In einer Pressemitteilung heißt es, dass deutsche Ärzte zunehmend Erfahrungen mit dem therapeutischen Einsatz von Medizinalhanf bei unterschiedlichen Erkrankungen und Beschwerden im Erwachsenenalter sammeln. Im Vergleich dazu gebe es in der Neuropsychiatrie bzw. bei neuropsychiatrischen Erkrankungen und der Behandlung mit Cannabis im Kindesalter kaum Erkenntnisse vor.
Mit dem Cannabis-Gesetz vom März 2017 dürfen prinzipiell auch Kinderärzte sowie Kinder- und Jugendpsychiatern Cannabis als Medizin verordnen. Allerdings ist der Einsatz von Medizinalhanf aufgrund der Auswirkungen auf die Hirnentwicklung bei Kindern und Jugendlichen gut abzuwägen.
Auf der „Neurowoche“, die vom 30. Oktober bis zum 3. November 2018 in Berlin stattfand, informierte ein Fachsymposium zu diesem Thema. Gastredner Dr. Manfred Nowak, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie aus Landau, erklärte:
„Im Vergleich zu den mittlerweile international sehr umfangreichen Erfahrungen mit einer Cannabis-Therapie im Erwachsenenalter ist die Datenlage zum therapeutischen Einsatz von Cannabis im Kindes- und Jugendalter bislang eher gering. Die bisher durchgeführten Studien und Einzelfallbeobachtungen deuten jedoch darauf hin, dass Cannabis auch in dieser Altersgruppe bei ausgewählten Indikationen gute therapeutische Erfolge erzielen kann.“
Nowak wies aber auch noch einmal darauf hin, dass Cannabinoide bis zum Abschluss der Pubertät in die Entwicklung des Gehirns eingreifen, sodass die Anwendung in der Neuropsychiatrie oder anderen Bereichen sorgfältig abgewogen werden muss.
Cannabinoide und ihr Einfluss auf die Hirnentwicklung
Die Grundlage des Einflusses von zugeführten Cannabinoiden auf die Hirnentwicklung bis zum Pubertätsabschluss ist das Endocannabinoidsystem (ESC) mit seinen Cannabinoidrezeptoren CB1 und CB2 sowie den körpereigenen Cannabinoiden. Im zentralen Nervensystem an den präsynaptischen Membranen findet sich die größte Dichte an CB1-Rezeptoren. Also in Regionen, die an verschiedenen kognitiven Prozessen wie Gedächtnis und Lernen beteiligt sind.
Nowak führte aus, dass es bisher nur wenige Untersuchungen über die Entwicklung des Endocannabinoidsystems beim Menschen gebe. Jedoch konnte wohl gezeigt werden, dass die CB1-Dichte im Verlauf der Gehirnentwicklung in diesen Regionen variiert. Die höchste Dichte werde vor allem während der Pubertät erreicht. Neben dem Endocannabinoidsystem würden während dieser Entwicklungsphase auch andere Neurotransmittersystem wie das serotonerge, glutamaterge und dopaminerge System reifen, die wiederum mit dem Endocannabinoidsystem in Verbindung stehen.
„Dem ECS kommt wahrscheinlich eine zentrale Rolle in der Feinabstimmung dieser komplexen Neurotransmittersysteme während der Gehirnentwicklung zu“, führte Dr. Nowak dazu aus.
Cannabis in der Neuropsychiatrie im Kindes- und Jugendalter
Nowak stellte in seinem Vortrag verschiedene Studien sowie Einzelfälle vor. Hier ging es um Kinder und Jugendliche, die an Epilepsie, Autismus, der Tic-Störung infolge des Tourette-Syndroms, ADHS und Cerebralparese leiden.
Cannabis gegen Epilepsie
Nowak nannte hier eine randomisierte, placebo-kontrollierte Doppel-Blind-Studie aus dem Jahr 2018. Hieran nahmen 74 Kinder und Adoleszente mit einer therapieresistenten Epilepsie teil. Die Anfallsfrequenz reduzierte sich nach einer THC- und CBD-Behandlung innerhalb von sechs Monaten bei mehr als der Hälfte der Studienteilnehmer.
Cannabis gegen Autismus und ADHS
Darüber hinaus stellte Nowak ein Fallbeispiel eines 18-jährigen Patienten vor, der am Asperger-Syndrom litt. Gleichzeitig wurden bei ihm ein ADHS sowie eine Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen diagnostiziert. Bisher erhielt der Patient gegen impulsive Ausraster, Kränkungsfantasien, unsoziales Verhalten und Mordgedanken Methylphenidat, Elvanse und Risperidon. Er wurde dann zwei Monate lang mit Cannabisextrakten und Cannabisblüten zum Vaporisieren behandelt. Hierunter zeigte der Patient keine emotionalen Ausbrüche mehr und seine Lebensqualität verbesserte sich deutlich. Zudem konnte er zum ersten Mal in eine Fördermaßnahme integriert werden.
Cannabis gegen Tics
Des Weiteren stellte Nowak ein Fallbeispiel eines 16-jährigen Patienten vor, der an einer schweren Tourette-Symptomatik litt. Zunächst erhielt der Patient Dronabinol. Später erfolgte die Umstellung auf vaporisierte Blüten. Aufgrund der Cannabis-Behandlung war es möglich, alle weitere Arzneimittel innerhalb von sechs Monaten abzusetzen. Außerdem berichtete der Patient von einer deutlich verbesserten Lebensqualität.
„Insgesamt deuten diese ersten Ergebnisse und Beobachtungen darauf hin, dass eine Cannabis-Therapie bei ausgewählten Indikationen eine sinnvolle Ergänzung zu weiteren therapeutischen Maßnahmen darstellen kann. Gerade in diesem sensiblen Bereich der Therapie von in der Neuropsychiatrie vorkommenden Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter sind aber sicherlich noch weitere intensive klinische Studien erforderlich, um das Potenzial einer Cannabis-Therapie zu erkennen und ausschöpfen zu können“, führte Nowak aus.
Hinweis: In diesem Artikel berichten wir über rezeptpflichtiges CBD oder auch Cannabidiol. Dieser Artikel macht zur möglichen Zweckbestimmung keinerlei Vorschlag. Nutzversprechen bleiben den Apothekern überlassen.