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Mukoviszidose und Cannabis als Medizin

Leafly: Alexandra Latour Autor:
Alexandra Latour

In Deutschland werden jedes Jahr ungefähr 200 Kinder mit der Erbkrankheit Mukoviszidose geboren. Forscher vermuten, dass zwischen der Erkrankung und einem gestörten Endocannabinoidsystem ein Zusammenhang besteht.

Mukoviszidose und Cannabis als Medizin

Bei der Mukoviszidose (zystische Fibrose) handelt es sich um eine vererbbare Stoffwechselerkrankung. Da die schleimbildenden Drüsen nicht richtig funktionieren, bildet sich infolge dessen ein zäher Schleim in unterschiedlichen Organen, die in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Dank moderner Behandlungsoptionen hat sich die Prognose dieser Erkrankung jedoch deutlich verbessert.

Bisher wurde zu Cannabis als Medizin und Mukoviszidose leider kaum geforscht. Interessant sind jedoch israelische Studien, die zeigen, dass es womöglich einen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und einem nicht reibungslos funktionierenden Endocannabinoid System gibt. Hierauf gehen wir am Ende des Beitrages noch näher ein.

Mukoviszidose und ihre Ursachen

Die Ursache für die Mukoviszidose findet sich in einer Veränderung des CFTR-Gens (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator). Dieses Gen liegt auf dem Chromosom 7 und trägt die Erbinformation für die Eiweißproduktion des CFTR-Proteins. Für die Schleimhautzellen ist das CFTR-Protein von großer Bedeutung, denn sorgt dafür, dass die Schleimhäute feucht bleiben. Durch den Gendefekt ist die Transportfunktion des CFTR-Proteins jedoch gestört. Infolge dessen sondern die Schleimhautdrüsen einen zähen Schleim ab. Dies sorgt wiederum in unterschiedlichen Organen für Probleme.

Die Mukoviszidose ist eine autosomal-rezessive Erbkrankheit. Das heißt, dass ein Kind nur dann erkrankt, wenn es von beiden Elternteilen den Gendefekt erbt. Wenn Betroffene diesen Gendefekt nur einmal besitzen, bricht die Krankheit nicht aus. Dennoch kann der Betroffene den Gendefekt an seine Kinder weitervererben.

Mukoviszidose und ihre Symptome

Von der zystischen Fibrose können unterschiedliche Organe betroffen sein:

LungeIst die Lunge von einer Mukoviszidose betroffen, kann es zu schwerem Husten, Asthma und einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung kommen. In der Lunge entsteht ein zähflüssiger Schleim, sodass die feinen Verästelungen in den Bronchien verstopfen. Mit der Zeit verengen sich die Luftwege und das Atmen fällt schwerer. Zudem treten häufig Atemwegsinfekte auf. Im weiteren Krankheitsverlauf schreiten die Verengung der Bronchien und die Zerstörung des Lungengewebes immer weiter fort.
BauchspeicheldrüseIn ungefähr 85 Prozent aller Krankheitsfälle entsteht in der Bauchspeicheldrüse ein zäher Schleim. Dieser verstopft die Sekretgänge im Organ. Infolge dessen kann die Bauchspeicheldrüse kaum noch Verdauungsenzyme bilden, sodass sich folgende Symptome zeigen können: Bauchschmerzen, Blähungen, übel riechender, breiiger und fettiger Durchfall sowie ein starker Gewichtsverlust. Bei Neugeborenen kann es sogar zu einem Darmverschluss kommen. Wenn das Organ dauerhaft durch die Erkrankung geschädigt wird, kann sich auch ein Diabetes mellitus entwickeln.
DarmtraktBei Neugeborenen tritt in etwa 10 bis 20 Prozent aller Fälle ein Darmverschluss auf, der eine Operation erfordern kann. Ursache hierfür ist der zähe erste Stuhl (Mekonium). Weitere mögliche Symptome können sich in Form von Darmeinstülpungen, einem vorgewölbten Mastdarm oder durch den Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre zeigen.
GalleGallensteine können die Gallengänge verstopfen, sodass der für die Verdauung erforderliche Gallensaft nicht an den Zwölffingerdarm abgegeben werden. Als Folge einer Mukoviszidose kann auch eine Leberzirrhose entstehen.
GeschlechtsorganeBetroffene Frauen können unfruchtbar sein, da der zähe Schleim in den Eileitern den Weg der Spermien versperrt. Männer können zeugungsunfähig aufgrund der zähen Schleimdrüsensekrete in den Nebenhoden und Samenleitern sein.
HautDer Schweiß schmeckt aufgrund der erhöhten Natrium- und Chlorid-Ionen salzig.

