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Neue Drogenbeauftragte: “weg von Ideologien”

Gesa-2019 Autor:
Gesa Riedewald

Die neue Drogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) will einen Dialog über eine teilweise Freigabe von Cannabis vorantreiben. Werbung fürs Rauchen möchte sie in Deutschland komplett verbieten. Beim Thema Cannabis als Medizin scheint sie mit dem bisher Erreichten zufrieden. Leafly.de hat nachgefragt.

Neue Drogenbeauftragte: “weg von Ideologien”

Seit zwei Monaten ist Daniela Ludwig die neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Jetzt hat sie den Drogen-und Suchtbericht 2019 vorgestellt. Bereits in den ersten Wochen in ihrem neuen Amt zeigte sich die CSU-Politikerin offen und gesprächsbereit. Sie kündigte an, sich dem Thema Drogenpolitik „ohne Scheuklappen“ zu nähern. (Leafly.de berichtete.)

Auf der Bundespressekonferenz zum Drogen- und Suchtbericht kündigte sie erste kleine Schritte hin zu einer Lockerung des Cannabisverbots an. Bei der Tabakwerbung hingegen will sie eine umfassende Verschärfung und harte Drogen bleiben bei ihr ein Tabu.

Neue Drogenbeauftragte sucht den Dialog

Die neue Drogenbeauftragte zeigt sich offen für Gespräche über eine Teilfreigabe von Cannabis. So wolle sie sich die Erfahrungen Österreichs ansehen, wo kleine Mengen Cannabis für den Eigenbedarf erlaubt sind. Außerdem wolle sie mit Befürwortern und Gegnern einer Entkriminalisierung von Cannabis in den Dialog treten.

Daniela Ludwig erklärte, die gesellschaftliche Debatte verändere sich, und das dürfe auch die Politik nicht ignorieren. „Ich glaube nicht, dass es so bleibt, wie es ist“, so Ludwig laut RP online. Sie betonte, dass Cannabiskonsum Gesundheitsgefahren mit sich bringt. Daher müsse eine eventuelle Veränderung der Gesetze für den Gesundheitsschutz von Jugendlichen sorgen.

Der Drogen- und Suchtbericht zeigt, dass Cannabis weiterhin die illegale Droge ist, die in Deutschland am häufigsten konsumiert wird – bei Erwachsenen wie auch bei Jugendlichen. 19 Prozent der Jugendlichen gaben an, Erfahrungen mit Cannabis zu haben. Bei den 18- bis 25-Jährigen waren es 42,5 Prozent.

“Drogenpolitik heißt Gesundheitspolitik”

Für die neue Drogenbeauftragte Ludwig sei das Ziel, suchtkranken Menschen und ihren Angehörigen mehr Aufmerksamkeit zu schenken und wirkungsvolle Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Harte Drogen wie Heroin, neue psychoaktive Stoffe oder Kokain seien insgesamt weniger konsumiert worden.

Dennoch sind opioidhaltige Substanzen, wie beispielsweise Heroin, weiterhin die Hauptursache, weshalb Menschen an Drogen versterben. Die Zahl der Drogentoten ist im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr nahezu konstant geblieben.

Daniela Ludwig will die Hilfe für suchtkranke Menschen verbessern, “zum Beispiel durch eine flächendeckende Substitution”. Dafür sollen mehr Ärztinnen und Ärzte gewonnen werden – auch beim medizinischen Nachwuchs. “Suchtkranke dürfen nicht vergessen werden”, so Ludwig.

Die neue Drogenbeauftragte im Interview

Wie bewertet die neue Drogenbeauftragte das Thema Cannabis als Medizin? Die hohen Ablehnungszahlen der Krankenkassen, bürokratische Hürden und der Mangel an Ärztinnen und Ärzten, für die Medizinalcannabis überhaupt eine Therapieoption darstellt, sind bekannte Probleme bei der Versorgung der Patient*innen. Sieht Daniela Ludwig hier Handlungsbedarf? Leafly.de hat die neue Drogenbeauftragte interviewt.

Leafly.de: In gut 3 Monaten wird das „Cannabisgesetz“ 3 Jahre alt. Wie bewerten Sie dieses?

Daniela Ludwig: Cannabis in Arzneimittelqualität zu ermöglichen, und zwar denjenigen, denen kein anderes Medikament mehr hilft, war ein richtiger Schritt. Wichtig ist, aber auch zu sagen: Cannabismedizin ist kein Allheilmittel, es gibt gut wirkende Alternativen.

“Wir haben nachgesteuert”

Leafly.de: Grüne, Linke und FDP fordern Änderungen am Gesetz. Werden Sie sich für eine Novellierung des Cannabisgesetzes starkmachen?

