„Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.“
Der Miesepeter und Cannabispolitik
Natürlich lese ich regelmäßig mit Begeisterung die Texte aller anderen Leafly-Kolumnisten. Dabei ist mir neulich aufgefallen, dass ich irgendwie die eher negativen Kolumnen verfasse. Zugegebenermaßen kamen tatsächlich noch nicht viele positive Statements von mir. Nachdem ich mir länger den Kopf darüber zerbrochen habe, bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass das schon so in Ordnung ist. Es hat einfach seine Gründe, wie mir erst dieser Tage wieder mehrfach schmerzlich vor Augen geführt wurde.
Vor allem die aktuellen Entwicklungen in der Cannabispolitik, sowohl medizinisch als auch strafrechtlich, machen mir zu schaffen. Aber auch das heiß diskutierte Thema Arztsuche bzw. die Einstellung vieler Ärzte gegenüber Cannabis als Medizin holte mich wieder im Alltag ein. Wenn man sich wie ich als Patient, der wirklich wissen will, was politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich im Bezug auf Cannabis vor sich geht, intensiver mit der Thematik beschäftigt, kommt man nicht umhin, ein klein wenig pessimistisch zu werden. Aber der Reihe nach.
Das gibt´s bei uns nicht
Ich habe bereits erzählt, wie schwer es ist, einen Arzt zu finden, der sich auf eine Behandlung mit Cannabis einlässt. In unserer Region gibt es quasi keine Chance, einen Treffer zu landen. Diese Tage erreichte mich die Nachricht, dass meine Hausärztin mich sehen wollte. Das Sozialgericht hat ihr einen Fragebogen geschickt, mit dem sie nichts anzufangen weiß. Ich bin quasi Zeit meines Lebens Patient in dieser Praxis und habe trotzdem nicht dort wegen einer Behandlung mit Cannabis angefragt. Ich wusste bereits aus vorherigen Besuchen, dass das Thema eher tabu ist.
Nun gab ich mir einen Ruck und klärte die gute Frau über meine Situation als Cannabispatient auf. Die erste Aussage zum Thema war ein bestimmtes: „Nur damit du es weißt, bei uns gibt es sowas nicht.“ Ich sagte ihr, dass mir das bewusst ist, ich es aber nicht in Ordnung finde. Ihre größte Angst ist, dass ich und auch keiner sonst weiß, was das „Zeug da oben anrichtet“. Auf meine Frage hin, wie sie es rechtfertigen kann, dass weltweit nachweislich Hunderttausende Menschen an Opiaten und Morphinen sterben oder abhängig werden und diese trotzdem ohne große Aufklärung weiter verschrieben werden bekam ich leider keine Antwort.
Auch mein Hinweis, dass sich die Studienlage in den letzten Jahrzehnten doch stark geändert hat, verpuffte. Sie riet mir noch, mich nicht so aufzuregen. Das sei nicht gut für meine Rückenschmerzen. Sie entließ mich mit einer ordentlichen Portion Wut im Bauch und einem witzig gemeinten „Chill mal down“. Trotz meiner fast vierzig Lenze kam ich mir vor, als wäre ich immer noch der kleine Junge, der von seiner Mama in die Praxis gefahren wurde. Jetzt kann ich noch besser die Verzweiflung der Menschen verstehen, die keine Chance haben, einen offenen Arzt zu finden. Und die sich nicht wie mündige Bürger behandelt fühlen.
Lieferengpässe zu Weihnachten
Am Tag nach dem frustrierenden Arztbesuch habe ich dann erstmals über den Lieferstopp des kanadischen Herstellers Aurora gelesen und mir schwante nichts Gutes. Letztes Jahr kurz vor Weihnachten war schon einmal die Situation eingetreten, dass ein kanadischer Hersteller Lieferschwierigkeiten hatte. Damals war zwar auch nicht meine Sorte betroffen, jedoch dauerte es nicht lange, bis auch diese vergriffen war, da die Patienten des anderen Herstellers auf meine Sorte ausweichen mussten.
Noch am gleichen Tag habe ich in meiner Apotheke angerufen und tatsächlich gab es bis auf zwei Sorten nur noch die holländischer Hersteller. Zu Weihnachten wird es wohl spätestens ähnlich katastrophal aussehen wie letztes Jahr, was die Versorgungslage angeht. Nun stellt sich die Frage, ob man ausschließlich den Hersteller dafür verantwortlich machen kann, oder ob nicht doch die deutsche Cannabispolitik das Problem ist.
Cannabispolitik – fehlerhafte Planung oder einfach Ignoranz?
