„Das Geld, das man besitzt, ist das Mittel zur Freiheit, dasjenige, dem man nachjagt, das Mittel zur Knechtschaft.“
Das erste Cannabisrezept
Von meinen Bedenken bezüglich eines Cannabisrezeptes habe ich bereits erzählt.Dabei ausgelassen habe ich bisher den finanziellen Aspekt, der sich mir in seiner ganzen Bandbreite erst im Laufe der Zeit offenbart hat.
Ich habe damals erwartet, dass ich innerhalb von ein paar Wochen nicht mehr selbst für meine Medizin bezahlen muss und ich mit meinem sicheren Einkommen diese Zeit schon überbrücken kann. Jetzt, über ein Jahr später, zeigt sich leider, wie falsch ich lag.
Ich habe mich schon einige Zeit vor meinem ersten Arztbesuch damit beschäftigt, welche Art von Cannabis am besten für meine Bedürfnisse geeignet sein könnte. Mit meinen umfangreichen Vorkenntnissen schickte mich meine Ärztin direkt in die Apotheke gegenüber der Praxis, um zu erfragen, was denn vorrätig wäre.
Die Apothekerin schaute mich zwar auf meine Frage hin etwas erstaunt an (sie war es nicht gewohnt, auf die Verfügbarkeit einzelner Sorten angesprochen zu werden), teilte mir aber trotzdem mit, dass nur eine von den drei Sorten, über die ich nachgedacht habe, zu haben sei. Und bei den anderen Sorten sei auch nicht abzusehen, wann es Nachschub geben würde.
Einigermaßen glücklich darüber, dass zumindest eine der Sorten vorrätig war (das sollte nicht immer so sein), ließ ich mir von meiner Ärztin ein Rezept ausstellen und kehrte zurück in die Apotheke.
Ich war schon auf die Kosten vorbereitet worden und doch musste ich einmal tief durchatmen. Denn ich musste etwa 450 Euro für 20 Gramm meiner Medizin bezahlen. Dafür hat mir die nette Dame eine große Flasche Duschgel in die Tüte gepackt.
Ablehnung durch die Krankenkasse und noch mehr Duschgel
Nachdem meine Krankenkasse den Antrag auf Kostenerstattung für meine Cannabisrezepte abgelehnt hatte, standen im Badezimmer schon ein angebrochenes und zwei volle Duschgels
im Schrank.
Inzwischen war auch keine der drei Sorten in der örtlichen Apotheke mehr verfügbar und so beschloss ich, nach vorheriger Recherche, meine Medizin bei einer Berliner Apotheke im Internet zu bestellen. Aus dem einfachen Grund, weil dort zwei der drei Sorten vorrätig waren.
Das Rezept schickt man per Einschreiben an die Apotheke. Nachdem man sichergestellt hat, dass die Sorte zu haben ist, überweist man den Betrag und erhält nach ein paar Tagen seine Medizin mit der Post. Zumindest war das bei mir so.
Preislich war es kein Unterschied zur Apotheke vor Ort. Letztlich ist mir das Verschicken von Rezept und Medizin eigentlich zu riskant und zu unpersönlich. Auch, wenn eine Beratung telefonisch jederzeit möglich ist, ist mir der persönliche Kontakt, etwa bei mangelhafter Qualität, lieber.
Die Hersteller und Importeure dürfen laut Gesetz an Patienten keine Auskünfte geben. Das bedeutet, dass man bei Reklamationen immer über Arzt oder Apotheker gehen muss. Da ist es schon deutlich einfacher, wenn man mit dem Apotheker vor Ort sprechen und eventuell verdorbene oder mangelhafte Medizin direkt hinbringen kann.
Leider muss ich hierzu aber ergänzen, dass sich die fachliche Kompetenz in puncto Cannabis oft sehr in Grenzen hält. Dies ist zum Teil einem quasi Nichterscheinen des Themas „Cannabis als Medizin“ in Pharmazie- und Medizinstudium geschuldet. Außerdem sind die dazu stattfindenden Fortbildungen wohl auch spärlich gesät und vor allem aus der Privatwirtschaft veranlasst.
Netzwerke bilden – Erfahrungen anderer Patienten
Ob man es will oder nicht, sobald man ein Cannabisrezept hat, fängt man an zu networken. Das geht beim ersten Arztbesuch los. Da trifft man Patienten im Wartezimmer, die offen von
ihren Problemen erzählen, Tipps für die Antragstellung geben und von ihren Erfahrungen mit Cannabis als Medizin berichten. Auf der Suche nach der richtigen Sorte und Erfahrungswerten anderer in Bezug auf Antragstellung, Verfügbarkeit oder rechtlicher Lage ist man (gezwungenermaßen) viel im Internet unterwegs.
Irgendwann habe ich in einem Forum von einer Internet-Versandapotheke gelesen, die angeblich nur die Hälfte des üblichen Preises für die holländischen oder kanadischen Erzeugnisse verlangen. Ein paar Wochen später traf ich eine mir gut bekannte Patientin, die mir das bestätigte. Sie erzählte mir aber auch, dass sie von der Apotheke ohne Rücksprache eine andere Sorte geschickt bekam, als auf dem Rezept angegeben war, weil die gewünschte Sorte plötzlich nicht mehr verfügbar war.
Das Rezept war nach wie vor auf die ursprüngliche Sorte ausgestellt. Da stellt sich mir schon die Frage, nach welchen moralischen Prinzipien diese Apotheke handelt. So nach dem Motto: Krebsmedikamente sind leider aus, ich schicke Ihnen was für MS zu, kostet das Gleiche. Die nächste Frage, die sich für mich stellt: Was passiert im Falle einer Polizeikontrolle, wenn auf dem Rezept ein völlig anderes Medikament steht, als in der Dose ist?
