“Ich war nicht mehr ich”
Vince erleidet im August 2011 einen epileptischen Anfall. Wie sich herausstellt, ist er an einer Virusenzephalitis erkrankt. Von einem Tag auf den anderen ist sein Leben ein anderes. “Eine große Fläche meines Gehirns wurde durch die Krankheit zerstört”, erzählt uns Vince. “Ich musste alles wieder von vorn lernen. Ich wusste nicht mal mehr, was zwei plus zwei ist.”
Als Folge der Virusenzephalitis entwickelt der Mann aus Rheinland-Pfalz eine Epilepsie mit Bewusstseinseintrübungen. Darüber hinaus leidet er unter einem Müdigkeitssyndrom: Er ist schnell erschöpft und muss sich viel ausruhen. Zu diesem schweren Schicksalsschlag kommt – nicht erstaunlich – eine depressive Verstimmung hinzu.
Was ist eine Virusenzephalitis?
Mediziner bezeichnen mit Enzephalitis eine Entzündung des Gehirns. Verschiedene Auslöser können für die Erkrankung verantwortlich sein. Bei einer Virusenzephalitis verursachen, wie der Name schon sagt, Viren die Entzündung im Gehirn. Dabei kommen verschiedene Erreger in Frage, wie das Herpes Simplex Virus, FSME-Viren und andere.
Die Erkrankung ist lebensbedrohlich und fordert ein schnelles Einschreiten durch einen fachkundigen Arzt. Die Art des Erregers wirkt sich entscheidend auf die Symptome aus. Diese treten häufig schlagartig auf.
Folgende Symptome kommen bei den meisten Formen der Virusenzephalitis vor:
- Fieber
- Bewusstseinsstörungen
- Antriebslosigkeit
- Aggressionen
- innere Unruhe
- Psychose (ca. bei der Hälfte der Betroffenen)
Folgende neurologischen Ausfälle können ebenfalls auftreten:
- Lähmung der Extremitäten (Arme oder Beine)
- Blicklähmung
- Sprachstörungen
- Gleichgewichtsstörungen
- Krampfanfälle (epileptische Anfälle)
Der jeweilige Erreger der Enzephalitis ist auch entscheidend über den Verlauf der Krankheit. Die Virusenzephalitis kann nur einige Tage oder viele Wochen andauern. Die Aussicht auf Heilung hängt von der Schwere der Erkrankung, der Art des Erregers und der Zeit bis zum Beginn der Behandlung ab.
Vince: Medizinalcannabis gegen die Kopfschmerzen
Inzwischen sind acht Jahre vergangen. Vince hat seine Epilepsie mit dem Medikament Levetiracetam im Griff. Der gebürtige Italiener, der seit seinem zweiten Lebensjahr in Deutschland lebt, leidet noch immer an kognitiven Einschränkungen, aber im Alltag zeigt sich eine Verbesserung. Auch seine allgemeine Stimmung hat sich gehoben.
Eine Folge der Enzephalitits sind starke chronische Kopfschmerzen, die Vince mit keinem Medikament lindern konnte. Seit circa einem Jahr hilft ihm Medizinalcannabis. Auch sein Neurologe bestätigt Vince schriftlich, dass er unter der schmerztherapeutischen Behandlung mit Memantin und Cannabinoiden leistungsfähiger ist. Der Facharzt befürwortet die weitere Therapie mit Cannabis.
Allerdings verschreibt nicht Vinces Neurologe, sonder ein Allgemeinmediziner das Medizinalcannabis – auf Privatrezept. Einen Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse möchte der Arzt nicht stellen. Vince fühlt sich hilflos und weiß nicht, wie er weiter vorgehen soll.
“Ich möchte gerne, dass meine Krankenkasse die Kosten für mein Cannabis-Medikament übernimmt”, erzählt er uns. “Aber ich weiß nicht, an welchen Arzt ich mich wenden soll.”
Zurück ins Berufsleben
Vinces größtes Ziel ist es, wieder arbeitsfähig zu sein und für seine Familie sorgen zu können. Der ehemalige Zahntechniker erhält zurzeit Erwerbsminderungsrente, aber er möchte langsam wieder ins Berufsleben einsteigen. “Ich habe damals meine Prüfungen mit eins bestanden. Vor meiner Erkrankung war ich ein gelobter Zahntechniker. Ich will wieder etwas leisten.” Deshalb hat Vince einen Termin mit dem Sozialverband VdK gemacht und hofft, hier Hilfestellung zu erhalten.
“Der Weg, um wieder aufzustehen, war und ist sehr lang und schwer!”
Patienteninfos
Name: Vince
Alter: 49 Jahre
Wohnort: Rheinland-Pfalz
Krankenkasse: KKH
Diagnose/n: Folgen einer Virusenzephalitis: Gedächtnisstörung, chronischer Spannungskopfschmerz, Epilepsie und mehr
Medikation: Levetiracetam, Memantin, Cannabisblüten
Fachrichtung des verschreibenden Arztes: Arzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren
Das Leafly.de Patienteninterview
Leafly: Seit wann wendest Du Cannabis als Medizin an?
Vince: Seit dem 4.12.2018
Leafly: Wie bist Du denn darauf gekommen?
Vince: In meiner Jugend habe ich Gebrauch von Cannabis gemacht – immer dezent und nie übertrieben. Daher kannte ich Cannabis.
Leafly: Wie war das erste Mal?
Vince: Meine Schmerzen wurden gelindert und mein Gehirn funktioniert besser. Das wurde beim Neurologen auch im EEG nachgewiesen.
Leafly: In welchen Momenten wendest Du es an?
Vince: So vier- bis sechsmal am Tag in kleiner Dosis, um die Schmerzen zu lindern und mich besser zu konzentrieren. Mit dem Cannabis werden irgendwie meine Synapsen besser verbunden. Der Virus hat leider einen großen Schaden hinterlassen!
Leafly: Hattest Du Schwierigkeiten mit der Krankenkasse?
Vince: Ich habe noch keinen Antrag gestellt. Wie soll ich da vorgehen? Ich würde Hilfe benötigen. Ich würde mich sehr freuen, wenn mich jemand unterstützen könnte.
Leafly: Hast Du Angst vor einer Abhängigkeit?
Vince: Ein wenig schon.
Leafly: War Dein Medikament einmal nicht lieferbar? Was hast Du dann gemacht?
Vince: Ja war es. Da hab ich mich an den Schwarzmarkt gewendet.
Leafly: Geht es Dir gut? Bist Du jetzt glücklich?
Vince: Es geht mir viel, viel besser. Mein Ziel ist, wieder arbeitsfähig zu werden. Ich bin mir sicher, das ich jetzt wieder halbtags arbeiten kann, aber da brauche ich Unterstützung.
Lieber Vince, vielen Dank für dieses Gespräch. Wir wünschen Dir alles erdenklich Gute für Deine Zukunft.
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