Daniela Ludwig: Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gab es unter anderem Kritik am Genehmigungsverfahren und den Apothekenpreisen. Die Diskussionen kenne ich. Wir haben darauf aber schnell reagiert: Durch das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung gibt es ganz praktische Erleichterungen für die Cannabispatientinnen und -patienten.

Zum Beispiel muss man – sofern eine Genehmigung vorliegt – keinen neuen Antrag stellen, wenn man eine Anpassung der Dosierung oder einen Wechsel der Blütensorte benötigt. Das war davor anders. Außerdem ist der Apothekenzuschlag ebenfalls vom Tisch. Somit haben wir ja bereits nachgesteuert und für weniger Bürokratie – was ja ein Hauptkritikpunkt war – gesorgt.

Leafly.de: Frau Ludwig, kennen Sie selbst Cannabispatientinnen oder -patienten?

Daniela Ludwig: Im Bekanntenkreis gibt es schon den ein oder anderen, die Cannabisarznei verwenden.

“Bestehendes infrage stellen”

Leafly.de: Welche Themen wird die neue Drogenbeauftragte als erstes anpacken?

Daniela Ludwig: Ganz klar: Ich will das Thema Tabakaußenwerbung – am besten noch in diesem Jahr – vom Tisch haben. Und zwar komplett, mit E-Zigaretten inklusive. Außerdem habe ich bereits mehrfach gesagt, dass ich mir die aktuelle Drogenpolitik – nicht nur in Bezug auf Cannabis – ganz genau anschaue und mir die Freiheit nehme, Bestehendes infrage zu stellen.

Leafly.de: Was ist denn Ihr Kurs in Sachen Cannabispolitik?

Daniela Ludwig: Erst mal geht es darum, dass wir im neuen Jahr eine bundesweit hör- und sichtbare Cannabisprävention starten. Weniger Flyer, mehr soziale Medien. Wir müssen rein in die Zielgruppe, und zwar auf moderne, zielgruppengerechte Art und Weise. Wenn wir erreichen möchten, dass weniger Kinder und Jugendliche kiffen, dann müssen wir den Mut haben, offene Worte zu finden und keine Prävention im stillen Kämmerlein veranstalten.

Cannabisgesetz – und gut?

Die neue Drogenbeauftragte scheint also keinen weiteren Verbesserungsbedarf am Cannabisgesetz zu sehen. Tatsächlich hat das “Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung” (GSAV) einige Verbesserungen für Cannabispatientinnen und -patienten gebracht. (Leafly.de berichtete.)

Nach einer stationären Cannabinoid-Therapie müssen die Krankenkassen jetzt innerhalb von drei Tagen entscheiden, ob sie die Behandlung weiterhin genehmigen. Darüber hinaus ist bei einem Wechsel der Dosierung oder dem Wechsel zwischen getrockneten Cannabisblüten oder zwischen Cannabis-Extrakten keine erneute Genehmigung mehr nötig.

Den Apothekenzuschlag für Cannabisblüten und -zubereitungen hat Jens Spahn mit dem GSAV ebenfalls abgeschafft. Damit will er die Preise für Cannabis aus der Apotheke verringern. Allerdings wurde in dem neuen Gesetz nur festgelegt, dass Apotheken und Krankenkassen sich innerhalb von sechs Monaten nach Verkündung des GSAV auf eine Abgabe einigen müssen. Diese wird dann in die Arzneimittelpreisverordnung eingehen. Wie diese neue Regelung allerdings aussehen soll, ist noch gar nicht bekannt.

Baustellen beim Cannabisgesetz

Obwohl das GSAV also Verbesserungen beim Thema Cannabis als Medizin gebracht hat, sind damit nicht alle Baustellen beseitigt. So sind die Oppositionsparteien die Grünen und die Linken auch enttäuscht von den Korrekturen, die das GSAV für Cannabis als Medizin bringt.

Die beiden Parteien wollen den Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen abschaffen. Das würde bedeuten, dass sie keine Anträge auf Kostenerstattung einer Cannabis-Therapie mehr ablehnen könnten. Die beiden Oppositionsparteien hatten jeweils eigene Gesetzentwürfe dazu in den Bundestag eingebracht (Leafly.de berichtete.) Diese Vorschläge wurden jedoch mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und AfD abgelehnt.

Neben den hohen Ablehnungszahlen der Kassen sind der bürokratische Aufwand einer Cannabis-Behandlung, die Unsicherheit innerhalb der Ärzteschaft und die fehlende Bereitschaft, Cannabis auf Rezept zu verordnen, nur einige der bestehenden Schwierigkeiten. Reformbedarf gibt es beim Cannabisgesetz also durchaus. Aber die neue Drogenbeauftragte ist erst seit zwei Monaten im Amt. Sie hat also noch Zeit, diese Probleme anzupacken.

Wir bleiben gespannt!

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