StartseiteAlle ArtikelNewsLebermoos als Alternative zu THC?

Lebermoos als Alternative zu THC?

Leafly: Alexandra Latour Autor:
Alexandra Latour

„Ein Moos könnte Hanf in der Medizin schlagen“ – „Moos statt Cannabis“ – „Substanz aus Moos könnte Cannabis in der Medizin überlegen sein“ – so lauten aktuell die Schlagzeilen. Grund hierfür sind die Studienergebnisse von Schweizer Forschern, die herausgefunden haben, dass eine im Lebermoos befindliche Cannabinoidverbindung ähnlich wie THC an Cannabinoidrezeptoren andocken kann.

Lebermoos als Alternative zu THC?

Im Allgemeinen gilt Lebermoos als verlässlich gegen Schimmelpilze und Bakterien in Haus und Garten. Jedoch gilt das Moos im Blumenbeet eher als Störenfried. Im Gegensatz dazu kann das Moos aber auch als natürliches Pflanzenstärkungsmittel dienen. Aber auch Pferdefreunde schwören auf Lebermoosextrakt, denn dieses gehört zu den klassischen Hilfsmitteln, wenn ein Pferd an einer Pilzerkrankung leidet. Seinen Ursprung hat das Lebermoos übrigens im Mittelalter. So wurden dem Wein verschiedene Lebermoosarten zugesetzt, um so Leberbeschwerden zu lindern. Die Anwendungsmöglichkeiten der grünen Pflanze sind also durchaus sehr vielfältig und nicht neu.

Lebermoos produziert natürliche Cannabinoide

Dass Lebermoos in der Lage ist, Cannabinoide zu produzieren, ist ebenfalls nicht neu. In den 1990er Jahren erklärte schon unter anderem der Forscher Masao Toyota (Tokushima Bunri University Japan) in seiner Arbeit, dass in der Radula-Gattung (Radula perrottetii, Radula marginata und Radula laxramea) die natürliche Cannabinoidverbindung Perrotettinen vorkommt. Desgleichen tat Frank Cullmann von der Universität des Saarlandes in seiner Arbeit.

Die chemische Struktur der Cannabinoidverbindung Perrotettinen ähnelt der von THC. Aus diesem Grund wird Lebermoos schon seit vielen Jahren als „legales High“ angeboten.

Biochemischer und pharmakologischer Vergleich von THC und Perrottetinen

Die Forscher der Universität Bern haben jetzt die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlicht und damit einen großen Hype ausgelöst. Jürg Gertsch von der Universität Berlin hat gemeinsam mit Erick Carreira von der ETH Zürich das Perrottetinen mit THC biochemisch und pharmakologisch verglichen. In Tiermodellen zeigte sich, dass die Cannabinoidverbindung Perrottetinen ebenso wie THC einfach in das Gehirn gelangt, um dort Cannabinoid-Rezeptoren zu aktivieren. Weiter heißt es, dass Perrottetinen vermutlich eine stärkere entzündungshemmende Wirkung im Gehirn aufweisen könnte als THC.

Abb. 1 Phylogenetische Trennung von Bryophyten und Angiospermen und konvergente Evolution des Tetrahydrocannabinoid-Gerüsts in (-) - trans-THC und (-) - cis-PET. Beide Cannabinoide wirken als partielle Agonisten an CB1-Rezeptoren in vitro und in vivo. Ma, Mega-Jahr. Bildnachweis: S. Fischer (D-CHAB, LOC, ETH Zürich).

Abb. 1 Phylogenetische Trennung von Bryophyten und Angiospermen und konvergente Evolution des Tetrahydrocannabinoid-Gerüsts in (-) – trans-THC und (-) – cis-PET. Beide Cannabinoide wirken als partielle Agonisten an CB1-Rezeptoren in vitro und in vivo. Ma, Mega-Jahr. Bildnachweis: S. Fischer (D-CHAB, LOC, ETH Zürich).

„Es ist erstaunlich, dass nur zwei Pflanzengattungen, die 300 Millionen Jahre in der Entwicklungsgeschichte auseinanderliegen, psychoaktive Cannabinoide produzieren“, führte Gertsch in einem Artikel aus.

Weiter heißt es, dass das Forscherteam in Perrottetinen ein Entwicklungspotenzial für medizinische Anwendungen.

“Dieser Naturstoff wirkt weniger stark psychoaktiv und könnte gleichzeitig entzündliche Prozesse im Gehirn blockieren.“

Die Studienergebnisse deuten also durchaus darauf hin, dass Perrottetinen ähnlich wie (körpereigene) Endocannabinoide oder THC an Cannabinoid-Rezeptoren wirken können. Allerdings reicht diese Studie nicht aus, um behaupten zu können, dass Lebermoos tatsächlich THC ersetzen kann. Es sind viele weitere Untersuchungen, vor allem in präklinischen Modellen, notwendig.

„Um Cannabinoidforschung zu betreiben, braucht es solide Grundlagenforschung im Bereich der biochemischen und pharmakologischen Mechanismen, wie auch kontrollierte klinische Studien“, führte Gertsch aus.

 

Ähnliche Artikel