Update vom 19. April:
Marco hat uns gerade informiert, dass seine Krankenkasse die Kostenübernahme endlich bestätigt hat. Er hat dies allein erreicht, ohne Hilfe des Sozialverbandes VDK. Wir freuen uns sehr für und mit Marco und wünschen ihm alles alles Gute!
Wer in den 80ern schon laufen konnte, weiß, dass es das Jahrzehnt der intensiven Demonstrationen war. So zeigte auch Marco 1985 seine Meinung. Doch er hatte Pech: Ein Polizist trat ihm in den Rücken. Nach einer mehrstündigen Untersuchungshaft ging er zum Arzt. Es gab keine große Untersuchung, lediglich die Verschreibung von Schmerzmitteln. Einen großen Bluterguss hatte Marco noch bis zu sechs Wochen nach der Demonstration.
Die Tagesdosen erhöhen sich
In den anschließenden fünf bis zehn Jahren fanden keine Untersuchungen statt. Die Schmerzen wurden immer schlimmer. Inzwischen lag die Tagesdosis seines Opioids Tramadol bei zwei bis drei Esslöffeln. Andere Schmerzmittel gesellten sich hinzu. Die Nebenwirkungen ließen nicht lange auf sich warten. Durchfall, Schweißausbrüche, Aggressionen, Unruhe, Gleichgewichtsstörungen, Sehstörungen und vieles mehr beeinträchtigten Marcos Leben inzwischen so sehr, dass er sich 1997 für einen Entzug entschied. Anschließend begleiteten herkömmliche Schmerzmittel seinen Alltag.
Hepatitis C und die Folgen
Das neue Jahrtausend fing für Marco dann leider mit der Diagnose Hepatitis C an. Die folgende Chemotherapie machte ihm sehr zu schaffen. Seinen Beruf als Gärtner konnte er inzwischen nicht mehr ausüben. Als Folge der langjährigen Schmerzen der Chemo, die ihm seine letzten Kraftreserven nahm, rutschte Marco in eine Fatigue hinein. Es handelt sich dabei um eine Form der Depression, die oft bei langjährig erkrankten Patienten auftritt. Oft liegt der Grund darin, dass der Patient meint, seinen eigenen Anforderungen nicht mehr zu genügen.
Ein abgebissener Finger
2011 biss sein Jack Russell einen von Marcos Fingern ab. Unerträgliche Phantomschmerzen ließen nicht lange auf sich warten. Nun wurde Marcos Tagesmenge von Schmerzmitteln noch um eine Tagesdosis von 25 bis 30 mg des Antidepressivum Citalopram ergänzt. Spätestens ab diesem Moment lag Marco eigentlich nur noch paralysiert herum. Als er seinen Zustand begriff, waren bereits zwei Jahre vergangen. Sofort entschied er sich für den Entzug und setzte das Antidepressivum ab.
Noch mehr Diagnosen
Marco begann sich immer mehr über seinen Zustand zu sorgen. 2015 unterzog er sich nochmals genauen Untersuchungen. Heraus kam, dass er an multiplen Bandscheibenvorfällen sowie einer Spinalkanalverengung der Wirbelsäule litt. Und wieder kam eine wahre Flut von verschreibungspflichtigen Medikamenten auf Marco zu. Als er nach einigen Monaten die Höchstdosis des Opioids Tilidin weit überschritten hatte, wachte er auf. Er begann sich zu fragen, ob das alles nicht zu viel sei. Vor allem mit einer Leber, die schon eine Hepatitis C aushalten musste. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen. So entschied er sich für einen erneuten Medikamentenentzug, den er Mitte 2017 hinter sich hatte.
Ein Freund rät zur Behandlung mit Cannabis
Ein Freund von Marco schlug ihm 2017 die Schmerzbehandlung mit Cannabis vor. Der Hausarzt, den Marco schon sehr lange kennt, las sich gern in das Thema ein. Zunächst stellte er ihm ein Privatrezept aus und die beiden verfassten den Antrag für die Krankenkasse zur Kostenübernahme. Diese lehnte mit den Begründungen ab, Marco hätte ja schon Cannabis mit einem Privatrezept bekommen, er sei noch nicht austherapiert und er hätte eine Vorgeschichte. Marco hat dagegen natürlich Einspruch eingelegt, denn die Kosten für eine Privatbehandlung (ca. 1.700 Euro/Monat) überschreiten sein Budget um ein Vielfaches. Eine Antwort steht noch aus.