Behandlung der Mukoviszidose

Die Mukoviszidose ist nicht heilbar. Deshalb zielt die Therapie darauf ab, die Symptome zu lindern und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Wie bei allen Krankheiten gilt hier auch: Je früher mit der Therapie begonnen wird, desto günstiger wirkt sich dies auf den Krankheitsverlauf aus.

Die im Rahmen der Mukoviszidose auftretenden Verdauungsprobleme sind inzwischen gut behandelbar. So lässt sich die eingeschränkte Funktion der Bauchspeicheldrüse mithilfe von Verdauungsenzymen ausgleichen. Zudem ist es für Betroffene wichtig, auf die Ernährung zu achten. Diese sollte vitamin-, mineralstoff- und kalorienreich sein.

Erhaltung der Lungenfunktion

Bei der Mukoviszidose entstehen Komplikationen meist aufgrund der Lungenerkrankung, weshalb die Erhaltung der Lungenfunktion ein wichtiger Bestandteil der Therapie ist. Hierzu zählt vor allem, dass Atemwegsinfektionen vermieden, bzw. schnell mit Antibiotika behandelt werden. Daneben können weitere Therapiemaßnahmen zur Erhaltung der Lungenfunktion beitragen:

  • Inhalation von schleimlösenden und/oder bronchienerweiternden Mitteln
  • Gabe von schleimlösenden Medikamenten (Mukolytika)
  • Atemphysiotherapeutische Übungen, um den Abtransport des Schleims zu fördern
  • Körperliche Aktivitäten
  • Mukoviszidose: Medikamentöse Therapie

Zur Behandlung bei Mukoviszidose ist seit dem Jahr 2012 der Wirkstoff Ivacaftor zugelassen. Jedoch ist dieser Wirkstoff nicht für alle Patienten geeignet. So kann dieser lediglich dann wirken, wenn im CFTR-Protein eine bestimmte Stelle verändert ist und eine Gating-Mutation vorliegt (G551D-Mutation). Das ist ungefähr bei rund fünf Prozent der Betroffenen der Fall. Hier kann Ivacaftor dann direkt auf die Ursache der Symptome einwirken.

Das CFTR-Protein ist beim Großteil der Patienten an einer anderen Position verändert (Phe508del-Mutation). Dennoch können diese von Ivacaftor profitieren, wenn eine Kombination aus den Wirkstoffen Ivacaftor und Lumacaftor erfolgt.

Mukoviszidose: Krankheitsverlauf und Prognose

Wie stark die Erkrankung ausgeprägt ist, und welchen Verlauf sie annimmt, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Die sogenannten Modifier-Gene spielen hier eine wichtige Rolle, denn diese haben Einfluss darauf, wie genau sich der Gendefekt beim Patienten auswirkt. So können die Modifier-Gene sogar bei Betroffenen mit dem exakt selben Gendefekt dazu führen, dass die Krankheit unterschiedlich schwer ausfällt.

In den letzten Jahren hat sich die Prognose verbessert, denn dank der besseren Therapiemöglichkeiten liegt die mittlere Lebenserwartung bei ungefähr 35 bis 40 Jahren. Viele Betroffene erreichen auch ein höheres Alter. Kinder, die mit der Erkrankung geboren werden, erreichen mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens das 50. Lebensjahr.

