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Miris Herzensgeschichten: Angela hat Leukämie

Miri-2019 Anna Lara Fabe Autor:
Mirian Lamberth

Angela war gerade 11 Monate jung, als ich sie und ihre Familie zum ersten Mal kennenlernen durfte. Lange leben sollte sie nicht. Dennoch war dank Medizinalcannabis ein würdiges Ende möglich.

Miris Herzensgeschichten: Angela hat Leukämie

Wir hatten das große Glück, einen ehrenamtlichen Arabisch/Deutsch Übersetzer genau in der Woche parat zu haben, in der Angela, ihre große Schwester, der ältere Bruder und ihre Eltern in das Kinderhospiz kamen.

Familie Abdel begann die Flucht aus Syrien unmittelbar, nachdem Frau Abdel erfuhr, dass sie schwanger war. Frau und Herr Abdel sprechen nicht gerne über die eigentliche Flucht, nur das Nötigste wird kommuniziert.

Aber worüber sie sehr gerne sprechen, ist ihr grosses Glück, heil in Deutschland angekommen zu sein und eine gute Versorgung für Angela gefunden zu haben. Angela ist aus grosser Dankbarkeit nach Angela Merkel benannt worden. Sie wurde kurz nach ihrer Geburt in Griechenland mit Leukämie diagnostiziert.

Angela hat Leukämie

Leukämie ist die häufigste Krebsart bei Kindern. Für viele ist eine Stammzelltransplantation die letzte Chance auf Leben. Bei Angela dauerte die Suche nach einem Spender nur einen Monat. Nach der sogenannten Konditionierung, die eigene Knochenmarkzellen wie Leukämiezellen zerstören soll, bekam sie dessen Knochenmark übertragen – eine Art Neustart des blutbildenden Systems. Dann folgte die Isolation.

Acht Wochen verbrachte Angela in einer Berliner Uni-Kinderklinik. Stets in ein- und demselben Raum mit gefilterter Luft, damit eine erneute Blutbildung in Gang kommt. Ihre Mutter verbrachte diese Zeit in Overalls und mit Mundschutz, schrubbte sich die Hände an Desinfektionsmitteln kaputt, um ja keine Keime in das Zimmer ihrer Tochter zu bringen.

Eine Infektion kann in dieser Zeit tödlich sein, weil keine Abwehrkräfte vorhanden sind. Doch alles verlief so weit so gut. Angelas Heilungschancen lagen bei 70 Prozent.

Angela sollte nicht lange leben

Ein halbes Jahr später bekam sie leider einen Rückfall und wurde in ein Kinder-Hospiz überwiesen. Das Hospiz, in dem ich ehrenamtlich arbeite, nahm Angela und ihre Familie mit offenen Armen für die finale Palliativpflege auf.

Wenn im Verlauf einer lebensbedrohlichen Erkrankung die letzte Hoffnung auf Heilung erlischt, ist es Zeit, umzudenken. „Therapieziel-Änderung“, nennt man das im offiziellen Jargon. Oder anders ausgedrückt: „Es geht nicht mehr darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben“ und genau das passiert im Kinderhospiz.

Angelas Familie bekam ein Familienzimmer und konnten somit Tag und Nacht bei ihrer Tochter und Schwester sein. Als ich Angela kennenlernte, war sie sehr selten wach, denn ihre Schmerzmedikamente legten sie lahm, auch das Essen nahm sie nur noch per Schlauch zu sich.

Ich hatte ein langes Gespräch mit dem Übersetzer an meinem ersten Tag. Die Eltern waren sehr traurig, dass Angela so „ausgeschaltet“ erschien, wollten aber auf keinen Fall, dass sie Schmerzen hat.

Gut informiertes Pflegepersonal hat einen hilfreichen Tipp

Eine Pflegerin hatte die Idee, es mit medizinischem Cannabis zu versuchen. Sie glaubte es könnte eine Möglichkeit sein, die Schmerzen zu stillen und trotzdem noch etwas von Angelas besonders freundlicher und aufgeweckter Persönlichkeit zu erhalten, außerdem könnte es förderlich für den Appetit sein.

Nach einigem Hin und Her wurden ihre Medikamente umgestellt. Ich konnte tatsächlich eine sehr positive Veränderung bemerken und freute mich auf jeden Besuch.

In meiner Arbeit als Heilpraktikerin kümmere ich mich um das Wohlergehen der ganzen Familie. Es war ein Segen zu sehen, wie dankbar die Familie Abdel war, ihre Tochter an einem sicheren, kriegsfreien Ort mit vielen Spezialisten und Therapeuten verabschieden zu dürfen.

Jedes Mal wenn ich Angela besuchte, las ich ihr das Buch „Die Raupe Nimmersatt vor“ – sie war begeistert von den bunten Farben und der sehr hungrigen Raupe. Ich konnte einen großen Unterschied erkennen zwischen der fast ohnmächtigen Angela und der Angela, die dank THC das ganze Buch mit mir immer und immer wieder anschauen konnte.

Angela lebte noch sieben Monate fast schmerzfrei umgeben von ihrer Familie und vielen neuen Freunden.

Kinder sollten nicht vor ihren Eltern gehen

„Waisen“ nennt man Kinder, die ihre Eltern verloren haben. Für Väter und Mütter, die ihr Kind verlieren, gibt es im Deutschen leider keinen Begriff. Vielleicht, weil ein solcher Verlust überhaupt nicht in Worte zu fassen ist. Den Schmerz kann man den Eltern nicht nehmen, aber man könnte lernen, den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren. Vielleicht hilft die Gewissheit, dass das Kind seine letzten Tage so schön wie möglich verbringen konnte.

„Die letzten 7 Monate mit Angela“, so erzählte mir ihre Mutter, „waren die Schönsten in meinem Leben …“

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