerz lässt sich nicht objektiv messen. Mediziner arbeiten mit einem Fragebogen, auf dem die Patienten die Stärke der Schmerzen auf einer Skala von 0 bis 10 selber angeben.
Mit ihrem Cannabis-Arzneimittel (CAM) kommt die chronische Schmerzpatientin tagsüber gut zurecht. Sie kann mit ihren Hunden spazieren gehen und den Alltag bewältigen. Arbeiten kann Heike allerdings nicht. Aufgrund der verschiedenen Erkrankungen wurde sie frühzeitig berentet.
Leider hilft der Cannabispatientin das Medikament Dronabinol nicht ausreichend, um nachts gut und erholsam zu schlafen. Daher will Heike einen neuen Anlauf starten und gemeinsam mit ihrer Ärztin ein anderes Cannabis-Produkt ausprobieren, das ihr hoffentlich auch nachts hilft, in den Schlaf zu finden.
Patienteninfos
Name: Heike
Alter: 57 Jahre
Wohnort: Rheinland-Pfalz
Krankenkasse: Viactiv BKK
Diagnose/n: Wirbelgleiten, Fibromyalgie, Arthrose, Restless-Legs-Syndrom
Medikation: Dronabinol
Fachrichtung des verschreibenden Arztes: Schmerztherapeutin
Das Leafly.de Patienteninterview
Leafly: Seit wann wendest Du Cannabis als Medizin an?
Heike: Seit August 2018. Davor habe ich es aber bereits durch eine Freundin ausprobieren können, die selbst Cannabis auf Rezept erhält und mir ein wenig abgeben konnte.
Leafly: Wie bist Du denn darauf gekommen?
Heike: Durch eben diese Freundin, die an MS erkrankt ist und von ihrem Arzt Cannabisblüten verschrieben bekommt.
Leafly: Wie war das erste Mal?
Heike: Meine Freundin hat mir aus Cannabisblüten eine Salbe gemacht und die habe ich auf meine Beine aufgetragen. Sie wurden direkt besser – zuerst konnte ich gar nicht glauben, dass es tatsächlich durch die Salbe kommt. Aber es war so. Danach habe ich 3 Monate Cannabisblüten auf Privatrezept von meinem Hausarzt erhalten und inzwischen Dronabinol auf Rezept.
Leafly: In welchen Momenten wendest Du es an?
Heike: Als Dauermedikation, dreimal täglich.
Leafly: Hattest Du Schwierigkeiten mit der Krankenkasse?
Heike: Ja, sehr viele! Zuerst habe ich Cannabis auf Privatrezept erhalten. Dann habe ich bei meiner Krankenkassen einen Antrag auf Kostenübernahme der Behandlung mit Cannabis gestellt. Mein Hausarzt hat nach drei Monaten nachgefragt, dann bekamen wir die Ablehnung. Bei meiner Schmerztherapeutin wurde der Antrag bereits nach drei Wochen genehmigt. Allerdings nur für Dronabinol, nicht für die beantragten Cannabisblüten.
Leafly: Hast Du Angst vor einer Abhängigkeit?
Heike: Nein, dafür habe ich zu lang Morphium genommen. Der Entzug von Oxicodon war die Hölle, das wünsche ich niemandem.
Leafly: War Dein Medikament einmal nicht lieferbar? Was hast Du dann gemacht?
Heike: Ich bekomme Dronabinol, das ist kein Problem. Da gibt es keine Lieferschwierigkeiten.
Leafly: Geht es Dir gut? Bist Du jetzt glücklich?
Heike: Mir geht es besser, aber nicht gut. Ich habe noch immer Probleme und Schmerzen, aber inzwischen weniger. Auch habe ich immer noch Schmerzspitzen – vor allem am Abend und am Morgen. Leider kann ich mit Dronabinol nur schlecht schlafen. Abends bin ich todmüde, aber wenn ich ins Bett gehe, halten mich die Schmerzen und die Unruhe wach. Ich werde daher mit meiner Ärztin besprechen, ob wir ein anderes Cannabis-Medikament ausprobieren können, dass mir auch beim Schlafen hilft.
Vielen Dank, liebe Heike, dass Du uns von Deiner Geschichte erzählt hast. Wir hoffen, dass Du bald ein Medikament findest, dass Dir noch besser hilft und wünschen Dir alles Gute.
Hier finden Sie weitere Informationen zu Fibromyalgie und Medizinalcannabis.