Im Zentrum der Gesundheitspolitik stehen die Patientinnen und Patienten – jedenfalls ist das der Anspruch des Deutschen Bundestages. Alle Menschen sollen von unserem rasanten medizinischen Fortschritt profitieren. Gleichzeitig muss das Gesundheitssystem bezahlbar bleiben. In diesem Spannungsfeld diskutiert der Gesundheitsausschuss alle Themen der Gesundheitspolitik: von der menschenwürdigen Pflege über die flächendeckende ärztliche Versorgung bis hin zu Cannabis als Medizin.
Themengebiete des Ausschusses für Gesundheit
Die größten Themen der Ausschussarbeit sind die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), der Leistungskatalog der GKV sowie die Beziehungen der Krankenkassen zu den Medizinern und medizinischen Fachkräften. Auch der Themenkomplex soziale Pflegeversicherung gehört zu den zentralen Aufgaben des Ausschusses. Hinzu kommen weitere wichtige Aspekte wie beispielsweise das Arzneimittelrecht (AMG) oder die Digitalisierung im Gesundheitswesen.
Selbstverständlich wird das Thema Cannabis als Medizin ebenfalls im Gesundheitsausschuss debattiert. Der Ausschuss hatte das Cannabisgesetz vom März 2017 vorbereitet und dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt.
Auch die Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken ist ein Thema für den Gesundheitsausschuss. Am 22. Februar wurden im Bundestag drei unterschiedliche Anträge zum Umgang mit Cannabis diskutiert. Die FDP, die Grünen und die Linke hatten jeweils eigene Anträge eingebracht. Alle drei Vorlagen wurden zur weiteren Bearbeitung in den Gesundheitsausschuss überwiesen. Wir sind gespannt, wie der Ausschuss mit diesem Thema umgeht, und werden selbstverständlich weiter berichten.
Mitglieder im Gesundheitsausschuss
Der Gesundheitsausschuss hat in dieser Legislatur 41 Mitglieder. Wie viele Sitze den einzelnen Fraktionen zustehen, hängt von ihrer Größe ab. So ist CDU/CSU die größte Fraktion und entsendet 14 Mitglieder in den Gesundheitsausschuss. Neun Mitglieder gehören zur SPD. AfD und FDP stellen jeweils fünf Mitglieder und jeweils vier gehören zu den Fraktionen Die Linke sowie Bündnis 90/Die Grünen. Mehr Sitze bedeuten auch mehr Einfluss bei Abstimmungen.
Verteilung der ordentlichen Mitglieder im Ausschuss für Gesundheit:
- 14 CDU/CSU
- 9 SPD
- 5 AfD
- 5 FDP
- 4 Die Linke
- 4 Bündnis 90/Die Grünen
Struktur des Ausschusses
Um die Arbeitsweise des Gesundheitsausschusses und die Aufgaben der Mitglieder besser zu verstehen, ist es wichtig, die groben Strukturen des Ausschusses zu kennen. Daher bieten wir hier einen kleinen Einblick. Danach stellen wir die Fachpolitiker- und politikerinnen vor, die sich mit dem Thema Cannabis beschäftigen.
Vorsitz
Der Abgeordnete Erwin Rüden von der Union ist Vorsitzender des Ausschusses. Er – beziehungsweise sein Stellvertreter Harald Weinberg (Die Linke) – bereitet die Sitzungen vor und leitet sie. Der Vorsitzende stimmt sich bei der Planung mit den Obleuten der unterschiedlichen Fraktionen ab. Der Ausschuss tagt in jeder Sitzungswoche.
Obleute
Jede Fraktion benennt eine Obfrau oder einen Obmann. Diese sind Ansprechpartner für ihre Arbeitsgruppen, für den Vorsitzenden wie auch für ihre Fraktionsführung. Die Obleute besitzen eine Schlüsselfunktion: Sie haben großen Einfluss auf den Kurs ihrer Fraktion. Darüber hinaus ist es ihre Aufgabe zu schlichten, wenn es bei Verhandlungen zu Konflikten kommt.