Mukoviszidose und das Endocannabinoidsystem

Forscher der Ariel University Center of Samaria in Israel gehen davon aus, dass Mukoviszidose mit einem Ungleichgewicht von Fettsäuren verbunden ist. Deshalb untersuchten sie im Rahmen ihrer Studie, ob bei Betroffenen die Funktionen des Endocannabinoid Systems gestört sind. Denn schließlich sind Endocannabinoide-Derivate ebenfalls Fettsäuren.

Die endocannabinoide Aktivität könnte in der Fertilität (Fruchtbarkeit) eine wichtige Rolle spielen, die bei der Mukoviszidose gestört ist und eine der Ursachen für die Unfruchtbarkeit sein könnte. Das Ziel der Studie war es, die Hypothese zu testen, dass die Stimulation von Endocannabinoid Rezeptoren im Säuglingsalter ihre Funktion normalisieren und die Unfruchtbarkeit im Erwachsenenalter verhindern würde.

Nachdem Labormäuse mit Mukoviszidose im Säuglingsalter vom 7. bis zum 28. Tag täglich mit THC behandelt wurden, zeigten sich die männlichen Tiere vollständig zeugungsfähig. Hingegen waren die nicht behandelten Tiere zeugungsunfähig. Im Ergebnis heißt es, dass eine leichte Stimulation des Endocannabinoid Systems im Säuglings- und Jugendalter vermutlich viele Fortpflanzungsprozesse normalisieren kann und dadurch die Zeugungsunfähigkeit bei an Mukoviszidose erkrankten Männern zu verhindern.

Verhaltensänderungen durch gestörtes Endocannabinoidsystem

Die gleichen israelischen Forscher gehen zudem davon aus, dass eine langfristige Behandlung mit Cannabinoidrezeptor-Agonisten während der Kindheit den Cannabinoidspiegel ausgleichen und Mukoviszidose-bezogene Verhaltensänderungen verhindern könnten. So können Veränderungen der motorischen Funktion und erhöhte Angstzustände bei Mukoviszidose durch einen Mangel an CFTR-Kanälen in Neuronen und gestörter Aktivität in verschiedenen Hirnregionen sowie durch einen Fettsäuremangel (veränderter Endocannabinoidspiegel) verursacht werden.

Im Rahmen ihrer Studie wurden die motorische Aktivität und das Angstniveau bei CFTR-defizienten Mäusen) untersucht. Die Forscher vermuten, dass eine langfristige Behandlung mit Cannabinoiden in der Kindheit die Endocannabinoid-Funktion wiederherstellen und somit Verhaltensänderungen verhindert werden könnten.

Beide genannten Studien wurden an Labortieren durchgeführt, sodass die Ergebnisse nicht auf den Menschen übertragbar sind. Hier sind unbedingt weitere Untersuchungen, und vor allem klinische Studien erforderlich. Zudem ist es bedenklich, Säuglinge, Kinder und Jugendliche mit Mukoviszidose einer Cannabinoid-Therapie zu unterziehen. Denn dies könnte sich unter anderem negativ auf die Gehirnentwicklung auswirken. Dennoch ist der Ansatz, dass die Funktionen des Endocannabinoid Systems mit der Erkrankung zusammenhängen höchst interessant und sollte weiter erforscht werden.

Besitzt Cannabis eine schleimlösende Wirkung?

Ob Cannabinoide aus der Cannabispflanze schleimlösend wirken, ist sehr umstritten. Zwar wird Cannabis seit Jahrtausenden als schleimlösendes Mittel genutzt, die wenigen Studien, die es hierzu gibt, liefern aber keine eindeutigen Ergebnisse. Hinzu kommt, dass hier nicht speziell die schleimlösende Wirkung untersucht wurde.

Cannabis und der bronchodilatatorische Effekt

In Bezug auf die bronchienerweiternde Wirkung von Cannabis sieht die Studienlage schon besser aus. Allerdings wird in vielen Studien dieser Effekt beim Asthma untersucht und nicht bei Mukoviszidose. Die Bronchien ziehen sich während eines Asthmaanfalls zusammen und den Untersuchungen zufolge kann THC in der Lage sein, die Muskelkontraktion zu vermindern. Inwieweit dieser Effekt bei der Mukoviszidose hilfreich sein kann, ist unklar.

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