Man konnte erst kürzlich nachlesen, dass die kanadischen Hanfbauern auf tonnenweise Überproduktionen sitzen und fragt sich dann natürlich, wie es sein kann, dass sich hierzulande die Apotheken leeren. Das hängt zum einen mit einer Mischung aus Inkompetenz und Ignoranz in der deutschen Cannabispolitik zusammen. Trotz Hinweisen von mehreren Seiten, hält die Regierung immer wieder an viel zu niedrigen Importmengen fest. Der Anbau im eigenen Land verzögert sich immer wieder und zuletzt schrieb das BfArM die Anbaumengen für jeden ersichtlich deutlich zu niedrig aus.
Deutschland wird also ohne Gesetzesanpassungen weiterhin von den Importen abhängig sein. Diese Abhängigkeit wird sogar, trotz Anbaus in Deutschland, weiter steigen. Die ohnehin schon zu niedrig angesetzten Mengen können nicht Schritt halten mit dem Anstieg der Verordnungen in letzter Zeit. Allein im ersten Halbjahr 2019 sind die Verordnungszahlen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 53 Prozent gestiegen. Und hierbei berücksichtigt die Statistik nur die Patienten, denen die Krankenkasse die Kosten erstattet. Privatzahler wie ich und Tausende andere fallen bei dieser Rechnung unter den Tisch. Man muss nur die Patientenakten überfliegen, dann bekommt man eine Vorstellung davon, wie hoch der Anteil der Privatzahler ist.
Zum anderen wird die typisch deutsche bzw. europäische Bürokratie zum Hindernis, mehr Cannabis aus Kanada zu importieren. So darf in deutschen Apotheken nur Cannabis vertrieben werden, welches nach GMP (Good manufacturing process) Richtlinien hergestellt wurde. Da das Cannabis für den kanadischen Markt nicht nach diesen Standards gezüchtet wird, kommt es für einen Import nach Deutschland nicht in Frage und verstaubt in kanadischen Lagern. Dort bricht der Preis entsprechend zusammen und liegt nur noch bei einem Bruchteil des hiesigen Preises.
Undurchsichtige Methoden und kaum Bewegung
Ich habe Euch letztes Mal bereits etwas ausführlicher darüber berichtet, was mir und anderen Patienten schon so alles im Bezug auf die Qualität unserer Medizin passiert ist. Im Angesicht von Samen in den Blüten und müffelnden Dosen fällt es einem schwer nachzuvollziehen, was dieses GMP überhaupt wert ist. Auf Nachfragen reagiert der Hersteller entweder nicht, oder verweist auf Ärzte und Apotheker. Ich finde es absolut richtig, dass für Cannabiserzeugnisse keine Werbung gemacht werden darf und das muss auch so bleiben.
Aber es hat nicht im Entferntesten mit Werbung zu tun, wenn ein Patient Informationen über sein (sehr teures) Medikament haben will. Sei es, im Bezug auf Qualitätsschwankungen oder auf das Terpenprofil, über deren Wichtigkeit auch immer mehr bekannt wird. Ich weiß nicht, welche (chemischen) Dünger, Pestizide, Herbizide, Strahlen im Herstellungsprozess eingesetzt werden. Ich weiß nicht, wie und wie lange die Hersteller trocknen und ob sie überhaupt fermentieren (langsame Reifung zur vollen Entwicklung des Profils).
Cannabispolitik – „nur der Anstrich hat sich verändert“
Leider ist vonseiten der Bundesregierung nicht zu erkennen, dass sie das Problem verstanden haben. Eine ausreichende Erhöhung der importierten Mengen erwägt sie ebenso wenig, wie eine deutliche Erhöhung der Anbaumengen im Inland. Oder gar eine Eigenversorgung durch die Patienten. Die neue Bundesdrogenbeauftragte hat sich zwar neulich mit dem deutschen Hanfverband als größte Cannabis-Lobbygruppe getroffen. Jedoch lassen die Tatsachen, dass die sonst so twitterfreudige CSU-Politikerin dieses Treffen mit keinem Wort erwähnt, wie auch die ungewohnte Zurückhaltung des DHV zum Treffen, keine wirklich positiven Schlüsse zu.
Auch, dass Frau Ludwig Cannabis öffentlich als „Zeug“ bezeichnet und genug darüber gehört habe, um es niemals probieren zu wollen, im Gegensatz dazu aber nach wie vor Alkohol als kulturell akzeptiert verharmlost, lässt vermuten, dass sich in der deutschen Cannabispolitik nur der Anstrich verändert hat.
Ich kann nur hoffen, dass die öffentliche Meinung sich weiter dreht und die Politik dem öffentlichen Druck irgendwann nachgibt. Dafür müssen wir alle zusammen helfen und in unserem jeweiligen Umfeld anfangen, den Menschen die Augen zu öffnen.
Vielleicht bringt das neue Jahr mehr gute Neuigkeiten für alle Cannabispatienten und somit auch positiveren Output von mir. Ich wünsche es uns allen und Euch schöne Feiertage und einen guten Rusch.
Euer Luke