Obleute im Gesundheitsausschuss sind:
- Michael Hennrich (CDU/CSU)
- Sabine Dittmar (SPD)
- Prof. Dr. Axel Gehrke (AfD)
- Prof. Dr. Andrew Ullmann (FDP)
- Dr. Achim Kessler (Die Linke)
- Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen)
Sprecherinnen und Sprecher
Jede Fraktion bestimmt einen Sprecher oder eine Sprecherin im Ausschuss. Sie haben die Aufgabe, die Meinung ihrer Fraktion im Ausschuss zu vertreten. Sprecher sind die ersten Ansprechpartner bei allen gesundheitspolitischen Fragen innerhalb der Fraktion. Aber nicht nur im Ausschuss und der Fraktion spielen sie eine wichtige Rolle, sondern auch nach außen. Sprecherinnen und Sprecher sind quasi das gesundheitspolitische Sprachrohr der Fraktionen. Informiert und unterstützt werden sie durch die jeweilige Arbeitsgruppe Gesundheit der Fraktionen. Diese Arbeitsgruppen beschäftigen Fachkräfte – für die Gesundheits-Arbeitsgruppen sind dies auch Apotheker und Ärzte.
Sprecher und Sprecherinnen im Ausschuss für Gesundheit sind:
- Karin Maag (CDU/CSU)
- Sabine Dittmar (SPD)
- Prof. Dr. Axel Gehrke (AfD)
- Christine Aschenberg-Dugnus (FDP)
- Harald Weinberg (Die Linke)
- Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen)
Berichterstatterinnen und Berichterstatter, beispielsweise für Drogenpolitik
Ein weiteres Element der Arbeitsteilung im Ausschuss bilden die Berichterstatter und Berichterstatterinnen der Fraktionen. Dies sind Fachleute, die in ihren Arbeitsgruppen für spezielle gesundheitspolitische Themen zuständig sind – wie beispielsweise die drogenpolitischen Berichterstatter. Im Ausschuss nehmen sie für ihre Fraktion Stellung, wenn relevante Themen beraten werden.
Zuständig für das Thema Cannabis als Medizin sind:
- Stephan Pilsinger (CDU/CSU)
- Sabine Dittmar (SPD)
- AfD – nicht offiziell bekannt, wahrscheinlich Dr. Axel Gehrke
- Dr. Wieland Schinnenburg (FDP)
- Niema Movassat (Die Linke)
- Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen)
Wer setzt sich für das Thema Cannabis ein?
Das sogenannte Cannabisgesetz wurde im letzten Jahr verabschiedet und von allen Parteien getragen, die damals dem Bundestag angehörten. Dementsprechend sollten sie das Gesetz unterstützen. FDP und AfD waren nicht an dieser Gesetzesinitiative beteiligt.
Was können wir von den Mitgliedern des Gesundheitsausschuss in puncto Cannabis erwarten? Wer macht sich tatsächlich für Cannabispatienten stark und treibt das Thema Cannabis als Therapiealternative voran? Und wie stehen die Mitglieder im Gesundheitsausschuss zum Thema Cannabis-Legalisierung? Wir stellen die relevanten Politikerinnen und Politiker jeder Partei vor und geben einen Einblick in ihre Positionen.
CDU/CSU
Für die Union sitzen als ordentliche Mitglieder im Gesundheitssauschuss: Erwin Rüddel, Rudolf Henke, Michael Hennrich, Erich Irlstorfer, Dr. Georg Kippels, Alexander Kraus, Dr. Roy Kühne, Karin Maag, Dietrich Monstadt, Stephan Pilsinger, Lothar Riebsamen, Prof. Dr. Claudia Schmidtke, Tino Sorge, Emmi Zeulner.
Der junge CSU-Politiker Stephan Pilsinger ist neu im Bundestag und damit auch neu im Gesundheitsausschuss. Er ist bei der Union zuständig für das Thema Cannabis, das er von seiner CSU-Kollegin Emmi Zeulner übernommen hat. Pilsinger ist zufrieden mit dem Cannabisgesetz und sieht scheinbar keinen Handlungsbedarf.