Suche nach Anerkennung der Fakten
So einfach ist die Realität: Fast jedes Schmerzmittel hat Marco in den letzten drei Jahrzehnten probiert und heftige Nebenwirkungen erduldet. Doch der medizinische Einsatz von Cannabis hat geschafft, was keine andere Behandlung konnte. Die Schmerzen sind erträglich und sein Lebenswille ist wieder da. Ohne Nebenwirkungen. Daher versteht Marco nicht, warum seine Krankenkasse für jedes, für ihn mit schweren Nebenwirkungen verbundenes Präparat bezahlt, aber noch immer vor einer Behandlung mit hoch effektivem Cannabis zurück schreckt. Was Marco sich wünscht, ist, dass die Krankenkasse seinen Weg zur Linderung seiner Leiden anerkennt und ihn und seinen Weg nicht zum Spielball von Ideologien macht.
Patienteninfos
Name: Marco
Alter: 53
Wohnort/Bundesland: Hessen
Krankenkasse: Techniker
Diagnose: Spinalkanalverengung Wirbelsäule, Bandscheibenvorfall, Phantomschmerzen, Fatigue
Medikation: morgens Orange No. 2, abends Red No. 4. Insgesamt 3-5 x 0,5 g
Fachrichtung des verschreibenden Arztes: Allgemeinmediziner
Das Leafly.de Patienteninterview
Leafly.de: Seit wann wendest Du Cannabis als Medizin an?
Marco: Seit Ende 2017.
Leafly.de: Wie bist Du denn darauf gekommen?
Marco: Ein Freund hat es mir geraten. Er ist Heilpraktiker.
Leafly.de: Wie war das erste Mal?
Marco: Extrem entspannend. Ich war damals sehr am Boden, hatte gerade einen Medikamentenentzug hinter mir. Sofort hatte ich kaum mehr Schmerzen und meine schlechten Gedanken, die ich in den Jahren mit mir herum trug, waren wie weggeblasen.
Leafly.de: In welchen Momenten wendest Du es an?
Marco: Als Dauermedikation.
Leafly.de: Welches Präparat in welcher Dosierung nimmst Du?
Marco: Morgens und tagsüber Orange No. 2 und abends zum Schlafen Red. No.4. So verdampfe ich drei- bis fünfmal am Tag jeweils circa 0,5 g.
Leafly.de: Gibt es Schwierigkeiten mit der Krankenkasse?
Marco: Ja, sehr große. Sie wollen die Kosten nicht übernehmen. Aber ich kämpfe weiter.
Leafly.de: Hast Du Angst vor einer Abhängigkeit?
Marco: Nein, ganz und gar nicht. Ich habe schon Opiat-Entzüge hinter mir. Das ist wirklich schlimm.
Leafly.de: Was ist Dein Job?
Marco: Meinen Beruf als Gärtner kann ich nicht mehr ausüben. Seitdem ich mit Cannabis behandelt werde, bin ich wieder fitter geworden und meine Psyche hat sich stabilisiert. Das und mein wunderbarer Hund haben mir den Antrieb gegeben, mich neu zu orientieren. Inzwischen arbeite ich sogar wieder – ehrenamtlich als Hundetrainer. Es tut gut, wieder ein nützlicher Bestandteil der Gesellschaft zu sein.
Leafly.de: Geht es Dir gut? Bist Du glücklich?
Marco: Ja, mir geht es sehr viel besser. Mein Hund hat auch noch einmal sehr viel neue Qualität in mein Leben gebracht. Ich achte sehr darauf, dass mein Tag klar strukturiert ist. Ja – mein Leben ist endlich wieder lebenswert.
Vielen Dank für Deine Offenheit, lieber Marco. Wie wünschen Dir alles Glück der Welt für Deinen weiteren Weg.