Ich habe Medikamentendosen von Patienten gesehen, die ganz ohne jede Kennzeichnung, weder in Bezug auf den Inhalt, noch mit irgendwelchen Patientendaten versehen ausgegeben wurden. Hier stellt sich ebenfalls die Frage, was im Falle einer Polizeikontrolle passieren würde. Daher gehe ich lieber in die Apotheke vor Ort, bekomme die Medizin, die auf dem Rezept steht und ein ordentlich gekennzeichnetes Döschen – und mein Schrank füllt sich mit Duschgel.
Cannabisrezept: undurchsichtige und menschenunwürdige Preispolitik
Eine Freundin von mir ist Apothekerin und ich habe sie gefragt, ob es irgendwelche preislichen Spielräume für mein Cannabisrezept gibt. Die Ansage ihres Chefs war konkret: Einkaufspreis plus 100 % Aufschlag. So wird´s gemacht und nicht anders. Meine Frage an sie, wie diese Internetapotheke das hinkriegt, konnte sie mir leider nicht beantworten. Ich nehme an, dass hier eine rechtliche Grauzone ausgenutzt wird. Ich kann mir vorstellen, dass sie als einzige Apotheke in Deutschland so fantastische Einkaufspreise bekommt.
Nun, nach über einem Jahr der Selbstzahlung und nachdem mir mittlerweile finanziell die Luft ausgeht, bin ich wieder an einem Punkt, an dem ich ins Grübeln komme. Entweder ich lasse meine Dosis von meiner Ärztin reduzieren und nehme die stärkeren Schmerzen in Kauf. Oder ich springe über ein, zwei Schatten und kann meine Tagesdosis beibehalten. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mal die falsche (oder zu wenig, wie mir auch persönlich berichtet wurde) Medizin erhalte.
Neue Preise durch neues Gesetz?
Leafly.de hat bereits im November 2018 über Pläne von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) berichtet, wonach der Apothekenzuschlag von 100 % entfallen solle. Dieser Plan erzeugte zunächst einen Aufschrei vonseiten der Apothekerkammer. Diese begründet den Aufschlag mit dem immensen Aufwand, der betrieben werden müsse. Da wiederum frage ich mich, wie Patienten mit Cannabisrezept Dosen ohne Beschriftung, falsche Medizin, Medizin mit Samen und Verunreinigungen sowie mit stark schwankender Qualität erhalten können – wenn doch so ein Aufwand betrieben wird? Und solche Sachen passieren nicht nur in Internetapotheken.
Mittlerweile gibt es den Apothekenzuschlag im Zuge des GSAV nicht mehr. Nun müssen sich Apotheker und Kassen bis Anfang nächsten Jahres auf eine Regelung zu den Zuschlägen einigen. Leider sehe ich da nicht allzu viel Positives kommen.
Selbst, wenn der Apothekenzuschlag komplett entfallen würde, sprich die Apotheken die Medizin zum Einkaufspreis weitergeben (was eher unwahrscheinlich ist), wäre der Preis bei deutlich über
10 Euro pro Gramm angesiedelt.
Mit einem zu erwartenden Aufschlag wird der Preis weiterhin bei 15 Euro oder darüber liegen. Zum Vergleich kostet eine in deutschen Apotheken erhältliche kanadische Sorte aktuell unter 7 Euro für jeden gesunden, erwachsenen Kanadier.
Da das Thema Genehmigungsvorbehalt offenbar gestorben ist, geht es vielen Patienten ähnlich wie mir: Die noch vor Kurzem so positiv empfundene Gesetzesänderung entwickelt sich langsam aber sicher immer mehr zur Farce.
Hohe Kosten, Führerscheinrepressalien, Lieferengpässe, sich querstellende Krankenkassen, kaum für das Thema offene Ärzte; die Mängelliste ließe sich noch beliebig weiterführen und ich sehe keine Lösungsansätze. Zumindest keine, die umgesetzt werden.
Eigenanbau für Cannabispatienten?
Jede Woche sprechen oder schreiben mich Leute aller Altersklassen und gesellschaftlichen Schichten an, die ich enttäuschen muss, weil meine Ärztin leider keine Patienten mehr aufnehmen kann. Was ihnen bleibt, ist weiter zu leiden oder die Illegalität.
In meinen Augen ist die permanente Kriminalisierung von Cannabiskonsumenten aller Art ein Verbrechen. Um so mehr sollte es Menschen mit einem Cannabisrezept einfach ermöglicht werden, ihre Medizin selbst herzustellen. Sofern sie dazu in der Lage sind. Damit wäre schon einigen Tausend Patienten geholfen, deren Kassen nicht zahlen wollen und/oder die nicht mehr arbeiten können und daher in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
In Kanada und vielen Staaten der USA, unserem großen Vorbild, dürfen sogar Freizeitkonsumenten einige Pflanzen für sich selbst halten. Warum kann man das nicht in die Eigenverantwortung eines mündigen Bürgers übergeben, wenn das Ganze ärztlich abgesegnet ist? Da sich die Krankenkassen weiterhin standhaft dagegen wehren, die Therapiehoheit der behandelnden Ärzte zu akzeptieren, sehe ich langfristig keine Alternative.
Darüber hinaus bleibt abzuwarten, was die Arbeit der neuen Bundesdrogenbeauftragten Daniela Ludwig (CSU) für einen Einfluss auf den Verlauf der Cannabisdiskussion bringt.
Zum Kongress des Schildower Kreises ist sie auf jeden Fall unter Verweis auf terminliche Kollisionen nicht erschienen.
Ich harre dem, was da kommt, und sortiere in der Zwischenzeit mein neues Duschgel ein.
Euer Luke