Er befürwortet, dass Patienten jetzt einen Anspruch auf Versorgung mit Cannabis-Arzneimitteln haben. „Damit haben wir einen sehr wichtigen Schritt in der Versorgung Schwerstkranker gemacht. Für viele Betroffene bedeutet dies eine Entlastung,“ erklärt der studierte Mediziner Pilsinger gegenüber Leafly.de. Allerdings gilt das nur für Versicherte „in eng begrenzten Ausnahmefällen“:
„Wichtig bei diesem Gesetz finde ich, dass Cannabis nicht ohne Weiteres als Therapiealternative verordnet werden kann.“
Die Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken lehnt der junge Politiker kategorisch ab. Bei der Debatte im Bundestag zu diesem Thema machte Pilsinger klar: Für ihn sei Cannabis eine gefährliche Droge, die nicht anders behandelt werden sollte als andere illegale Drogen. Von ihr gehe ein erhebliches Gesundheitsrisiko aus. Daher wünsche er sich eine Welt mit weniger Drogen, nicht mit mehr.
„Intensiver Cannabiskonsum macht einfach dumm“, so Pilsingers Fazit.
Karin Maag (CDU), die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, hat sich in der letzten Legislatur für das Cannabisgesetz starkgemacht. Sie betonte den hohen Leidensdruck vieler kranker Menschen, deren Therapiemöglichkeiten mit Cannabis als Medizin auf breiter Front verbessert werden könnten. Darüber hinaus müsse die Akzeptanz von Medizinalhanf verbessert werden:
„Wenn wir Medizinalhanf als Behandlungsalternative etablieren wollen, dann müssen wir auch die Akzeptanz verbessern.“ Und zwar weniger bei den Patienten, sondern bei den Krankenkassen und Medizinern, so Maag.
Es bleibt zu hoffen, dass Karin Maag sich auch weiterhin für dieses Ziel einsetzt.
SPD
Die Sozialdemokraten sind im Gesundheitsausschuss vertreten durch: Heike Baehrens, Bärbel Bas, Sabine Dittmar, Dr. Edgar Franke, Dirk Heidenblut, Hilde Mattheis, Claudia Moll, Bettina Müller und Martina Stamm-Fibich.
Sabine Dittmar ist neue gesundheitspolitische Sprecherin und die SPD-Apothekenexpertin. Von Haus aus ist sie Ärztin. Sie freut sich über das Cannabisgesetz – aber sie bemängelt auch, dass es an einigen Stellen mit der Umsetzung hakt: „Wenn beispielsweise 43 Prozent der Anträge zunächst einmal abgelehnt werden, so muss man sich genauer anschauen, wie dies begründet wird. Liegt es daran, dass es zweckmäßige Vergleichstherapien gibt, oder liegt es an bürokratischen Hemmnissen im Antragsverfahren.“ Darüber hinaus hat sie das Thema Lieferengpässe und die Preisentwicklung im Blick.
Die SPD-Politikerin hat bereits kämpferisch angekündigt: Sie „werde die Entwicklungen weiterhin aufmerksam verfolgen.“
Darüber hinaus ist Dittmar für die kontrollierte Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken. Wichtig sei, den „gesellschaftlichen Realitäten ins Auge zu sehen“. Für sie sei die Cannabis-Legalisierung der richtige Weg, um den Schwarzmarkt zurückzudrängen. Die SPD-Gesundheitsexpertin wünscht sich eine Entkriminalisierung der Konsumentinnen und Konsumenten. Eine kontrollierte Cannabis-Abgabe reduziere ihrer Meinung nach Gesundheitsrisiken durch verunreinigtes Cannabis vom Schwarzmarkt. Außerdem könne die kontrollierte Abgabe zum Jugendschutz beitragen. Im Interview erklärt die Politikerin:
„Mir liegt die Sucht- und Drogenpolitik sehr am Herzen, dort insbesondere die Cannabis-Prohibition. Ich stelle fest, dass sich in der SPD da zurzeit viel bewegt. Wir sollten überlegen, ob wir es den Bundesländern ermöglichen, regionale Modellprojekte durchzuführen, bei denen eine regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene getestet und evaluiert wird. Dafür spricht viel: Wir würden den gesamten Verwaltungs- und Justizapparat extrem entlasten, Steuergelder einsparen, den Schwarzmarkt eindämmen und hätten vor allem einen effizienteren Zugang zu Präventionsmaßnahmen.“
AfD
Die AfD ist mit fünf Abgeordneten im Gesundheitsausschuss vertreten: Prof. Dr. Axel Gehrke, Paul Viktor Podolay, Dr. Robby Schlund, Jörg Schneider und Detlev Spangenberg. (Die AfD ist übrigens die einzige Fraktion, die keine Frau in den Gesundheitsausschuss entsendet.)
In puncto Gesundheitspolitik ist die AfD ein unbeschriebenes Blatt. Das Wahlprogramm fällt zu diesem Thema sehr mager aus. Zu Cannabis als Medizin gibt es keine Parteierklärung. Gerne hätten wir die Position der AfD dargestellt. Leider blieben die mehrmaligen Nachfragen von Leafly.de unbeantwortet.
Die AfD hat sich im Bundestag gegen jede Lockerung des Cannabis-Verbots ausgesprochen. „Öffnen Sie nicht Pandoras Büchse“, warnte der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Dr. Axel Gehrke. Und er ging in seinen Forderungen sogar noch weiter: Auch Alkohol und Tabak sollten verboten werden. Gehrke ist Kardiologe und ehemaliger Direktor der Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation der Medizinischen Hochschule Hannover.
FDP
Für die Liberalen sitzen als ordentliche Mitglieder im Gesundheitsausschuss: Christine Aschenberg-Dugnus, Katrin Helling-Plahr, Dr. Wieland Schinnenburg, Prof. Dr. Andrew Ullmann und Nicole Westig.
Dr. Wieland Schinnenburg, Zahnarzt und Rechtsanwalt, ist der neue drogen- und suchtpolitische Sprecher der FDP. Die Liberalen waren in der letzten Wahlperiode nicht im Bundestag vertreten und haben daher auch nicht über das Cannabisgesetz abgestimmt. Schinnenburg setzt sich jedoch für die Versorgung der Cannabispatienten ein: Als Reaktion auf den Stopp des Vergabeverfahrens für die Produktion von Medizinalhanf in Deutschland hat der FDP-Mann den Bundesgesundheitsminister zum schnellen Handeln aufgefordert. (Leafly.de berichtete.)
Durch den Ausschreibungs-Stopp „kommt es zu einer erheblichen Verzögerung bei der Produktion von Cannabis in Deutschland. (…) Gesundheitsminister Jens Spahn, der die Fachaufsicht über das BfArM hat, muss sofort eingreifen und für eine ordnungsgemäße Ausschreibung sorgen. Nur so kann dem Verdacht entgegengewirkt werden, die juristische Panne könnte den Kritikern einer modernen Cannabis-Politik sogar recht sein.“
Die FDP hat sich das Thema Cannabis-Legalisierung auf die Fahnen geschrieben – und Wieland Schinnenburg macht sich dafür stark. Im Bundestag hat die FDP-Fraktion einen Antrag eingebracht, Cannabis-Modellprojekte zu ermöglichen. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, bisherige Antragsteller sowie weitere Länder und Kommunen, die ein solches Modellprojekt umsetzen wollten, aktiv zu unterstützen.
Der Kampf gegen den Cannabis-Konsum durch Repression sei gescheitert. Daher sei es an der Zeit, neue Wege in der Suchtprävention zu beschreiten, erklärt der drogenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion.
Der Vorstoß der Liberalen zu Modellprojekten wurde vom Bundestag in den Gesundheitsausschuss verwiesen. Dort werden sich die Mitglieder weiter mit dem Thema beschäftigen.
Die Linke
Die Links-Fraktion hat vier ordentliche Mitglieder im Gesundheitsausschuss: Harald Weinberg, Sylvia Gabelmann, Dr. Achim Kessler und Pia Zimmermann. Sylvia Gabelmann ist die einzige Apothekerin im Parlament. Der drogenpolitische Sprecher der Linken, Niema Movassat, ist stellvertretendes Mitglied im Gesundheitsausschuss. Gleichzeitig ist er auch Sprecher für Verfassungspolitik.
Niema Movassat setzt sich für die Versorgung der Patienten mit Cannabis als Medizin ein. Er bemängelt Lieferengpässe und den Stopp des Ausschreibungsverfahrens für den Anbau von Cannabis in Deutschland.
„Aufgrund der Klage gegen die Ausschreibung der Bundesregierung ist es utopisch, 2019 mit einer Cannabisernte in Deutschland zu rechnen.“
Seine Meinung nach drohen negative Konsequenzen für die Cannabispatienten, sollte der Anbau nicht wie geplant starten können. Außerdem kritisiert er, dass die Krankenkassen jeden Antrag auf Kostenübernahme einer Cannabis-Behandlung überprüfen lassen:
Wenn ein Arzt Cannabis als Medizin verschreibt, soll die Kasse diese Therapie akzeptieren – wie bei anderen Medikamenten auch, erklärt Movassat im Interview mit Leafly.de.
Die Linke will auch die Entkriminalisierung von Cannabis zu Genusszwecken. Die Verbotspolitik in puncto Cannabis sieht sie als gescheitert an. Jüngst hat die Linksfraktion einen Antrag in den Bundestag eingebracht: Sie fordern, den Besitz von kleinen Mengen Cannabis zum Eigenbedarf zu erlauben. Darüber hinaus sollen Suchtprävention, Beratung und Behandlung gestärkt werden.
„Polizei und Justiz haben Wichtigeres zu tun, als ein paar Cannabis-Konsumenten zu verfolgen“, so Niema Movassat.
Movassat betont, dass die Forderungen der Linken im Bezug auf die Cannabis-Legalisierung deutlich weiter gehen als dieser Antrag. Ziel sei, den Konsum wie auch den Eigenanbau zu entkriminalisieren. Die Linke habe aber vorerst einen kleinen Vorstoß in den Bundestag eingebracht, den möglichst viele Parteien mittragen können.
Der Antrag der Linken wurde in den Gesundheitsausschuss überwiesen, wo er weiter behandelt wird.
Bündnis 90/Die Grünen
Die Grünen sind im Ausschuss für Gesundheit vertreten durch: Dr. Bettina Hoffmann, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Dr. Maria Klein-Schmeink und Kordula Schulz-Asche. Schulz-Asche ist die Arzneimittel- und Apothekenexpertin der Grünen. Kappert-Gonther ist Ärztin aus Bremen und Hoffmann Biologin.
Dr. Kirsten Kappert-Gonther ist bei den Grünen die Sprecherin für Gesundheitsförderung und Drogenpolitik. Sie will die Versorgungssituation der Cannabispatienten verbessern. Ihrer Meinung nach verschließt die Regierung die Augen vor den Lieferengpässen – Leidtragende seien die Patientinnen und Patienten. Die Gesundheitspolitik von Jens Spahn bezeichnet sie als „kalt“ und an „Anbieterinteressen“ orientiert. Dem möchte Kappert-Gonther eine „empathische, feministische, pharmakritische und an den Interessen der Betroffenen orientierte Politik“ entgegensetzen.
Darüber hinaus bemängelt die Politikerin die Berührungsängste der Ärzte beim Thema Cannabis als Medizin. „Das liegt auch daran, dass es noch Unsicherheiten in der Verordnung gibt“, erklärt Kappert-Gonther. Patientinnen und Patienten sollen einen schnellen Zugang zu Medizinalhanf sowie der Kostenerstattung durch die Krankenkasse erhalten. Im Interview mit Leafly.de droht die Grünen-Politikerin:
„Wenn die Kassen ihre Genehmigungspraxis nicht ändern, muss notfalls der Gesetzgeber noch mal ran und gesetzlich klarstellen, dass eine adäquate Behandlung von Schwerstkranken nicht im Ermessen der einzelnen Kassen liegt – auch nicht bei medizinischem Cannabis.“
In Sachen Cannabis-Legalisierung versuchen die Grünen mit ihrem Cannabiskontrollgesetz den großen Wurf. Sie legten dem Bundestag einen umfangreichen Gesetzentwurf vor: Cannabis solle aus den strafrechtlichen Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes herausgenommen werden. Stattdessen wollen die Grünen einen strikt kontrollierten legalen Markt für Cannabis. Denn nur dadurch könne der wirksame Schutz von Minderjährigen gewährleistet werden, so das Argument der Grünen. Daher soll die gesamte Handelskette für Cannabis – vom Anbau über den Großhandel, den Im- und Export bis zum Einzelhandel – reguliert werden.
„Wir Grünen wollen endlich die kontrollierte Freigabe von Cannabis. Das ermöglicht die Deklaration der Inhaltsstoffe, schützt vor gesundheitsgefährdenden Beimischungen und stellt den Jugendschutz sicher. Erwachsene sollen frei entscheiden können, ob und was sie konsumieren“, sagt die drogenpolitische Sprecherin Kappert-Gonther im Interview mit Leafly.de.
Wie die Vorschläge der FDP und der Linken zur Cannabis-Legalisierung, so wurde auch der Entwurf zum Cannabiskontrollgesetz der Grünen vom Parlament in den Gesundheitsausschuss verwiesen.
Aufgaben und Arbeitsweise des Gesundheitsausschusses
Generell dienen die Bundestagsausschüsse der Vorbereitung von Entscheidungen, die im Bundestag gefällt werden. Aufgrund der Größe des Plenums können nicht alle Beschlüsse und Gesetzesentwürfe im Bundestag diskutiert und ausgehandelt werden. Die Ausschüsse bereiten die Gesetzesvorlagen so weit vor, dass sie abstimmungsreif sind. Darüber hinaus sprechen sie eine sogenannte Beschluss-Empfehlung aus:
Das bedeutet, die Ausschüsse schlagen vor, ob das Plenum ein Gesetz annehmen soll oder nicht. Somit haben die Bundesausschüsse großen Einfluss in ihrem Fachbereich.
Ausschüsse beraten nicht nur Gesetzesinitiativen und Anträge, die vom Parlament an sie verwiesen wurden. Der Gesundheitsausschuss besitzt auch das sogenannte Selbstbefassungsrecht:
Das bedeutet, der Ausschuss hat die Möglichkeit, über gesundheitspolitisch relevante Themen und Ereignisse zu beraten, ohne dass ein Arbeitsauftrag vorliegt.
Ferner kann der Ausschuss die Bundesregierung auffordern, über ihre gesundheitspolitischen Initiativen, über aktuelle Entwicklungen im Gesundheitswesen oder über andere relevante Themen zu berichten.
Aufgaben des Gesundheitsausschusses:
- den Bundestag informieren
- dem Plenum Beschlüsse empfehlen
- anderen Ausschüssen beratend zur Seite stehen bei überschneidenden Themen
- eigene Schwerpunkte setzen
Konkurrierende Interessen in der Gesundheitspolitik
In Deutschland sind alle Menschen krankenversichert: etwa 90 Prozent in der gesetzlichen und etwa 10 Prozent in der privaten Krankenversicherung. Mehr als ein Zehntel des Bruttosozialprodukts fließt in das Gesundheitswesen. Jeder zehnte Erwerbstätige ist in diesem Berufsfeld beschäftigt. Entsprechend vielfältig sind die gesundheitspolitischen Interessen: Patienten wollen eine gute medizinische Versorgung, Angestellte im Gesundheitswesen ein faires Einkommen und die Versicherten möglichst geringe Beiträge. Diese unterschiedlichen Interessen muss die Gesundheitspolitik miteinander vereinbaren.
Thema Cannabis im Gesundheitsausschuss
In Sachen Legalisierung von Cannabis wird der Gesundheitsausschuss in diesem Jahr interessante Debatten führen. Wir von Leafly.de werden beobachten, ob sich die Mitglieder im Ausschuss auf eine der drei vorliegenden Gesetzesinitiativen – von der Linken, den Grünen oder den Liberalen – einigen können bzw. wie der Kompromiss aussehen wird.
Darüber hinaus werden wir selbstverständlich verfolgen, ob das Thema Cannabis als Medizin vorangetrieben wird: Die Versorgung von Cannabispatienten, die hohe Ablehnungsquote der Krankenkassen, der Anbau in Deutschland und die Preise von Cannabis in der Apotheke wären Probleme, derer sich der Gesundheitsausschuss annehmen könnte. Dem Wohle der Cannabispatienten würde er damit allemal dienen.
Quellen: